„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den
Vorhang zu und alle Fragen offen“. Wer den Beitrag von Herrn Rütter zum Thema
Qualzucht und Erbkrankheiten am vergangenen Wochenende gesehen hat, kann
nachvollziehen, was Bertold Brecht dazu bewogen haben mag, diese Zeilen zu
schreiben.
Die Werbetrommel wurde groß gerührt im Vorfeld, es wurden
mittels Aufruf bei Facebook und Co nach interessierten Hundehaltern gesucht,
die bereit waren über die rassetypischen Erkrankungen ihrer Hunde zu sprechen
und ebenso wurden Besitzer von genetisch überdurchschnittlich gesunden Rassen
gesucht. Zweitere Gruppe hat sich entweder nicht gemeldet oder wurde letztlich
als nicht medienwirksam wieder aus dem Beitrag geschnitten, wer weiß das im
Nachhinein schon.
Gespannt wartete man nun also auf den illustren Reigen
der kranken Rassehunde, bei dem nicht so ganz klar war, was Vox und sein
Hundeprofi damit bewirken wollen. Den Anfang machte ein Cavalier King Charles
Spaniel. Spätestens seit „Pedigree Dogs Exposed“ haben viele Hundefreunde –
auch jene, die diese Rasse nicht selbst besitzen – davon gehört, dass diese
Rasse gehäuft unter Syringomyelie leidet, auch wurde damals in der Anzeige der
Produktionsfirma gezielt nach Hunden mit dieser Erkrankung gesucht. Umso
überraschender, dass der vorgestellte Cavalier nicht mit dieser Deformation
leben muss. Stattdessen präsentiert sich die 10jährige stark übergewichtige kastrierte
Hündin mit desaströsem Zahnzustand mit einer Reihe anderer Leiden… Patella
Luxation, Inkontinenz, HD, Arthrose, Herzproblemen und noch dem ein oder
anderen, das ich in der Zwischenzeit vermutlich verdrängt habe. Die Besitzerin
spricht von einem „Totalschaden“ und betont immer wieder die VDH Papiere des
Hundes. Doch Antworten auf die wirklich interessanten Fragen zu diesem Beispiel
gibt es nicht. Die einzige Erkrankung auf der Auflistung, die als „typisch
Cavalier“ gilt, ist das Herz. Doch die Frage, ob es wirklich ein genetisches
Zuchtleiden ist oder einfach nur ein Ergebnis aus der Kombination von Alter,
Übergewicht und kaputten Zähen, wird nicht gestellt. Kleine Rassen haben öfter
Probleme mit der Patella, beim Anblick des Hundes fragt man sich aber auch
hier, ob da nicht, wie bei allen Problemen des Bewegungsapparats dieses Tieres,
deutlich weniger Einschränkungen bestünden, würde die kleine Cavaliertonne auf
ein vernünftiges Gewicht abgespeckt. Allerdings wird der Zuschauer aufgeklärt,
dass das Gewicht nur von der Kastration komme. Auf die Idee, dass diese auch
für die Inkontinenz und die weiteren Blasenprobleme verantwortlich sein könnte,
kommt man an dieser Stelle nicht.
Als nächstes ein Bernhardiner mit Ektropium. Das offene
Auge wird gezeigt, es werden wieder die VDH Papiere betont… die Frage, wieso
man beim Kauf nicht auf Elterntiere mit gemäßigten Augen geachtet hat, wird
nicht gestellt. Es folgt ein kurzes Interview mit dem Rassesprecher des VDH und
es geht los mit den Möpsen. Ein angeblich aufgeklärter und gut informierter
Mopskäufer mit VDH Hund und eine Besitzerin (oder war sie Züchterin?) eines
Retromopses (oder altdeutschen?) stellen sich dem Vergleichstest. Das Ganze
wird launig aufgezogen mit Rentnerin als Kontrollgruppe für den Ausdauertest und
es wird ziemlich deutlich präsentiert, wer hier die guten und wer die bösen
Züchter sind. Die interessanten Fragen werden wieder nicht gestellt. Wie kann
es sein, dass der gut informierte und aufgeklärte Welpenkäufer nicht schon auf
den ersten Blick sieht, dass er einen Welpen mit starker Brachyzephalie vor
sich hat und die Nase mehr im Schädelinneren liegt als sonst wo? Woher kommen
die kurzen Beine, der lange Rücken und die plötzliche Nase bei dem anderen
Mops?
Weiter geht es zum Dobermann und zur DCM. Ein sehr
umfassendes Thema, immerhin mit einem Spezialisten auf dem Gebiet beleuchtet,
aber auch hier bleibt man an der Oberfläche, sucht sich eine einfache Antwort
mit dem Zuchtverband als Buhmann und geht nicht tiefer. Seitenweise
oberflächliche Diskussionen in diversen Internetportalen zeigen, dass auch hier
die wichtigen Fragen wieder gefehlt haben.
Und am Ende tanzen die Fragezeichen, um den interessierten
Zuseher und man begreift nicht so ganz, was man dem geneigten Interessenten nun
mit dieser Sendung sagen wollte. Aufklärung über genetische Erkrankungen
einzelner Rassen, wie man sie erkennt und wie der Züchter sie vermeiden kann,
wurde in keinem der vier vorgestellten Fälle betrieben. Konsens aller Beiträge
war „der VDH züchtet kranke Hunde“. Wobei man auch hier nur belustigt mit den Augen
rollen konnte, dass keine klare Linie zwischen Dachverband, Zuchtvereinen und
einzelnen Züchtern gezogen wurde, alles war stets die große graue Masse „VDH“.
Was bleibt also übrig von diesem TV-Beitrag? Sollte es
überhaupt Aufklärung sein? Oder war es nur eine clevere Zusammenarbeit mit der
im Vorprogramm laufenden HundKatzeMaus Produktion, um VDH Käufer für die dort
regelmäßig vorgestellten Hobbyvermehrer abzuwerben, damit die dort produzierten
netten Rassehunde ohne Gesundheitsuntersuchung und Standard, die unter den
Augen hysterischer aber doch so tierlieber Produzenten von der hochqualifizierten
Tierhebamme zur Welt gebracht wurden, mehr Abnehmer finden?
Ich weiß es nicht. Alles was ich weiß ist, dass
VDH-Bashing nun wohl auch im TV modern ist, sich die Gegner der Verbandszucht
und der Zucht allgemein bestätigt fühlen, sich die Besitzer von Welpen von
Hobbyvermehrern wieder auf die Schulter klopfen, weil sie klug genug waren, um
die Verbandszucht einen Bogen zu machen. Ich weiß, dass dieses oberflächliche
Tränengedrücke an wirklich vorhandenen Missständen nichts ändert und man nur
seriösen und bemühten Züchtern aller Rassen damit weiter das Wasser abgräbt,
während selbsternannte Zuchtexperten wie die Maiglöckchen aus dem Boden
schießen und mit realitätsfremden und himmelschreiend naiven Universallösungen aufwarten.
Und während der Hundeprofi und sein Produktionsteam zum
nächsten spannenden Fall weiterziehen um die Massen zu belustigen, ohne
irgendwelche Antworten auf interessante oder auch nur im Ansatz wichtige Fragen
zu liefern. Sie ziehen ihre Show durch und lassen die Fragezeichen tanzen, denn
Antworten sind etwas für Philosophiestudenten und nicht für Hundebesitzer.