Dienstag, 31. Dezember 2019

Willkommen im Krieg



Du hast dir also einen Hund ins Haus geholt, hoffst nun auf eine schöne Zeit mit deinem neuen besten Freund und neuen Bekanntschaften, tollen Unterhaltungen und spannenden, sachlichen Diskussionen in der großen Hundehalter Community, zu der du jetzt ja auch gehörst?
Ich muss euch leider herb enttäuschen. In dem Moment in dem ihr eine Leine in die Hand genommen habt, habt ihr euch mitten in ein heißes Krisengebiet begeben in dem Bürgerkrieg herrscht. Und nicht irgendein Bürgerkrieg, nein einer der schlimmsten Sorte, nämlich ein Glaubenskrieg. Ladies und Gentlemen, willkommen auf dem Schlachtfeld, auf dem ihr als Hundehalter ab sofort täglich leben werdet.
Nein, ich mache keine Witze. Hundehalter sind in der Masse vieles, tolerant gegenüber Andersdenkenden sind sie nicht. Da stehen sie in etwa auf derselben Stufe, wie die christlichen Missionare im Mittelalter und machen getreu dem Erlass Nummer 8 aus der Capitulatio de partibus Saxoniae „Sterben soll, wer Heide bleiben will“ Jagd auf jene, die ihren Glauben zum Thema Hund nicht teilen will.

Wer dies nicht glauben will, soll die Tage einmal einfach die Sozialen Medien bemühen. Heute ist Silvester und überall werden von Trainern und Tierärzten in allen möglichen Medien die unterschiedlichsten Tipps gegeben, wie man den ängstlichen Hund sicher durch die letzte und erste Nacht des Jahres bringen kann.
Und auch die Anhänger der einzelnen Denkungsrichtungen haben Stellung bezogen. Doch nicht um ihre Erfahrungen mit Gleichgesinnten zu teilen. Nein, sie sind hier, um ihren Glauben mit Axt, Schwert und Feuer zu verteidigen, ihn den Ungläubigen aufzuzwingen und all jene zu brandmarken und zu vertreiben, die nicht zu ihnen gehören und sich nicht bekehren lassen wollen. Die eine Glaubensgruppierung schwört auf Alkohol und jeder, der das ablehnt, hat keine Ahnung. Die nächste Gruppe bezichtigt die erste, ihre Hunde zu vergiften und preist die Wirksamkeit von Bachblüten an. Die nächste Fraktion, will die Bachblütenfans für Scharlatanerie aufs Rad flechten, die Alkoholverfütterer mit einem neuen Prohibitionsgesetz in den Kerker werfen lassen und preist die Segnungen der modernen Wissenschaft und die Wirksamkeit von verschreibungspflichtigen Medikamenten an. Zwischendrin tummeln sich die Anhänger der uralten Glaubensrichtung und predigen, dass diese ganze neumoderne Hysterie doch Humbug sei, man den ganzen Blödsinn lassen und sich einen Exorzisten für die eigene zerstörte Seele suchen soll.

Und bevor jemand fragt, nein, das geht nicht nur bei der Frage nach der Angst des Hundes zu Silvester so. Der Glaubenskrieg unter Hundehaltern tobt in allen Belangen rund um die geliebten Vierbeiner.
Das geht los bei der Anschaffung. Egal ob vom Züchter, vom Hobbyvermehrer, aus dem deutschen Tierheim, dem Auslandstierschutz, vom Bauern im nächsten Dorf oder aus den Kleinanzeigen, du wirst immer jemanden finden, der dich dafür, wo du deinen Hund gekauft hast, verurteilt, dir die Pest an die Hals wünscht, einen Platz im tiefsten Kreis der Hölle für dich bucht, deine unsterbliche Seele dorthin verflucht und dir sagt, dass so jemand wie du nicht einmal eine Zimmerpflanze besitzen darf.
Richtig blutig wird der Krieg bei Themen wie Futter und Ausbildung. Auf diese Gespräche sollte man sich erst einlassen, wenn man bereits Erfahrung im Nahkampf gesammelt und einen gut ausgestatteten Verbandskasten bei sich hat. Denn auf diesen Hauptschauplätzen des großen Kriegs werden nur selten Gefangene gemacht. Du fütterst Fertigfutter? Erdenmörder, Tierquäler! Du fütterst roh, aber ohne wissenschaftlich verifizierten, maschinell erstellten und wöchentlich bezahlten Futterplan? Blasphemie, wie kannst du dir nur anmaßen, selbst etwas zu wissen? Du fütterst ein Markenfutter, das nicht biologisch in Deutschland aus Insekten, die von Windschutzscheiben gesammelt und mit Mehl aus handgepflücktem Bio Hafer, der nur bei Neumond geerntet wurde, hergestellt ist? Du vergiftest dein Tier und bist alleinig schuld an Klimawandel und dem Artensterben, du Monster!
Über die Erziehung, Ausbildung und Auslastung will ich eigentlich gar nicht reden. Aber lass dir gesagt sein, lieber Neuhundehalter, egal ob du mit deinem Hund einfach nur Gassi gehen willst oder zweimal in die Woche zum Training für Sport und Spaß gehst, du bist ein seelenloses Monster, dem PeTA nachts den Hund zu seiner Rettung entführen sollte und gehörst für deine Verbrechen an der Kreatur Hund geteert und gefedert und zur Abschreckung für alle auf dem Dorfplatz zur Schau gestellt.

In genau 9,5 Stunden beginnt das neue Jahr.
Was ich mir für 2020 wünsche? Dass in die Reihen der Hundehalter wieder etwas mehr Toleranz einkehrt. Dass die Leute wieder beginnen zu begreifen, dass anders nicht gleich falsch oder böse bedeutet. Wieder mehr Miteinander statt Gegeneinander, mehr Verständnis, Rücksicht und auch mehr Selbstreflexion.
Die Gesellschaft ist nicht immer ein friedlicher Ort für Hundehalter. Vorurteile, Verbote und Sanktionen kommen auch so schon von allen Seiten auf uns zu. Deshalb bliebe zu hoffen, dass die Hundehalter zumindest untereinander ihre Grabenkämpfe beilegen könnten.
Doch leider wird das wohl auch im kommenden Jahr nur ein schöner Traum bleiben, in der realen wie in der virtuellen Welt und es wird auch in Zukunft für Neuhundebesitzer heißen: „Hier ist ihr neuer Hund, herzlich willkommen im Krieg.“