Samstag, 26. Dezember 2015

Der Feind trägt Weiß



Es ist psychologisch erwiesen, dass nur wenig das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Gruppe derart stärkt, wie ein gemeinsames Feindbild. In der Hundehalterwelt gibt es viele „Feinde“ die nur darauf lauern, einem selbst und dem geliebten Vierbeiner das Leben schwer zu machen. Liest man sich aktuell die Beiträge vieler Hundebesitzer in diversen Foren durch, erkennt man, dass sich gerade ein neues Feindbild herauszukristallisieren beginnt und der neue Feind trägt Weiß

Immer öfter beschleicht den geneigten Leser der Eindruck, dass Tierärzte für immer mehr Hundehalter die Inkarnation des Bösen verkörpern. Sie sind dumm, unflexibel, geldgeil und trachten den lieben Vierbeinern doch nur nach dem Leben, um an ihren Leiden zu verdienen.
Vorab, auch ich bin bereits auf Tierärzte getroffenen, bei denen man sich bisweilen fragte auf welchem Schwarzmarkt sie ihren Doktortitel gekauft haben, allerdings gibt es in jeder Profession nun mal Pfuscher, die ihren Beruf nicht beherrschen.

Doch darf man den Aussahen mancher Hundebesitzer Glauben schenken, sind dies nicht die unrühmlichen Ausnahmen, nein, die Majorität der Tierärzte sind schwarze Schafe. So eröffnet jeder Tierarzt direkt nach dem Studium eine eigene Praxis, angegliedert an das neugebaute Wohnhaus in Kingsize Größe – bezahlt von dem Geld, dass er den armen Patientenbesitzern aus der Tasche gezogen hat – und in der Auffahrt steht selbstverständlich mindestens eine S-Klasse, die allerdings nur der Praxisputze gehört, denn mit einem solch armseligen Gefährt würde sich ein Tierarzt nie zufriedengeben.

Wehe dem unbedarften Hundebesitzer, der sich in eine Praxis verirrt. Viele erfahrene Hundebesitzer warnen online bereits eindringlich davor, dem Feind in Weiß auch nur ein einziges Wort zu glauben und wer nicht die einzelnen Posten der GOT auswendig herunterbeten kann, sollte sich hüten irgendetwas zu bezahlen, was er nicht von einem Anwalt hat prüfen lassen. Und liest man sich durch die diversen Beiträge, scheinen Tierärzte auch komplett überflüssig zu werden. Jeder zweite Hundetrainer hat plötzlich – ebenso wie viele Tierschützer – plötzlich die magische Gabe, Gelenkerkrankungen durch bloßes Hinsehen zu erkennen, Röntgen oder gar CT überflüssig und für eine Herzuntersuchung gibt es bei Amazon ein Stethoskop zu kaufen, hören kann ja jeder. Für jede Krankheit vom Analdrüsenkrebs bis zur Zyste gibt es die Online Ferndiagnose der dutzenden allwissenden Hundeprofis in Foren und auf Facebook und sind diese sich einmal uneinig oder gar unsicher, findet sich immer ein ganz Gewiefter, der Dr. Dr. Google und Chefarzt Wikipedia zu Rate ziehen und bei Bedarf ganze Absätze aus ihren virtuellen Fundstücken zitieren, ohne auch nur einen Halbsatz daraus verstanden zu haben.

Generell wundert man sich beim Lesen vieler Vorstellungen vom idealen Tierarzt doch, wieso anscheinend kaum ein Tiermediziner diesen paar Wünschen entsprechen kann. Was will der gemeine Hundehalter denn schon großartig? Eine Praxis, die so zentral gelegen ist, dass man sie jederzeit auch ohne eigenes Auto erreichen kann und natürlich muss an 365 Tagen 24 Stunden lang jemand dort auf einen warten. Natürlich sollte ein Besuch mit dem kranken Hund auch Samstagabend ohne Termin möglich sein und wenn man mal wochentags kurz vor Mittag in die Praxis stürmt, kann es nicht sein, dass man länger im Wartezimmer sitzen muss, als es dauert, dass die Praxisgehilfin die Akte des Hundes im Computer heraussucht. Regelmäßige Fortbildungen sollten selbstverständlich sein, schließlich muss sich der Dorftierarzt auf allen Gebieten auskennen, von der Augenuntersuchung des Zwerggekkos über die Herzdiagnostik beim Cavalier King Charles Spaniel bis hin zur künstlichen Befruchtung beim Koi sollten Wissen und Fertigkeiten schon reichen. Spezialisten sind – wie bereits erwähnt – geldgeile Halsabschneider, die niemand wirklich braucht, ein guter Tierarzt kann das alles und noch mehr, unser Zahnarzt kann schließlich auch unsere Sehstärke messen und Hautkrebs diagnostizieren. Auf keinen Fall sollten Tierärzte Futter verkaufen oder gar Medikamente verschreiben, denn all das dient nur der Gewinnmaximierung. Von Fütterung haben sie sowie so und nie Ahnung, da sie alle von der Industrie geschmiert werden, natürlich außer dem einen Tierarzt, der zufällig genau die Futtersorte vertreibt, die man selbst gut findet.

Ja es ist nicht leicht, einen guten Tierarzt zu finden, also seit gewarnt, liebe Hundehalter! Solltet ihr feiertags um 4 Uhr morgens in die Praxis kommen und nach einer eingehenden Untersuchung, einem großen Blutbild, einem Ultraschall und drei digitalen Röntgenaufnahmen mehr auf der Rechnung stehen, als 50€, dann ist irgendetwas falsch gelaufen.  Wer sich also unsicher ist, ob sein Tierarzt ein heimtückischer Abzocker ist, der eventuell gerade die fünfte Fehldiagnose in Folge gestellt hat, der soll um Himmelswillen nicht das vertrauliche Gespräch mit dem Veterinär seines (bisherigen)Vertrauens suchen, sondern soll sich dringend auf Facebook oder ins nächste Hundeforum begeben. Dort wird sich immer mehr als ein User finden, der zu allen Risiken und Nebenwirkungen schnell den richtigen Google Link oder den passenden Wikipedia Artikel findet und einen mit dem eigenen Pseudowissen endgültig komplett verunsichert.

Und nur um sicher zu gehen hier noch der Warnhinweis:

Achtung dieser Text könnte Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten! Mögliche Nebenwirkungen: Verwirrt sein, persönlicher Groll und gekränktes Ego.


Samstag, 5. Dezember 2015

Das große Schweigen


Die Schweigepflicht gehört untrennbar zu bestimmten Berufsgruppen und auch im Zwischenmenschlichen wird das Schweigen noch immer zu den Tugenden gezählt. Höflich, diskret und in der Hundewelt so unendlich töricht.


Schon Sierra Milton schrieb 2004 einen Artikel mit dem (eingedeutschten) Titel „Omerta oder das Schweigen der Züchter“ in dem sie das Verschweigen von Erbkrankheiten unter den Rassehundezüchtern anprangerte. Viel geändert hat sich in den 11 Jahren die seit Erscheinen ihres Artikels vergangen sind anscheinend nicht. Zwar gibt es immer mehr Züchter, die sich Aufklärung und Offenheit auf die Fahnen geschrieben haben – auch wenn ihnen diese Ehrlichkeit selbst zum Nachteil gereicht – aber noch immer hüllen sich viele in Schweigen.


Doch nicht nur in den Reihen der Züchter hüllen sich viele in Schweigen, auch unter den normalen Hundehaltern gilt für viele die Weitergabe von Informationen und Daten schon fast als Sakrileg. Kann man es beim Züchter noch irgendwo nachvollziehen, auch wenn man es nie gutheißen kann, dass Geschwiegen wird um eigene Fehler nicht eingestehen zu müssen oder finanzielle Einbußen zu verhindern, wundert einen das verbissene Schweigen beim Privathundehalter umso mehr. Die eigenen Erfahrungen und das eigene Wissen werden gebunkert und als Verschlusssache behandelt, niemand soll erfahren, wie es im inneren aussieht.
Ein paar verschwommene Andeutungen sind das höchste der Gefühle, was weitergegeben wird. Sehr schönes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Bei der Diskussion rund um eine rückläufige Erbkrankheit der Rasse Dobermann, berichtete eine Dame, man müsse die Krankheit ernster nehmen, ein mit ihr befreundeter Züchter hätte die Zucht eingestellt, da er mehrere Hunde auf Grund dieser Krankheit hätte einschläfern müssen und auch die Nachzucht betroffen war. Auf die Antwort nach dem Namen der betroffenen Zuchtstätte und der verstorbenen Hunde, warte ich bis heute vergebens. Nachfragen werden strikt ignoriert und somit wird einem jegliche Möglichkeit genommen, sich weiter zu informieren.


Gleiches gilt für die Sterbedaten von Hunden. Gerade in einer Zeit in der die DCM Thematik für viele Dobermannbesitzer zum Alltag gehört und sie oftmals die zentrale Frage beim Kauf des nächsten Hundes darstellt, gibt es kein größeres Problem, als das beharrliche Schweigen vieler Menschen. Die Schere der Reaktionen klappt an dieser Stelle erschreckend weit auseinander. Während manche die Krankheit ihrer Hunde öffentlich regelrecht zelebrieren, schweigen sich andere komplett darüber aus. Die Daten von erkrankten Hunden verschwinden, ebenso wie der betroffene Hund früher oder später und die Besitzer schweigen.


Mag sein, dass der ein oder andere Repressalien von Seiten des Züchters befürchtet, doch wieso sich der Rest in Schweigen hüllt, wird wohl immer ihr Geheimnis bleiben. Vielleicht haben sie Angst, dass schlechte Gesundheit oder Leistungsschwäche auch ein schlechtes Licht auf sie als Halter werfen könnte, wer weiß.
Manche nutzen ihr Wissen auch als kindische Machtdemonstration, um den weniger Wissenden eine Nase zu drehen, sie mit dem geheimen (vermeintlichen) Wissen locken und es ihnen dann nur vorzuenthalten, um die eigene Position zu stärken.


Wie man es dreht und wendet, einen vernünftigen, erwachsenen Grund für das Schweigen gibt es nicht. Das Leben wäre so viel einfacher, wenn sich endlich alle an diesem Punkt dazu durchringen könnten ehrlich mit den Themen umzugehen. Wissen ist sicherlich auch in diesem Fall Macht, eine Macht die man nicht missbrauchen sollte und die man nur nutzen kann, wenn sie mit möglichst vielen Personen geteilt wird.


Es bleibt zu hoffen, dass sich das Schweigen nicht wieder weiter ausbreitet und objektive Informationsweitergabe zwischen Hundehaltern nicht per se als Tratsch oder gar üble Nachrede abgewertet wird.  Sollte sich diese Haltung nicht ändern, gibt es wohl für die Zukunft vieler Rassen und ihrer Halter nur ein mögliches Ende und an dieser Stelle sei es gestattet Brecht zu zitieren, der dafür die wohl passendsten Worte gefunden hat:


Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.