Freitag, 27. April 2018

Von Seelen, Hunden, Stockholm und Quark



Man begegnet ihnen auf jeder Internetplattform, in diversen Blog Beiträgen auf Facebook Profilen und in vielen schmalzigen Geschichten und schnulzigen Gedichten, den Seelenhunden. Gleich vorweg, für mich ist dieses Gefasel von Seelenhund, Seelenverwandtschaft und Sternenstaub Esoterikquark. Ein Lieblingstier haben, einen Hund zu lieben hat für mich nichts mit „er hat meine Seele berührt“ zu tun. Ich bin da schrecklich unmodern. Mein Hund ist mein Hund, nicht mehr und nicht weniger. Ich brauche keine besondere spirituelle Ebene, um ihn zu verstehen und ihn lieben zu können. Vielleicht sind meine Hunde auch nur so simpel gestrickt, dass ich da keine höhere Macht dazu brauche, wer weiß das schon so genau.

Auffällig ist jedoch, dass sich die angeblichen Seelenhunde eigentlich immer in zwei Kategorien einordnen lassen.

Kategorie eins sind die Hunde, mit denen man besondere Erfolge hatte. Besonders wenn es der erste eigene Hund im Sport, in der Zucht oder dem Ausstellungswesen war und man gleich durchgestartet ist, zusammen von Sieg zu Sieg von Leistung zu Leistung gehen konnte, neigen viele schnell dazu, hier vom „Seelenhund“ zu sprechen. Man habe eine ganz besondere Verbindung gehabt. Nur das alleine, diese Seelenverwandtschaft, habe einem diese Erfolge ermöglicht. Das es etwas so Profanes, wie die Kombination von guten Anlagen, Glück bei der Welpenauswahl und Training war, wollen viele gerade im Rückblick nicht wahrhaben. Man muss die besonderen Erfolge und Erinnerungen noch besonderer machen in dem man einen Mythos um den Hund spinnt.
Manchmal treibt diese Glorifizierung des Einen seltsame Blüten. Meist erwachsen daraus nur Geschichten, die andere Hundesportler zum Schmunzeln anregen, weil sie in ihrer Übertreibung doch eher an Seemannsgarn als an Erinnerungen an Sport und Leben eines Hundes erinnern. Kritisch wird die Überhöhung des Seelenhundes aber, wenn sie bei Züchtern zu einer Art Ahnenkult führt. Immer wieder neigen Züchter dazu, den einen Hund, sei es nun die Stammhündin der Zucht, der eine erfolgreiche Showchampion oder der eine international siegreiche Sporthund, den man hatte, zu einer Art genetischem Wunder zu verklären. Mängel hat ein solcher Seelenhund natürlich nicht, also kann man auf Linie züchten, bis der Inzuchtquotient stöhnt und man sich beim Lesen der Ahnentafel betrunken fühlt, weil man alle Namen doppelt und dreifach liest. Oftmals wird auch noch stolz damit geworben, mit der „Rückzucht“ auf den einen großen Hund. Den Besten, Schönsten, Leistungsstärksten, Erfolgreichsten, den man je hatte und der je über diese Erde wandeln wird. Für viele Zuchten ist die Fixierung auf den Seelenhund des Züchters der Untergang. Denn selbst wenn es gelingt mit der rosaroten Brille gute Nachzucht in die Welt zu setzen, obwohl man die Mängel und Defizite des Zuchthundes ausgeblendet hat, weder das Gefühl noch die Garantie für Anschlusserfolge lassen sich züchten. Und so wird nach ein paar Würfen sehr schnell die Zucht wieder eingestellt, um sich nicht mit der Realität auseinandersetzen zu müssen, dass der Seelenhund eben doch nur ein ganz gewöhnlicher Hund ist. Bringt der Ahnenkult am Ende sogar noch gesundheitlich angeschlagene, leistungsschwache oder standarduntypische Nachkommen hervor, wird es oft noch sehr unschön, denn objektive Kritik am Seelenhund ist nicht geduldet.

Beinahe noch interessanter ist die zweite Kategorie an Seelenhunden. Meinem Empfinden nach ist diese Gruppe wesentlich größer als die erste. Vielleicht trifft man sich auch nur häufiger an, weil die Besitzer ein höheres Mitteilungsbedürfnis haben. Es sind die Hunde, die andere eher als Problemhunde denn als Seelenverwandte betiteln würden. Hunde, die auch nach jahrelangem Training nur bedingt alltagstauglich sind, bei denen die Besitzer nach drei Jahren frohlocken, wenn sie den Hund einmal streicheln können, ohne dass er versucht sie zu beißen oder die nach fünf Jahren jetzt einmal nicht die Wohnung zerfleddert haben, während der Besitzer kurz beim Briefkasten war, um nach der Post zu sehen.
Gerade bei diesen Hunden, die den Menschen dazu zwingen, seinen ganzen Alltag, sein ganzes Leben um sie herum zu strukturieren, damit niemand zu Schaden kommt oder man wöchentlich neues Mobiliar, Fußböden oder Türen braucht, findet man extrem häufig die Behauptung, das sei der Seelenhund. Dieser Hund sei etwas ganz Besonderes, eine Aufgabe, die einem geschickt wurde, um zu lernen, um zu wachsen, der einem das Innerste der eigenen Seele aufzeigt und der das Beste ist, was einem je passieren konnte.
Es werden jetzt viele aufschreien und sich missverstanden und abgewertet fühlen, wenn ich das schreibe, aber für mich ist das die Hundehalterentsprechung des Stockholm Syndroms. Man verbrüdert sich mit seinem vierbeinigen Peiniger, der einem das Leben zur Hölle macht, um das Ganze irgendwie zu überleben. Als guter Hundehalter gibt man einen Hund, der derartige Verhaltensauffälligkeiten hat nicht einfach weg. Nein, man arrangiert sich damit und redet sich ein, dass das alles einen tieferen, spirituellen Sinn hat, damit man den ganzen Druck übersteht. Denn seien wir doch mal ehrlich, niemand lässt sich gern täglich auf die Couch pinkeln oder vom eigenen Hund anfletschen, wenn man durch die Wohnung geht. Doch wenn man nicht mehr der Besitzer eines Problemhundes ist, sondern der Seelenverwandte eines geschundenen, missverstandenen Wesens, bestimmt dazu diesem den Ausweg aus seinem Leid zu zeigen, sieht das Ganze doch schon komplett anders aus.

Ich habe mir viele dieser „schönen“ Gedichte und Geschichten durchgelesen und abgesehen davon, dass ich sie unsagbar kitschig finde, erschrecken sie mich auch. Wieso? Weil sie alle die selbe Aussagen tragen. Der Hund ist der Mittelpunkt des Lebens, er ist der eine und einzige Sinn, er ist es, der das Seelenheil des Menschen sichert, das einzige, das ihn glücklich machen kann und das den Menschen seelisch und psychisch gesund hält. Eine Vorstellung, die ich gefährlich und unfair finde. Unfair dem Hund gegenüber, weil ihm eine Bürde auferlegt wird, die viel zu groß für ihn ist. Der Hund darf nicht einfach mehr nur Hund und geliebtes Haustier sein, nein, er muss das Seelenwohl und die psychische Gesundheit auf seinen Schultern tragen.
Darum sollte man den ganzen esoterischen Quark einfach wieder in der Versenkung verschwinden lassen und den Hund nicht zum Seelenpartner und Heilsbringer überhöhen, sondern ihn als das erkennen und anerkennen was er ist, ein Hund. Und ist das nicht schon einzigartig und wunderbar genug?