Montag, 7. November 2022

Clarissa von Reinhardt – Leinenaggression

 


Unser 32. Buch

Ein kleines Vorwort:

Ich gestehe, ich habe langsam keine Lust mehr, Bücher aus dem Animal Learn Verlag zu lesen. Sie sind meist überdurchschnittlich teuer, massiv ideologisch gefärbt und konnten in bisher fast allen Fällen keinen wirklich wertvollen Inhalt liefern. Auf die Schnelle fallen mir drei Bücher ein (von 16 gelesenen), die ich als positiv und weiterführend empfunden habe, der Rest war nicht hilfreich.

Ich werde auch in Zukunft definitiv kein Geld mehr für Werke aus dem Haus ausgeben, allerdings habe ich noch zwei oder drei weitere Animal Learn Bücher auf meinem SuB, die ich irgendwann man geschenkt bekommen habe, deshalb werden noch ein paar Rezensionen folgen.

Nun sind wird also bei Leinenaggression. Ein kleines Büchlein mit gerade einmal 67 Seiten – ja, es sind ein paar mehr im Buch, aber auch denen sind dann nur die Animal Learn obligatorischen Zeilen für eigene Notizen und Werbung für andere Bücher – für stolze 16 Euro.

Auf den ersten Seiten wird erklärt, wie Leinenaggression nach Meinung von Animal Learn entsteht. Auf Platz eins steht der brutale Umgang des Halters mit unpassenden Erziehungsmaßnahmen, untermalt wird das ganze von einer ausschweifenden Geschichte eines Hundes, die mehr Platz einnimmt, als die ursprüngliche Erklärung. Danach folgen Stimmungsübertragung und Frust (verursacht durch den Halter) und traumatische Erlebnisse. Auch wenn das Buch keine komplette Liste verspricht, ist das doch sehr kurzgefasst und man merkt schnell, in welche Richtung es gehen soll.

Danach folgt eine ausführliche Anleitung, welche Ausrüstung man fürs Training benötigt und wieso die, die man unter dem Link zum Animal Learn Shop zu kaufen findet, die perfekte ist und man idealerweise nur die nutzen sollte. Im Anschluss gibt es natürlich auch eine Blacklist von Utensilien von denen man die Finger lassen soll. Die Erklärung wieso Sprühhalsbänder böse, gefährlich und oft nutzlos sind und zur so gefürchteten „gelernten Hilfslosigkeit“ führen, nimmt alleine neun Seiten ein und damit ist der Leser bereits auf Seite 37 und ist noch kein Stück weiter bei seinem Problem.

Danach folgt ein Kapitel zum Thema Leinenführigkeit und auch hier gibt es ein paar mehr als „interessante“ Erklärungen, wie Leinenziehen entsteht, z.B. sind auch hier wieder u.a. die falschen Utensilien verantwortlich. Per se sind die Übungstipps nicht schlecht, sie sind jedoch einfach sehr in der Ideologie beschränkt und mal wieder ist alles andere, als die eigene Ideologie falsch bis gefährlich.

Und damit sind wir auf Seite 50 angekommen. Wir erinnern uns, der Titel des Buches lautet „Leinenaggression“ und zu dem Thema wurde bisher herzlich wenig geschrieben. Ja, der Aufbau von Leinenführigkeit ist wichtig, aber dafür hat der Animal Learn Verlag ein eigenes Büchlein (70 Seiten für 14€).

Die letzten Seiten widmen sich nun endlich dem Training der Leinenaggression und bietet hier zwei Trainingsvarianten. Variante eins, genug Abstand halten und versuchen die Wohlfühldistanz des Hundes durch Leckerchen kleinschrittig zu vergrößern, die zweite entfernt am Anfang einfach den Stressauslöser Leine und lässt die Hunde im Freilauf und versucht dann durch kurzzeitiges Anlegen der Leine die Toleranz weiter auszubauen.

Sicherlich beides keine falschen Ansätze, nur fraglich, wie man das im normalen Alltag umsetzen soll, weil für den Trainingszeitraum Management ohne negative Begegnungen gefordert wird. Es hat ein wenig den Anschein einer Versuchsanordnung aus einem Labor. In absolut kontrollierter und abgezäunter Umgebung sicherlich möglich, im realen Leben wird es eher nicht möglich sein, was zu massiven Trainingsrückschritten führen wird.

Leider bestätigt auch dieses Buch mal wieder meine Vorurteile gegen Animal Learn. Wenig Buch, noch weniger verwertbarer Inhalt, viel Ideologie und Eigenwerbung und dazu ein paar bunte Bilder.

Keine Leseempfehlung.

Sonntag, 16. Oktober 2022

Katastrophale Schneeflocken

 


In der heutigen Zeit gibt es für Trainer kaum eine schlechtere Bewertung, als wenn ihnen vorgeworfen wird nach Schema F zu arbeiten. Begriffe wie „normal“, „basic“ oder „Durchschnitt“ werden von den meisten Menschen heutzutage als Schimpfwort aufgenommen. Jeder will besonders sein, anders, ganz individuell und speziell, die eine kleine besondere Schneeflocke, die absolut anders als alle anderen und einzigartig ist. Bei Dingen wie Modegeschmack, Frisur und Wohnungseinrichtung mögen solche Auswüchse harmlos sein. Leider greift diese „Ich bin aber gaaanz anders als ihr!“ Denke auch in der Hundehalterwelt um sich und hier kann das ganze zu kleinen und größeren Katastrophen führen, mit denen dann nicht nur das gescheiterte Schneeflöckchen, sondern auch der beteiligte Hund und die Umwelt leben müssen.

Oftmals beginnt dies schon bei der Rassewahl. Egal welches Ziel man verfolgt, ob es nun ein Familienbegleithund oder ein Hund für eine stärker spezialisierte Ausbildung sein soll, immer öfter passiert es, dass den typischen Rassen für diese Aufgaben eine Absage erteilt wird. Denn man selbst ist ja schließlich etwas einzigartiges und besonderes, da kann man nicht mit einer der gewöhnlichen Hunderassen sein Leben teilen. Denn was sollen da die Leute denken?

Und dann entstehen seltsame Auswüchse. Als Familienhund muss dann plötzlich ein Karelischer Bärenhund her, weil man so tolle Geschichten über seine Treue und seinen Mut gelesen hat und das braucht man dringend, wenn man nachts seine Zwei Zimmerwohnung im sechsten Stock verlässt, um Gassi zu gehen. Oder man holt sich einen Dobermann als Therapiehund für eines der Kinder, weil das eben auch nicht jeder hat und immer nur Retriever langweilig und zu gewöhnlich ist. Aus dieser Ecke stammen auch die ganzen Auswüchse aus der Ecke der sogenannten Designer Dogs, denn nichts ist ja einzigartiger und spezieller als eine Mischung, bei der jedem Genetiker und jedem Kynologen die Tränen in die Augen steigen. Leider findet man diese Auswüchse auch immer öfter in der Hundesportwelt. Man könnte ja mal probieren, ob sich Rasse xy nicht auch eignet oder vielleicht sogar besser, als die üblichen Verdächtigen. Man vergisst dabei vor lauter „ich bin die Schneeflocke!“ nur leider gern, dass es in der Regel einen sehr schlichten Grund hat, wieso bestimmte Rassetypen in bestimmten Aufgabengebieten massenhaft anzutreffen sind: Weil sich über Jahre hinweg gezeigt hat, dass sie für diese Aufgabe überdurchscnittlich oft überdurchschnittlich gut geeignet sind.

Wieso dieser Ausdruck von Individualität beim Hundekauf ein Problem darstellt?

Zum Einen, weil solche Käufer ihre Hunde oftmals nicht aus sehr seriösen Quellen beziehen. Gute Züchter wissen um die Eigenschaften ihrer Rasse und nochmal spezieller ihrer Zuchtlinien und wenn jemand aufschlägt, der komplett gegen das alles leben und ausbilden will, wir der Großteil von einem Welpenverkauf absehen. Da Einsicht auf der Jagd nach individueller Selbstdarstellung leider Mangelware ist, wird weitergesucht, bis man jemanden findet, der einem die Wunschrasse verkauft und sei es der freundliche Hobbyvermehrer aus dem Nachbardorf oder eine eBay Kleinanzeige bei der man nicht so ganz nachvollziehen kann, wo die Welpen überhaupt herkommen.

Nicht weniger kritisch wird es im weiteren Verlauf des Zusammenlebens. Wenn Hund einfach nicht ins Umfeld passt, wird es anstrengend und stressig für alle Beteiligten. Ist er nicht geeignet für die angedachte Ausbildung wird es darüber hinaus frustrierend. Oftmals passiert es dann auch, dass Hund eines Tages abgeschoben wird. Sei es, weil der ganz andere Familienhund plötzlich angefangen hat, die Nachbarschaft fressen zu wollen oder weil die neue exotische Sporthoffnung, die einem zu großen Erfolgen verhelfen sollte, einfach die Leistung nicht bringen kann und Platz machen muss, für einen begabteren Nachfolger.

 

Doch auch, wenn sich die Leute eine halbwegs passende Rasse ausgesucht haben, sind dem Einfallsreichtum, wie man sich von allen anderen ganz individuell abheben kann, keine Grenzen gesetzt. Fütterung, Erziehung, Auslastung… überall bietet sich massenhaft Möglichkeit seine ganz individuelle Katastrophe zu kreieren. Auch wenn es viele Hundetrainer nicht gerne hören, weil sie sich ja durch ihre ganz eigene Philosophie und neu entwickelte Methoden abheben und verkaufen wollen, aber hier sind alle an Schema F gebunden und der Name von Schema F in Erziehung und Ausbildung lautet „klassische Lerntheorie“. Ja, es ist selbstverständlich notwendig die Ausführung im Einzelfall auf das jeweilige Hund-Halter-Gespann anzupassen, verschiedene Motivatoren zu nutzen, die Gewichtung der einzelnen Quadranten zu verschieben, aber jenseits der Ausführung ist hier kein Platz für individuelle Auswüchse, die Basis ist immer dieselbe. Den Keks hat die Wissenschaft bereits gegessen.

Auf die Auswüchse von individueller Fütterungsphilosophie möchte ich nicht näher eingehen, das wäre genug Stoff für eine eigene Artikelserie. Es sei nur so viel gesagt, auch hier gibt es klare Grenzvorgaben, gesetzt von der Biologie. Nur weil die moderne Verarbeitung und Aufbereitung von Nährstoffen vieles möglich macht heutzutage, muss man nicht jeden Trend in der Richtung mitmachen. Das gilt für Mensch wie Hund.

Kritisch kann es wieder beim Thema Ausbildung werden. Denn auch hier sind wir wieder im Denkungsfeld von „macht jeder, ist langweilig“. Und so werden sich neue Aufgabengebiete für die eigene Rasse gesucht. Oftmals ist es eher harmlose Frustration, die daraus folgt. Wer versucht mit seinem Afghanen auf die Fährtenhundeprüfung zu trainieren, oder mit seinem Akita Inu zum Obedience will, wird irgendwann erkennen müssen, dass Individualität im Sport einfach fast immer zu lasten der Leistung geht. Wenn man damit umgehen kann, kann man trotzdem Spaß haben, wenn man Trainer findet, die einen bei diesem Experiment begleiten. Kritisch wird es, wenn es zu Lasten der Gesundheit geht. Es hat seinen Grund, wieso man Basset und Corgi in der Regel nicht im Agility Parcours sieht und wieso Dogge, Mastiff und Co nicht beim Disc Dogging anzutreffen sind. Wirklich pervers wird es jedoch, wenn man auf die Idee kommt, auch noch andere Tiere in Mitleidenschaft zu ziehen und mal mit seinem Husky hüten will oder auf die Idee kommt, ob Hütehunde nicht auch als Jagdhund einsetzbar wären. Ja, gegen letzteres gibt es eigentlich Regelungen, aber leider finden solche Leute immer Mittel und Wege und für entsprechendes Geld auch immer Ausbilder, die sie bei solchem Schwachsinn unterstützen.

 

Deshalb vielleicht einfach mal nachdenken und das eigene Ego hintenanstellen, wenn es um Entscheidungen rund um das Thema Hund geht. Ziel sollte nicht sein, besonders und anders zu sein und sich am besten darstellen zu können, egal ob im Leben oder in den sozialen Medien, sondern, dass man glücklich und zufrieden mit dem Partner Hund durchs Leben gehen kann und dass auch den Bedürfnissen von Partner Hund Tribut gezollt wird.

 


 

Samstag, 24. September 2022

Inga Jung - Zappelhunde

 


Das 31. Buch.

Ein Buch über den Umgang mit hyperaktiven Hunden, über das Training mit sehr reizempfänglichen und leicht ablenkbaren Tieren, die schnell überreagieren, sich nur schlecht konzentrieren können und ihre Halter deshalb vor immer neue Herausforderungen stellen und an die Grenzen ihrer Nerven treiben, wäre für viele Hundehalter eine große Hilfe. Auch wenn der Umschlagtext von „Zappelhunde“ all das verspricht, wirklich halten kann das Buch dies nicht.

Die Autorin beschreibt ihre eigenen Erfahrungen mit ihrer Hündin, die aus reizarmer Aufzucht kam und sie vor große Probleme stellt, Die Anekdoten ziehen sich durch das ganze Buch als kurze Einträge - ich meine wirklich kurz, keine zwei Seiten lang – helfen dem geneigten Leser aber nicht so wirklich weiter.

Generell bleibt alles sehr an der Oberfläche. Die Kapitel sind extrem knapp, die Seiten sind sehr leer. Das Layout ist bunt mit freundlichen Farben, massenhaft großen Bildern und geometrischen Formen, die den leeren Raum auf den Seiten ausfüllen. Text und Inhalt gibt es vergleichsweise wenig. Zwar klappert Inga Jung alle wichtigen Themen ab, von der Frage, wie solche Probleme entstehen können, berücksichtigt dabei Genetik, Erziehung und Gesundheit, geht auf generelle Punkte wie Ruhe, Impulskontrolle, Gewalt in der Hundeerziehung, überholte Dominanzvorstellungen, etc. ein, aber nichts davon geht so weit in die Tiefe, dass es dem Leser irgendwie großartig von Nutzen sein könnte.

Auch wiederholen sich die Themen recht häufig. Gerade der Aufruf, sich nicht unterkriegen zu lassen, nicht zu Gewalt zu greifen, kommt in jedem zweiten bis dritten Kapitel wieder gebetsmühlenartig auf.

Mag sein, dass manchem betroffenen Hundehalter die Zusprache guttut, dass man manchmal nur einfach Zusprache braucht, dass man sein Bestes gibt und man keine Schuld trägt, dass es nur langsam voran geht, doch wirklich befriedigend ist dies für Leser die wirklich etwas zum Thema lernen wollen, nicht. Für absolute Einsteiger ins Thema kann es vielleicht noch ein paar Anregungen geben, aber eben nur auf dem absoluten Basislevel.

Den Abschluss bilden dann noch ein paar Erfahrungsberichte anderer Hundehalter und ein kurzer Exkurs zum Thema Medikation bei hypernervösen Hunden, der aber leider mit dem unwissenschaftlichen Rat endet, dass Bachblüten eine gute Ergänzung zum Training seien. Wobei man hier – wie bei vielem im Buch – zugestehen muss, dass dieser Tipp nicht schaden wird (außer dem Geldbeutel des Hundehalters).

Ärgerlich ist auch schlicht der Preis, den man mal wieder für so wenig Inhalt auf so vielen halbleeren Seiten hinlegen muss und deshalb kann es an dieser Stelle mal wieder keine Leseempfehlung geben.