Mittwoch, 23. November 2016

Die Fragezeichen tanzen




„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen“. Wer den Beitrag von Herrn Rütter zum Thema Qualzucht und Erbkrankheiten am vergangenen Wochenende gesehen hat, kann nachvollziehen, was Bertold Brecht dazu bewogen haben mag, diese Zeilen zu schreiben.
Die Werbetrommel wurde groß gerührt im Vorfeld, es wurden mittels Aufruf bei Facebook und Co nach interessierten Hundehaltern gesucht, die bereit waren über die rassetypischen Erkrankungen ihrer Hunde zu sprechen und ebenso wurden Besitzer von genetisch überdurchschnittlich gesunden Rassen gesucht. Zweitere Gruppe hat sich entweder nicht gemeldet oder wurde letztlich als nicht medienwirksam wieder aus dem Beitrag geschnitten, wer weiß das im Nachhinein schon.

Gespannt wartete man nun also auf den illustren Reigen der kranken Rassehunde, bei dem nicht so ganz klar war, was Vox und sein Hundeprofi damit bewirken wollen. Den Anfang machte ein Cavalier King Charles Spaniel. Spätestens seit „Pedigree Dogs Exposed“ haben viele Hundefreunde – auch jene, die diese Rasse nicht selbst besitzen – davon gehört, dass diese Rasse gehäuft unter Syringomyelie leidet, auch wurde damals in der Anzeige der Produktionsfirma gezielt nach Hunden mit dieser Erkrankung gesucht. Umso überraschender, dass der vorgestellte Cavalier nicht mit dieser Deformation leben muss. Stattdessen präsentiert sich die 10jährige stark übergewichtige kastrierte Hündin mit desaströsem Zahnzustand mit einer Reihe anderer Leiden… Patella Luxation, Inkontinenz, HD, Arthrose, Herzproblemen und noch dem ein oder anderen, das ich in der Zwischenzeit vermutlich verdrängt habe. Die Besitzerin spricht von einem „Totalschaden“ und betont immer wieder die VDH Papiere des Hundes. Doch Antworten auf die wirklich interessanten Fragen zu diesem Beispiel gibt es nicht. Die einzige Erkrankung auf der Auflistung, die als „typisch Cavalier“ gilt, ist das Herz. Doch die Frage, ob es wirklich ein genetisches Zuchtleiden ist oder einfach nur ein Ergebnis aus der Kombination von Alter, Übergewicht und kaputten Zähen, wird nicht gestellt. Kleine Rassen haben öfter Probleme mit der Patella, beim Anblick des Hundes fragt man sich aber auch hier, ob da nicht, wie bei allen Problemen des Bewegungsapparats dieses Tieres, deutlich weniger Einschränkungen bestünden, würde die kleine Cavaliertonne auf ein vernünftiges Gewicht abgespeckt. Allerdings wird der Zuschauer aufgeklärt, dass das Gewicht nur von der Kastration komme. Auf die Idee, dass diese auch für die Inkontinenz und die weiteren Blasenprobleme verantwortlich sein könnte, kommt man an dieser Stelle nicht.
Als nächstes ein Bernhardiner mit Ektropium. Das offene Auge wird gezeigt, es werden wieder die VDH Papiere betont… die Frage, wieso man beim Kauf nicht auf Elterntiere mit gemäßigten Augen geachtet hat, wird nicht gestellt. Es folgt ein kurzes Interview mit dem Rassesprecher des VDH und es geht los mit den Möpsen. Ein angeblich aufgeklärter und gut informierter Mopskäufer mit VDH Hund und eine Besitzerin (oder war sie Züchterin?) eines Retromopses (oder altdeutschen?) stellen sich dem Vergleichstest. Das Ganze wird launig aufgezogen mit Rentnerin als Kontrollgruppe für den Ausdauertest und es wird ziemlich deutlich präsentiert, wer hier die guten und wer die bösen Züchter sind. Die interessanten Fragen werden wieder nicht gestellt. Wie kann es sein, dass der gut informierte und aufgeklärte Welpenkäufer nicht schon auf den ersten Blick sieht, dass er einen Welpen mit starker Brachyzephalie vor sich hat und die Nase mehr im Schädelinneren liegt als sonst wo? Woher kommen die kurzen Beine, der lange Rücken und die plötzliche Nase bei dem anderen Mops?
Weiter geht es zum Dobermann und zur DCM. Ein sehr umfassendes Thema, immerhin mit einem Spezialisten auf dem Gebiet beleuchtet, aber auch hier bleibt man an der Oberfläche, sucht sich eine einfache Antwort mit dem Zuchtverband als Buhmann und geht nicht tiefer. Seitenweise oberflächliche Diskussionen in diversen Internetportalen zeigen, dass auch hier die wichtigen Fragen wieder gefehlt haben.

Und am Ende tanzen die Fragezeichen, um den interessierten Zuseher und man begreift nicht so ganz, was man dem geneigten Interessenten nun mit dieser Sendung sagen wollte. Aufklärung über genetische Erkrankungen einzelner Rassen, wie man sie erkennt und wie der Züchter sie vermeiden kann, wurde in keinem der vier vorgestellten Fälle betrieben. Konsens aller Beiträge war „der VDH züchtet kranke Hunde“. Wobei man auch hier nur belustigt mit den Augen rollen konnte, dass keine klare Linie zwischen Dachverband, Zuchtvereinen und einzelnen Züchtern gezogen wurde, alles war stets die große graue Masse „VDH“.

Was bleibt also übrig von diesem TV-Beitrag? Sollte es überhaupt Aufklärung sein? Oder war es nur eine clevere Zusammenarbeit mit der im Vorprogramm laufenden HundKatzeMaus Produktion, um VDH Käufer für die dort regelmäßig vorgestellten Hobbyvermehrer abzuwerben, damit die dort produzierten netten Rassehunde ohne Gesundheitsuntersuchung und Standard, die unter den Augen hysterischer aber doch so tierlieber Produzenten von der hochqualifizierten Tierhebamme zur Welt gebracht wurden, mehr Abnehmer finden?

Ich weiß es nicht. Alles was ich weiß ist, dass VDH-Bashing nun wohl auch im TV modern ist, sich die Gegner der Verbandszucht und der Zucht allgemein bestätigt fühlen, sich die Besitzer von Welpen von Hobbyvermehrern wieder auf die Schulter klopfen, weil sie klug genug waren, um die Verbandszucht einen Bogen zu machen. Ich weiß, dass dieses oberflächliche Tränengedrücke an wirklich vorhandenen Missständen nichts ändert und man nur seriösen und bemühten Züchtern aller Rassen damit weiter das Wasser abgräbt, während selbsternannte Zuchtexperten wie die Maiglöckchen aus dem Boden schießen und mit realitätsfremden und himmelschreiend naiven Universallösungen aufwarten.
Und während der Hundeprofi und sein Produktionsteam zum nächsten spannenden Fall weiterziehen um die Massen zu belustigen, ohne irgendwelche Antworten auf interessante oder auch nur im Ansatz wichtige Fragen zu liefern. Sie ziehen ihre Show durch und lassen die Fragezeichen tanzen, denn Antworten sind etwas für Philosophiestudenten und nicht für Hundebesitzer.