Es gibt viele Gründe, sich für eine Rasse oder einen
bestimmten Hund zu entscheiden. Man hat bereits positive Erfahrungen mit der
Rasse oder dem Hundetyp gemacht, man schätzt bestimmte Charakterzüge, man ist
gezielt auf der Suche nach bestimmten Eigenschaften für eine Aufgabe… Natürlich
gibt es auch weniger vernünftige Gründe, wie Fellfarbe, der Wunsch nach einer
Moderasse, etc. Doch in letzter Zeit fällt mir immer öfter eine neue Begründung
für die Hundewahl auf, die mich stutzen lässt:
„Ich wollte eine Herausforderung.“
Eine Erklärung, die bei mir immer etwas Bauchschmerzen
auslöst. Ja, wie bei den anderen Begründungen gibt es auch hier durchaus
vernünftige Ansätze. Wenn man mit seinem Hund arbeiten will, sucht man oftmals
nach neuen Herausforderungen.
Das kann bedeuten, dass man mit dem neuen Hund
eine höhere Ausbildungsstufe erreichen will oder eine bessere
Ausbildungsqualität. Reichte es mit dem letzten Hund nur für die
Ortsgruppenprüfung, könnte man sich mit dem neuen Vierbeiner den überregionalen
oder gar nationalen Start auf die Fahnen schreiben.
Oder man hatte bei seinem
vorherigen Hund ein paar Ausbildungsdefizite und hat zwar jede seiner Prüfungen
bestanden, aber eben nicht so, wie man es sich erträumt hätte. Dann könnte die
neue Herausforderung heißen, den Hund zu einem zuverlässigen SG Starter
aufzubauen und auszubilden. Auch könnte man generell davon träumen, die erste
Prüfung und einen Start, egal in welcher Sportart zu absolvieren.
Oder man
möchte einen Hund mit weniger guten Anlagen zuverlässig ausbilden. Den netten,
aber eher schwer zu motivierenden und weichen Showlinienhund erfolgreich durch
die Prüfung zu führen, kann eine deutlich größere Herausforderung sein, als den
perfekt veranlagten, im Alltag vielleicht anspruchsvolleren Leistungshund
auszubilden.
All das sind Herausforderungen, die das Zusammenleben
nicht beeinträchtigen und die, wenn man an ihnen scheitert, keine wirklichen
Auswirkungen haben – so lange man nicht zu den Menschen gehört, die ihre Hunde
abschieben oder vernachlässigen, wenn ihre mangelnde Leistung das eigene Ego
kränken.
Doch dann gibt es die anderen Herausforderungen, die bei
denen mich ein ungutes Gefühl beschleicht.
Man hat Erfahrungen mit einem netten, gut sozialisierten,
mittelgroßen Familienhund und will nun einen Gebrauchshund, weil die Wohnung
bewacht werden muss, wenn die Kinder alleine sind und weil man eben eine
Herausforderung will. Diese Hunde sind „schwieriger“ hat man gehört und man
will zeigen, dass man das jetzt schon kann.
Man hat Rassen mit geringer Aggressionsneigung in einem
bestimmten Bereich ausgebildet und wählt nun eine Arbeitsrasse, die bekannt ist
für ihre Härte, ihre Aggressionsbereitschaft gegenüber Mensch und Tier und die
für die angedachte Ausbildung und auch das Lebensumfeld als ungeeignet gilt.
Wieso man sich dafür entschieden hat? Man möchte eine Herausforderung.
Man hatte einen ordentlich sozialisierten und auf das
Umfeld geprägten Hund in seiner Wohnung in der Innenstadt und nun soll es der
Labradormischling aus dem Auslandstierschutz sein, den die Tierretter in der
ländlichen Türkei aus einem Zwinger gerettet haben und der verdächtig nach
Kangal aussieht. Oder einen vom illegalen Transport geretteten Junghund, der
die ersten Wochen in einem Keller und danach Monate in der Tollwutquarantäne verbracht
hat. Aber man hat es ja mit dem anderen Hund auch geschafft und jetzt will man
eine neue Herausforderung und auch diesen Hund ausbilden.
Was bei diesen (nicht erfundenen!) Beispielen anders ist,
als bei der vorherigen Gruppe? Die Frage nach den Konsequenzen für das Leben
von Hund und Halter, wenn man an dieser Herausforderung scheitert. Die ersten
Beispiele haben immer noch einen Hund mit passenden Rasseeigenschaften an ihrer
Seite, mit dem sie eben nicht die angestrebten Prüfungsziele erreich haben. Man
lebt sein gemeinsames Leben einfach weiter, die Bedürfnisse von Hund und Halter
für ein konfliktfreies Zusammenleben sind von der Herausforderung nicht
beeinträchtigt und hat eben nur auf der Leistungsurkunde nicht das stehen, was
man sich vorgenommen hat. Niemand nimmt hier Schaden.
Doch was, wenn man sich mit der Herausforderung Gebrauchs-
oder unpassender Arbeitshund übernimmt und der Hund bestimmt, wer die Wohnung überhaupt
betreten darf? Wenn er jedes Geräusch im Mehrparteienmietshaus meldet und jeder
Spaziergang zum Spießrutenlauf wird, weil der Hund aggressiv auf andere Hunde
und Passanten reagiert und man keinen Einfluss darauf hat? Was wenn man noch
einen Althund zuhause hat und die Herausforderung beginnt, ihren Frust an ihm
auszulassen?
Was wenn die neue Herausforderung so unpassend in ihrem
neuen Lebensumfeld ist, dass es kaum möglich ist, vor die Tür zu gehen, weil
der Hund vor Stress und/oder Angst nicht einmal bis zum Bordsteinrand kommt?
Die Leidtragenden bei solchen gescheiterten
Herausforderungen sind die Hunde. Für den Halter ist es in der Regel auch nicht
witzig und in vielen Fällen ist es auch für das Umfeld problematisch bis
gefährlich, wenn sich jemand beim Hundekauf mit der gewünschten Herausforderung
übernimmt. Doch die Rechnung muss am Ende der betroffene Hund zahlen. Von Abgabe,
über Fristen in einem unwürdigen Dasein, bis hin zur Einstufung als
gefährlicher Hund und drohender Euthanasie kann ihnen bei solchen Szenarien
alles drohen.
Deshalb sollte man seine Herausforderung gut wählen und
im Vorfeld einfach einmal nachdenken, was passiert, wenn man sich doch mehr auf
den Teller geladen hat, als man schlucken kann. Nur wenn die Antwort auf das „was
wenn…“ schlicht lautet „es hat keinen Einfluss auf die Lebensqualität des
Hundes, wenn es nicht klappt“, sollte man eine solche Herausforderung auch
annehmen.