Sonntag, 31. Januar 2016

Hellmuth Wachtel - Hundezucht 2000

Unser achtes Buch


Mit 288  Seiten hat Hellmuth Wachtel hier sicher nicht das größte, aber doch eines der bedeutendsten Bücher über die moderne Hundezucht vorgelegt. Bereits der Einband hebt sich von den zurzeit modernen Zuchtratgebern ab, kein Bild einer Hündin mit ihren niedlichen Welpen auf dem Einband, dafür Schlagworte wie „genetisches Management“, „Populationsgenetik“ und „erbgesunde Hunderassen“. Schon von diesem Punkt an zeigt das Buch, dass es sich nicht die typische leichte Kost handelt. Wachtel präsentiert seinem Leser einen anspruchsvollen Text mit komplexen Inhalten, den man nicht schnell zwischendurch querliest und alles Interessante quasi im Vorbeigehen mitnehmen kann. „Hundezucht 2000“ zeigt sich als wissenschaftlicher Text für den interessierten Hundefreund.


Als Hauptthema zieht sich ein flammendes Plädoyer gegen die immer noch so selbstverständlich genutzte Inzucht. Dabei hat es Wachtel an keiner Stelle nötig polemisch oder verletzend zu werden, sondern verlässt sich ganz auf die Wirkung der präsentierten wissenschaftlichen Fakten.

Wachtel arbeitet die genetischen Hintergründe systematisch auf und benennt die Gefahren und Irrtümer rund um die Linienzucht im Allgemeinen und um die exzessiv betriebenen Formen im Speziellen auf.
Besonders vehement verwehrt sich Wachtel gegen die Behauptung, es gäbe ein sicheres oder gar notwendiges Niveau der Inzucht in der heutigen Rassehundezucht. Er benennt die Folgen des ständig fortschreitenden Allel Verlusts durch fortgesetzte Engzucht und verdeutlicht anhand von Beispielen, wieso eine einmalige Outcross Verpaarung nicht ausreichend sein kann, um den genetischen Schaden wieder zu beheben. Hart ins Gericht geht der Autor auch mit den in allen Rassen verbreiteten Populare Sires.  
Äußerst erschreckend empfindet der Autor, dass selbst Zuchtanfängern immer noch zur Linienzucht als Mittel der Wahl zu greifen, um zu Beginn möglichst wenig Fehler zu begehen. Wachtel gibt zu bedenken, dass jede Linienzucht eine weitere Einschränkung des Genpools zur Folge hat und der Erhalt genetischer Vielfalt innerhalb der Rasse, die Voraussetzung für Gesundheit und Anpassungsfähigkeit ist. Für ihn ist die Rettung des Rassehundes nur in einer Abkehr von den aktuellen Zuchttrends mit ihren Populare Sires und dem hauptsächlichen Augenmerk auf Showerfolge und Mode zurück zu alten Wegen für mehr Gesundheit und Leistung in Kombination mit neuen Methoden machbar. Wachtel bemängelt, dass in der modernen Hundezucht die falschen Merkmale als Selektionskriterien herangezogen werden. So wird die Perfektion der Optik oftmals über die bessere Gesundheit und Leistung gestellt. Wie früher kommen auch heute nur wenige Hunde in die Zucht, doch während es früher in erster Linie jene waren, die stark und gesund genug waren, die ersten Lebensjahre zu überstehen, sind es heute in der Regel jene, die dem Menschen am besten gefallen.
Wachtel plädiert für eine stärkere Gewichtung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit in Kombination mit der Aufhebung des Kreuzungsverbotes verschiedener Rassevarianten derselben Rasse, sowie die Abschaffung der Farbreinzucht bestimmter Rassen. Auch soll der Erhalt der genetischen Vielfalt bei der Auswahl der Zuchttiere von Bedeutung sein. Als perfekte Ergänzung zu den alten Werten sieht Wachtel die Möglichkeiten der modernen Wissenschaft. Mit der Einlagerung und dem – bei Bedarf – späteren Einsatz von Gefriersperma bietet sich eine Chance den Verlust von Erbmaterial zu begrenzen. Natürlich gesetzt dem Fall, dass dieses Angebot nicht nur für die ohnehin stark im Zuchtwesen gefragten Champions genutzt werden. Eine weitere sinnvolle Ergänzung bietet die Genetik, die nicht nur zur Entwicklung von Tests für Erbkrankheiten hilfreich ist, sondern auch genutzt werden kann, um in kleinen Populationen genetisch möglichst unterschiedlichen Zuchtpartner zu ermitteln.

Bei Rassen mit zu geringer genetischer Basis, die bereits zu tief im Flaschenhalseffekt stecken, sieht Wachtel die einzige Möglichkeit zur Rettung und zum Erhalt der Rasse in der Einkreuzung vom Fremdrassen. Allerdings erteilt Wachtel mit seinen Ausführungen den zurzeit so angesagten Designerrassen die rote Karte. Er warnt im Vorfeld, dass das Kreuzungsergebnis nicht wirklich berechenbar ist und durch die Kombinationen von unterschiedlichen Gencodes der einzelnen Hunde unerwartete Ergebnisse zu Tage treten können. Im besten Fall kann es sich hier nur um unerwartete Verhaltensweisen und optische Entwicklungen handeln, in extremen Fällen – die bei Hunden selten aber dennoch vorkommen – können schwere Folgen bis hin zu körperlicher Deformation führen. Die Einkreuzungsprojekte sind für Wachtel nur unter strenger Planung sinnvoll, planlose Mischzucht trägt nichts zur Rassegesundheit bei.
Der Autor empfiehlt die Einkreuzung einer nahe verwandten Rasse – von der Verpaarung von extrem unterschiedlichen Hundetypen wird explizit abgeraten – und die anschließende Selektion in den anschließenden Rückkreuzungen über die folgenden drei bis vier Generationen. An dieser Stelle plädiert er dann auch dafür, die Tiere aus diesen Nachzuchten nach einer Überprüfung im Falle, dass sie dem Standard entsprechen als reinrassig ins Zuchtbuch aufzunehmen. Eine ganz klare Absage erhält die derzeit in den USA immer häufiger anzutreffende Überlegung dem Hund wieder mehr Wolfsblut einzukreuzen, um die Gesundheit zu stabilisieren.

Als Abschluss fasst Wachtel seine Erkenntnisse nochmals kurz zusammen und fordert neben den Grundsätzen des Tierschutzes auch eine Art „Gen-Ethik“ in der Zucht zu etablieren. Zusammengefasst wirkt das vorgestellte Konzept für die Zucht von gesunden und langlebigen Hunden erschreckend simpel:
Vermeidung von Engzucht
Selektion auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit
Erhalt der genetischen Vielfalt
Keine Verschwendung von Erbgut
Vermeidung der Populare Sire Zucht

So einfach sich diese Auflistung liest, so selten wird sie in der Realität umgesetzt. Bleibt zu hoffen, dass Hellmuth Wachtels „Hundezucht 2000“ unter den Züchtern populärer wird.



Als nächstes Buch auf der Leseliste:

Helen Zulch & Daniel Mills „Fit for Life“

Sonntag, 10. Januar 2016

Who's your Daddy?



Johann Wolfgang von Goethe soll gesagt haben: „Sage mir mit wem du gehst und ich sage dir, wer du bist.“ Ein Grundgedanke, der sich offensichtlich auch im Hundetraining aller Orts wiederfindet. Denn nie zuvor war es offensichtlich so wichtig mit wem oder nach wem man arbeitet.

Die „namhaften“ Trainer schießen aus dem Boden, wie die Schneeglöckchen im Frühling. Aller Orts werden Seminare gegeben von Menschen mit „großem“ Namen. Von so ziemlich allen hat man noch nie etwas gehört und auch nach einer halben Stunde mit Tante Google weiß man bei gut der Hälfte meistens immer noch nicht, wofür man sie kennen sollte. Aber es ist wichtig einen Namen zu haben. Einen Namen den man verkaufen kann für die eine Seite und einen Namen auf den man sich berufen kann für die andere Seite des Trainingsteams.

Einfach trainieren und herausfinden, was für den Hund passt in heute vielerorts einfach nicht mehr zeitgemäß. Man apportiert nach Heuwinkel, fährtet nach Dreyer und Schutzdienst wird nach Balabanov aufgebaut.

Wer sich den neuen Methoden verschließt und die Namen der Meister nicht kennt, wird gerne belächelt und als altertümlich abgestempelt. Dabei interessiert es oft nicht, dass der Huber Schorsch – der unbekannte Ausbildungswart des anderen Hundeführers – im Grunde seit Jahren mit derselben Methodik arbeitet und auch schon auf der LGA oder Bundesebene erfolgreich war. Nur hat er damals vergessen sofort im Anschuss die ersten Seminare zu geben und sicher zu stellen, dass sein Name Gewicht hat.

Interessanterweise ist es oftmals sogar egal, ob die Methode zum Hund-Hundeführer-Team passt und ob man Erfolg hat mit der Ausbildung. Der große Name der hinter dem Weg steht, ist wichtiger als Passung und Fortschritt. Natürlich ist nicht jeder so hörig, dass er blind dem Meister folgt, auch wenn jeder Außenstehende klar erkennen kann, dass es kein erfolgreiches Ende geben kann. Doch es scheinen immer mehr zu werden, die sich in Verzweiflung an den großen Namen klammern und hoffen, dass etwas von dem Glanz auf sie abfärbt, auch wenn sie nie einen eigenen Namen in der Hundewelt haben werden.

Denn eine eigene Identität muss man sich erst verdienen. Außerhalb des eigenen Trainingsplatzes habe ich keinen Namen, ich bin die mit dem Dobermann, die mit dem Eder trainiert. Das gleiche Phänomen tritt auch bei Hunden auf. So ist das Quietscheentchen nicht mehr Cardassia, sie ist „eine Ben Tochter“ und trainiert zusammen mit einer „Ballack Brucknerallee Tochter“.

Ein Zustand der sicher seine Vorteile hat. Einem Niemand werden Misserfolge und Schnitzer eher nachgesehen, während bei einem Scherkl immer irgendwo die verstecke Kamera draufhält, um das Video mit dem Missgeschick Jahre später zum vermeintlich passenden Zeitpunkt wieder hervorzukramen, wenn es dem eigenen Bestreben gerade dienlich scheint. Doch viele verkraften es nur schwer, ein niemand zu sein und so suchen sie sich Wege und Auswege. Den Pfad über den eigenen Erfolg gehen dabei dann aber die Wenigsten. Sicher kann nicht jeder Weltmeister werden, weder bei den Hunden noch unter den Hundeführern sind alle dafür gemacht. Viele klammern sich an einen großen Namen und wieder andere versuchen jemand zu werden in dem sie mit möglichst viel Dreck nach den großen Namen werfen.

Alles in der Hoffnung Anerkennung zu finden und jemanden, der sich an den eigenen Namen irgendwann erinnern wird.

Doch die Frage sollte eigentlich sein, ob sich die eigene Identität nicht von innen heraus definiert. Nicht mit wem wir trainieren oder was die anderen von uns und unserer Leistung halten, bestimmt wer wir als Hundesportler sind. Auch als vermeintlicher Niemand sollte man genug Selbstbewusstsein haben und auch den Anstand selbst hinter seinen Entscheidungen zu stehen. Auch wenn der große Meister einen lehrt, so sollte man nie seine eigene Verantwortung vergessen. Denn am Ende ist es gut und klug von anderen zu lernen, aber für das was man tut und auch was man lässt, muss man letztendlich doch selbst geradestehen und mit den Ergebnissen leben.