Unser siebtes Buch.
Baumann gehört in der Hundeszene immer noch zu meinen
Lieblingsautoren. Der ehemalige Diensthundeführer zeigt in seinen Büchern immer
einen starken Hang zum Realismus, keine selbsterdachten Philosophien mit
pseudoesoterischen Anleihen, kein moralinsaurer Unterton und auch keine
übertrieben emotionale Sichtweise. Sondern einfach nur eine objektive Herangehensweise
an die Probleme unter Berücksichtigung der klassischen Lerntheorie.
In diesem Buch widmet sich Baumann den Vorteilen und auch
den Problematiken der Mehrhundehaltung. Einem Thema, das auch nach Ansicht des
Autors immer mehr zu einem Modethema wird, da der Trend immer stärker zum
Mehrhundehaushalt geht.
Baumann beginnt ausführlich mit den möglichen
Integrationsmodellen. Welche Möglichkeiten gibt es um Einzeltiere in bestehende
Gruppen zu integrieren, wie führt man Gruppen zusammen. Baumann nimmt sich
Zeit, genau aufzuschlüsseln wieso welche Tiere in welcher Reihenfolge
zusammengeführt werden und wieso die Auswahl der Reihenfolge in einigen Fällen
entscheidend für den Erfolg der Vergesellschaftung sein kann.
Im weiteren Verlauf beschäftig sich Baumann mit der
Aufwand Analyse für den Mehrhundehaushalt. Was muss Hund mitbringen für ein
erfolgreiches Gruppenleben, welche „Kosten“ hat das Leben im Mehrhundehaushalt für
den einzelnen Vierbeiner und vor allem, was bedeutet dies im Zusammenleben für
den betreuenden Menschen. Was muss Mensch an Organisation und Kontrolle leisten
können, um ein Gelingen der Mehrhundehaltung sichern zu können? Dem stellt
Baumann im Folgekapitel die Nutzen des Lebens in der Gruppe für die einzelnen
Individuen gegenüber.
All dies begleitet Baumann durch sämtliche Kapitel mit
ausführlichem Bildmaterial und Beispielen aus seiner Berufspraxis.
Besonders warnt Baumann erneut vor den Auswirkungen von
überholten Alphatheorien aber auch vom Festhalten an allgegenwärtigen
Patentlösungen. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Beziehungen
zwischen den Individuen immer so speziell betrachtet werden müssen, wie die
Individuen selbst. In Kombination mit den Wechselwirkungen der Gruppendynamik
verbieten sich pauschale Lösungsansätze im Grunde von selbst.
Auch mahnt Baumann an, sich nicht von der Vorstellung vom
Rudeltier Hund und dem neuen Trend zur Mehrhundehaltung dazu hinreißen zu
lassen, dass ausnahmslos jeder Hund mit einem oder mehreren Artgenossen in
seinem Haushalt glücklicher ist.
Auch dem alltäglichen Spaziergang widmet Baumann ein
eigenes Kapitel. Er gibt Tipps zu Struktur und alltagstauglicher Erziehung und
regt Beschäftigungsmöglichkeiten für die ganze Gruppe oder auch einzelne Mitglieder
an. Baumannkenner wird es nicht verwundern, dass in diesem Kapitel – wie in
fast jedem seiner Bücher – sein ZOS-Training vorgestellt wird.
Den Abschluss bildet ein mehr als ausführliches Kapitel
mit Beispielen aus Baumanns Berufsalltag. Insgesamt werden zehn
Problemstellungen mit verschiedenen Gruppenstärken, beteiligten Rassen und
Ausgangslagen genauer vorgestellt und besprochen.
Im Großen und Ganzen klingt die Zusammenfassung sehr
positiv und man muss Baumann auch zugestehen, dass er erneut ein wichtiges und
aktuelles Thema mit qualitativ hochwertigem Wissen seinen Lesern präsentiert
hat. Die große Schwachstelle des Buches präsentiert sich jedoch sehr deutlich
am letzten Kapitel. Baumann tendiert in diesem Buch sehr stark dazu die Theorie
mit vielen Beispielen zu umkleiden. Das letzte Kapitel, das einzig aus
Beispielanalysen besteht aus 85 Seiten, in einem 287 Seiten Buch. Zieht man das
diesmal sehr großzügig verwendete Bildmaterial, das Beispielkapitel und die im
laufenden Text ständig verwendeten Beispiele ab bzw. würde sie auf ein
notwendiges Minimum reduzieren, könnte man „Mehrhundehaltung“ mit Leichtigkeit
auf die Hälfte des vorliegenden Buchblocks reduzieren, ohne etwas vom
relevanten Inhalt zu verlieren. Bei einem Neukaufpreis von 39€ beschleicht
einen phasenweise leider das Gefühl, als hätte man versucht möglichst viele
Seiten zu füllen, um den Preis zu rechtfertigen. Die präsentierten Inhalte sind
richtig und wichtig, aber die Frage muss erlaubt sein, ob sie nicht besser als
mehrere Kapitel im Rahmen eines größeren Buches, oder als kleinere gestraffte
Ausgabe präsentiert worden wären. Man sollte Baumanns Aussagen, Ideen und
Problemlösungsansätze zum Thema Mehrhundehaltung gelesen haben, aber ich kann
dennoch jeden Leser verstehen, der durch den Preis etwas verstimmt ist.
Als nächstes Buch auf der Leseliste:
Hellmuth Wachtel – Hundezucht 2000