Manchmal ist die englische Sprache herrlich elegant im
Umschreiben von Dingen. So gibt es zum Beispiel den Begriff des „Entitlement“.
Zum einen übersetzt sich der Begriff schlicht mit „Anspruch“, darüber hinaus
jedoch bezeichnet er auch das unberechtigte Gefühl eines Menschen, Anspruch auf
etwas zu haben.
Und gerade unter Hundehaltern scheint Entitlement weit
verbreitet zu sein.
Wer ist ihnen noch nie begegnet auf einer Gassirunde, den
Hundehaltern mit den unerzogenen, unverträglichen Hunden, die trotzdem stets
ohne Leine und Kontrolle durch die Lande laufen? Wieso sie das tun? Na sie
haben immerhin das Recht, ihren Hund freilaufen zu lassen. Man ist ja selbst schuld,
wenn man mint, gerade da rumlaufen zu müssen, wo sie mit ihrem Hund gehen
wollen. Da ist es auch vollkommen egal, ob man selbst einen Hund dabei hat oder
ein Jogger oder Radfahrer ist, dem der Hund mit Recht auf Freilauf dann am Bein
hängt. Man hat einfach Rücksicht darauf zu nehmen. Wie der Hundehalter seinen
Anspruch begründet? Gar nicht, ist halt einfach so. Seine Meinung ist sein
Himmelreich und alle haben sich danach zu richten.
Argumente helfen da nichts, gegen Entitlement kommt man
in solchen Situationen meist nur mit Polizei und Ordnungsamt an und auch dann
ist der Lernprozess langwierig und leider oftmals nicht nennenswert nachhaltig.
Schuld ist in der Regel das Gegenüber, besonders wenn es dann zum finalen Eklat
kommt und der Hund am Ende als gefährlich eingestuft und eingezogen wird.
Noch lernresistenter ist die online Form dieser
Hundehalter. Sie können zwar meist keinen solchen Schaden anrichten, wie ein
Hund im unkontrollierten Freilauf, ihnen ist aber auch wesentlich schwerer
Beizukommen, da gegen Taktlosigkeit und Aufdringlichkeit im Internet kein
Leinzwang und keine Maulkorbpflicht helfen kann. Online geht es beim Thema „ich
habe ein Recht darauf…“ so gut wie immer um Wissen. Die einen wollen es haben,
die anderen wollen es weitergeben, auch wenn das Gegenüber nicht danach gefragt
hat.
Mit denen, die meinen immer ein Recht auf Auskunft zu
haben, hat man als normaler Hundehalter weniger oft zu tun. Ihr bevorzugtes
Opfer sind Züchter, Deckrüdenbesitzer, Tierschutzvereine und manchmal auch
Sportler. Sie wollen es ganz genau wissen. An wen wurde der Rüde Rüdiger
vermittelt? In welchem Bundesland lebt er jetzt, wie war er bis dahin
untergebracht? Wieso hat man sich für diesen neuen Eigentümer entschieden?
Wieso ist man der Meinung, dass das ein besserer Halter ist, als derjenige, der
vor einer Woche in der Facebookgruppe geschrieben hat, dass er ihn nicht
bekommen hat?
Ist man dann irritiert mit welcher Berechtigung die
Person das wissen will – ist sie ein anderer Interessent? Ist sie ein
Bekannter, des früheren Halters? Hat sie vielleicht eine größere Summe
zweckgebunden für genau diesen Hund gespendet? – kommt meist schnell die
Ernüchterung. Nö, nichts von alle dem. Man hat nur aus einer Laune heraus
beschlossen, sich selbst als Kontrollinstanz einzusetzen, um sicher zu gehen,
dass es diesem Hund gut geht.
Besonders ausgeprägt und gehäuft tritt dieses Phänomen
auf, wenn ein Verein oder ein Züchter gerade öffentlich in die Kritik geraten
ist. Aktuell sehr schön zu sehen am Beispiel der Hellhound Foundation. Aus dem
Nichts tauchen Menschen auf, die plötzlich mehr als penetrant verlangen, dass
man ihnen Rede und Antwort steht. Sie hatten noch nie etwas mit den
betreffenden Hunden oder ihren Haltern zu tun, sie haben noch nie auch nur
einen Cent für die Organisation gespendet, wollen auch jetzt nicht helfen und
können selbst keine Informationen geben, die hilfreich sein könnten, aber sie
haben ihrer Ansicht nach ein Recht darauf, dass man alle ihre Fragen
beantwortet und ihre Sensationsgier befriedigt.
Ähnliches kennen fast nur noch Züchter und Deckrüdenbesitzer.
Denn in den Augen der Hundewelt sind auch sie oft jedem eine Antwort schuldig.
Wer nichts zu verbergen hat, kann ja im Internet ohne Bedenken die Hosen runterlassen.
Also raus mit der Sprache, woran ist die ehemalige Zuchthündin denn nun vor
drei Stunden verstorben? Warum wurde der Sohn vom großen Zuchtstar jetzt doch
nicht zur Zuchtzulassung vorgestellt?
Nein, mit Fragen nach der Todesursache muss man nicht
warten, bis der verstorbene Hund wenigstens kalt ist, die kann man sofort
stellen. Absolut nicht pietätlos, denn die Welt hat ein Recht darauf zu
erfahren, was passiert ist. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, gibt es
keinen Grund sich schlecht zu fühlen, also kann man sofort darüber sprechen.
Selbstverständlich hat der Fragende keinen Hund aus dieser Blutlinie oder hatte
je vor bei dem Züchter zu kaufen oder auch nur die Rasse zu besitzen. Man ist
nur da, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und hat somit alles Recht dieser
Welt auf Antworten und zwar sofort.
Nicht weniger übergriffig sind jene Leute, die meinen
alle Welt mit ihrem Wissen beglücken zu müssen. Sie sind hier um Aufklärung zu
betreiben und das notfalls mit Gewalt. Du postest ein Foto von deinem Hund, der
am Seeufer spielt? Erkennst du denn nicht die Gefahr, hast du noch nie etwas
von Wasservergiftung gehört? Oh wie niedlich, ihr habt euch einen
Rassehundewelpen gekauft, aber habt ihr den auch wirklich von einem seriösen
Züchter und wisst ihr, was diese Rasse alles braucht? Egal, nur weil ihr schon
fünf Hunde der Rasse hattet, werdet ihr dem Rat des Besserwissers, der die
Rasse nur von Fotos kennt, nicht entkommen. Denn er hat schließlich ein Recht
darauf, sein Wissen weiterzugeben.
Manchmal hat man den Eindruck, diese Leute würden das
Netz nach Schlagworten durchsuchen und dann im Copy and Paste Verfahren eine
vorgefertigte Erklärung einfügen. Vollkommen egal, ob sie zum aktuellen Beitrag
passt oder auch nur annähernd etwas damit zu tun hat.
Ein Foto von einem Merle Aussie? Belehrung über die
Gefahr der Farbgenetik einfügen.
Das Wort „Fütterung“ fällt irgendwo? Abhandlung über die Unzulänglichkeiten
von industriellen Futter kopieren und senden.
Ein Rassename ist gefallen? Oberflächliche Rassebelehrung
auf Stammtischniveau mit vielen Vorurteilen einfügen.
Die Liste ließe sich noch endlos fortführen, denn es gibt
diese „ich habe ein Recht, euch aufzuklären“ Menschen gibt es quasi zu jedem
Thema. Irgendeiner von ihnen hat den Inhalt der aktuellen Diskussion immer zu
seinem eigenen Spleen erhoben und glaubt das Monopol auf die richtige Herangehensweise
zu haben.
Leider ist gegen solche Leute kein Kraut gewachsen.
Ignoriert man sie, schreien sie nur umso lauter, weist man sie auf Fehler in
ihrer Meinung hin, ebenso. Lehnt man ihre Hinweise ab, bestärkt sie das nur
noch mehr in der Meinung, noch penetranter aufklären zu müssen, denn man sieht
ja, wie viele Leute die Augen vor dem Problem verschließen.
Das ist leider die Sache beim Entitlement. Mit gesundem
Menschenverstand und sachlicher Argumentation kommt man diesen Leuten nicht bei.
Mit Emotion und Aggression aber auch nicht. Oftmals bleibt einem Hundehalter
daher gerade in den online Diskussionen nichts Anderes übrig, als sich in
Impulskontrolle zu üben und sich zu fragen, woher die Leute ihre Überzeugung
nehmen. Oder man kann das Ganze als psychologische Feldstudie ansehen und den
Dunning Kruger Effekt in der natürlichen Umgebung beim Wirken zu sehen.
Vielleicht kann man dem Ganzen unter dem Gesichtspunkt dann wenigstens noch ein
bisschen Positives abgewinnen.