Sonntag, 3. Januar 2021

She needs a Hero

 


Schon von jeher war der Hund nicht nur der beste Freund des Menschen und begleitete ihn auf der Jagd. Nein, schon immer gehörte zu seinen Hauptaufgaben auch, seinen Menschen und das was ihm gehört, zu beschützen. Es wurden immer mehr Hunderassen erschaffen und bei vielen blieb der Schutzgedanke erhalten, zumindest in der ein oder anderen Form.

Sei es als Beschützer einer Herde, als Hofwächter oder als Schutzhund, es gab vielfältige Einsatzgebiete in denen Hund sich ausleben durfte. Zumindest früher. In der heutigen Zeit ist es nicht immer einfach mit einem Hund, der Wach- und Schutztrieb mit sich bringt. Denn war es früher noch akzeptiert, dass der Hofhund auch mal zulangte, wenn ein Fremder ungebeten in sein Revier spazierte, bedeutet so etwas heutzutage sehr schnell sehr großen Ärger für den Besitzer.  

Was jetzt aber nicht bedeutet, dass man diesen Typ Hund in der heutigen Zeit gar nicht mehr halten könnte. Es gibt genug Hundehalter, die wissen, was es bedeutet, einen Hund mit Schutztrieb zu besitzen und das im Alltag zu kontrollieren und zu kanalisieren, ohne dem Irrglauben zu erliegen, es unterdrücken oder aberziehen zu können. Diese Hundehalter leben mit ihrem Hund unauffällig unter uns. Die Eigenschaft gehört zu ihren Hunden, dessen sind sie sich bewusst, aber sie wissen auch, was es bedeutet, wenn ihr Hund ohne souveräne Führung willkürlich wacht und schützt.

Und dann gibt es die anderen…

Dieser Typus Hundehalter will unbedingt einen Hund mit Schutztrieb. Nicht für die Arbeit oder de Sport, auch nicht fürs Ego, sondern wirklich, weil er sich Schutz wünscht. Es handelt sich fast ausschließlich um junge Frauen Anfang bis Mitte 20, die es für eine gute Idee halten, sich einen Hund zum eigenen Schutz zu holen. Besonders beliebt in dieser Kategorie scheinen zurzeit Mal wieder der Dobermann aber auch der Malinois zu sein. Rottweiler und DSH trifft man bei diesem Typ Halter immer wieder an.

Und dann nimmt die immer wieder gleiche Geschichte ihren Lauf. Der Hund wird aus irgendeiner unseriösen Quelle gekauft, denn die meisten seriösen Züchter riechen den Braten schon von weitem und halten sich von solchen Käufern fern. Nur selten gelingt es solchen Interessenten ihren dringenden Wunsch nach einem Beschützer und die eigene Unsicherheit so weit zu überspielen, dass man einen Züchter täuschen kann. Also wird aus den Kleinanzeigen ein Gebrauchshundwelpe ausgesucht. Vorzugsweise von einem Hobbyvermehrer der schon in seinen Anzeigen oder seinen Sozial Media Accounts damit prahlt, was für harte, coole Hunde er hat. Da zahlt man dann schon mal für den Vermehrermali den selben Preis, wie für den vom seriösen Züchter. Gesundheitsuntersuchungen werden allgemein eh überbewertet, braucht man als Käufer nicht sehen, wenn man vom angeblichen Vater ein cooles Video sehen kann, bei dem er hinter einer Garage in eine Vollschutzjacke beißt. Vernünftige Sozialisierung in den ersten Wochen wird auch überbewertet. Aber wenn sich die Welpen knurrend und kläffend am Welpengitter aufführen, macht das schon mal einen tollen Eindruck. Ist gleich nochmal 100€ mehr wert.

Und dann holt man den kleinen Kerl – vorzugsweise natürlich einen Rüden, die machen mehr her, wenn sie groß sind und sind eh bekannt dafür, dass sie aggressiver sind – und beginnt das Leben mit dem zukünftigen Helden, der einen beschützen soll. Wenn er dann schon mit 9 Wochen draußen beginnt, vor allem im Dunkeln Fremde und andere Hunde anzuknurren, wird sich noch gefreut. Der Kleine ist ja schon so tapfer und nimmt seine Rolle als Beschützer ernst!

Warnungen, dass das schiefgehen wird, überhört frau. Genau das soll der Hund doch machen. Man wohnt schließlich in einer seltsamen Gegend, da sind komische Leute, der Hund soll einen beschützen und genau das lernt er. Von Unsicherheit und beginnender Angstaggression will man nichts hören. Der hat keine Angst, der hat Schutztrieb und die anderen doch alle keine Ahnung. Doch dann wird der Welpe größer und damit auch die Probleme.

Fand man es zuerst noch toll, wenn das 10kg Tierchen knurren in der Leine stand, wenn eine dunkle Gestalt auf einen zu kam, ist es plötzlich nur noch halb so lustig, wenn er in der Pubertät plötzlich 30kg wiegt und eben nicht nur nachts den Kerl mit dem hochgeschlagenen Mantelkragen ankläfft, sondern auch tagsüber bei spielenden Kindern oder der Frau mit dem Kinderwagen anfängt, Krawall zu machen. Und wenn es ganz dumm läuft, geht Hundi in diesem Stadium noch einen Schritt weiter. Denn irgendwann ist es Frauchen dann doch peinlich, dass sich ihr vierbeiniger Held so aufführt und will es ihm verbieten. Das ist dann oft der Punkt an dem sich der vollkommen überforderte Hund umdreht und seine Besitzerin maßregelt und zwar mit den Zähnen. Das Geheule ist dann groß und auch die Enttäuschung. Man wollte doch einen Hund, der einen beschützt, der erkennt, wann Gefahr herrscht und der sonst lieb und unkompliziert durch den Alltag geht. Man wollte eine Lassie, einen Kommissar Rex. Bekommen hat man aber eben nur einen typischen Vermehrerhund mit der (Nicht) Erziehung durch einen unpassenden Hundehalter.

Die wenigsten bekommen an diesem Punkt noch die Kurve und helfen ihrem Hund mit einem guten Trainer und einer Menge Selbstdisziplin zurück in ein vernünftiges Leben und einen angepassten Umgang mit der Umwelt. Entweder ziehen diese Paarungen jahrelang durch die Gegend, immer auf der Flucht vor ihren Mitmenschen, jeglichen Kontakt irgendwie vermeidend, erfinden eine Ausrede nach der nächsten, wieso der Hund so ist, wie er ist, bis es doch zu einem Zwischenfall kommt oder der Hund wird direkt abgeschoben. Entweder ins nächste Tierheim – was noch ein Glück für den Hund ist – oder über die Kleinanzeigen an die nächste Schutzsuchende, die meint, einen Hund zu brauchen, der auf sie aufpasst.

Verstanden haben beide nichts. Denn auch – oder gerade – ein Hund mit Schutztrieb braucht einen Menschen, der ihn souverän durch die Welt führt, ihm Sicherheit gibt und klärt, was bedenkenloser Alltag ist und was, eine wirklich bedrohliche Situation ist. Was kein Hund braucht, ist die Rolle als Held für einen unsicheren Schutzbefohlenen, den er an der Leine durch die Welt führen muss. Diese Bestimmung überfordert auf Dauer auch den souveränsten Hund und für den Gebrauchshundwelpen vom Vermehrer ist es eine komplett unlösbare Aufgabe.