Dienstag, 24. Juli 2018

Suzanne Clothier - Es würde Knochen vom Himmel regnen


Unser 22. Buch

Eines der Bücher um das man irgendwie nicht herum kommt. In gewissen Kreisen scheint es schon beinahe eine Art Bibel zu sein, die man unbedingt gelesen haben muss, um die Seele des Hundes verstehen zu können. Auf dem Einband wird ein Buch „Über die Vertiefung unserer Beziehung zu Hunden“ angekündigt und auf den ersten Seiten folgt überschwängliches Lob von namhaften Autoren, so dass der Leser die ersten Kapitel mit einer hohen Erwartungshaltung angeht. In den kommenden Kapiteln erfährt man vieles über die Autorin.

Suzanne Clothier erzählt aus ihrer Kindheit und Jugend, beschreibt wie sie schon in jungen Jahren von allen Tieren und der Sprache der Tiere fasziniert war. Der Leser erfährt, dass Clothier davon träumte wie Dr Doolittle mit Tieren sprechen zu können. Kling auf den ersten Blick noch ganz niedlich, doch mit der Zeit kippt dieses Gefühl. Dass sie als Kind oft Hund unter dem Esstisch spielte, empfindet man noch einigermaßen normal. Bei der Erzählung, dass sie auch gerne Besucher ableckte, findet man doch schon ein wenig sonderbar. Endgültig aus dem Bereich dessen was ich als normal empfinde, verabschieden wir uns aber, mit der Anekdote von der Schildkröte. Bis ins Erwachsenenalter – so gibt die Autorin an – hegt sie eine große Wut auf ihre jüngere Schwester, weil diese als dreijährige eine Schildkröte eklig fand und fallen ließ.

In den folgenden Kapiteln berichtet die Autorin von ihren Erfahrungen, ihrer Arbeit als Hundetrainerin, der Leser erfährt, dass sie verheiratet ist, Deutsche Schäferhunde züchtet und mit ihren Hunden im Obidience trainiert hat. Es reihen sich unzählige Geschichten von Hunden aus ihrer Hundeschule, eigenen Vierbeinern und Pflegehunden. Dabei gibt sie hin und wieder Einblicke auf ihre Erziehungsphilosophie und lässt auch immer wieder sehr deutlich durchblicken, dass auch sie in den meisten Fällen der Meinung ist, dass Trainerkollegen in erster Linie Stümper. Auffällig bleibt aber stets die extreme emotionale Verbundenheit zu den Hunden mit einer immer mitschwingenden Ablehnung der Menschen.

Neue kynologische Erkenntnisse oder Trainingsideen sucht man in dem Buch vergebens. Suzanne Clothier hat in „Es würde Knochen vom Himmel regnen“ ihre persönlichen Gedanken und Gefühle rund um „ihre“ Hunde niedergeschrieben. Clothiers Leben und ihre Biographie sind eng mit ihren Hunden verknüpft und man merkt, dass sie eine tiefe Beziehung zu ihren Tieren hat. Doch es darf angezweifelt werden, ob ihre Erzählungen den Lesern wirklich helfen, damit diese ihre eigenen Hunde oder das Wesen Hund an sich besser verstehen und ihre Beziehung zu ihm vertiefen können. Stattdessen bekommt man Einblick in die Gedankenwelt, die vermutlich die „Trainieren statt dominieren“ Bewegung ausgelöst hat und fragt sich alle paar Seiten unwillkürlich, ob das ganze so gesund ist.

Am Ende bietet Clothier in erster Linie ein Lesebuch für Hundefreunde in dem sie Geschichten aus ihrem Leben erzählt, manche sind kurios, um nicht zu sagen an der Grenze zu psychisch bedenklich, andere traurig, die ein oder andere ist witzig oder auch rührselig, manche sind banal und die ein oder andere ist möglicherweise durchaus geeignet den ein oder anderen Leser zum Nachdenken anzuregen.
Vielmehr als kurzweilige Unterhaltung sollte jedoch ein Leser von diesem Buch nicht erwarten und auch nur dann, wenn man der Denkrichtung angehört, die der Überzeugung ist, dass der Hund aus Prinzip der bessere Mensch ist.

Als nächstes auf unserer Leseliste:
Christine Zink – Fitnesstraining für Hunde

Dienstag, 17. Juli 2018

Der Schutzdienst ist der Gärtner



 
Wir alle kennen diese alten Groschenromankrimis, die in gehobenen gesellschaftlichen Kreisen spielen in denen am Ende immer der Gärtner der Mörder war. Etwas Ähnliches spielt sich seit geraumer Zeit im Tierschutz ab. Tierschützer und IPO-Sport war schon immer eine heikle Angelegenheit. Auf Grund der Vorurteile findet man selten eine gemeinsame, sachliche Basis auf der man sich auseinandersetzen kann. Hundesport generell und IPO im Speziellen ist den meisten Tierschützern suspekt und so umgibt es in den Köpfen der Tierschützer häufig eine Aura des Zwielichtigen, oftmals schon Illegalen. Zu den Vorurteilen saugt man die Gruselgeschichten, die andere Tierfreunde über das Internet verbreiten, wie ein Schwamm auf.
Jeder kennt diese Geschichten von den Misshandlungen auf den Hundeplätzen, die der Cousin vom besten Freund von der Enkelin der Nachbarin, der Frau mit dem Dackel, die man Samstag immer auf der Hundewiese trifft ganz persönlich und garantiert mit eigenen Augen gesehen hat. Bevor hier Missverständnisse auftreten, nein ich behaupte nicht, dass auf den Hundeplätzen dieser Welt alles rosarot ist und alle gewaltfreier als die „Trainieren statt Dominieren“ Heinis arbeiten und den Hunden die Ausbildungsinhalte zu esoterischen Klängen vortanzen, aber ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass die meisten Tierschützer so häufig im realen Leben IPO Training sehen wie eine Kuh Buckelwale beobachtet.
Interessanterweise sind Tierschützer offenbar nicht viel kreativer als die Autoren der alten Groschenromankrimis. Was man gar nicht vermuten würde, wenn man sich ansieht, mit welchen bunt ausgeschmückten Geschichten sie teilweise versuchen, Tiere zu vermitteln. So passiert es, dass im Tierschutz der IPO Sport sehr schnell zum Gärtner mutiert und in immer mehr Fällen mit Gebrauchshunderassen von vornherein als Täter feststeht.
Man liest es an allen Ecken und Enden, wann immer ein Schäferhund – egal ob deutsch, belgisch, holländisch oder auch nur ansatzweise optisch irgendwie in die Richtung gehörend – im Tierschutz auftaucht und nicht everybody’s Darling mit absolut perfekter Erziehung ist, ist es zurzeit ganz groß in Mode, die Schuld an jeglichem Problemverhalten dem angeblich durchgeführten Schutzdienst zu zu schieben.

Der Mali findet es doof, sich von fremden Leuten anfassen zu lassen? Das kommt daher, dass man den im Schutzdienst auf Menschen gehetzt hat.
Der Deutsche Schäferhund bellt Jogger an und will hinterherlaufen? Das kommt daher, dass der im Schutzdienst gelernt hat, Leute anzubellen und beißen zu wollen.
Der Herder schnappt, wenn man ihn bedrängt?
Der schwarz-braune Mischling mit dem Stockhaar aus Spanien hat Angst vor dem Besen? Das kommt daher, dass die Hunde im Schutzdienst mit dem Stock geschlagen werden.
Der Malinois-DSH-Mischlingsrüde reagiert aggressiv, wenn der freundliche Li-La-Laune-Labimix - um den sich die Interessenten gerade kloppen – ihm „spielerisch“ in die Rippen kracht? Das kommt daher, dass der Arme früher im Schutzdienst gearbeitet wurde und außerhalb der Trainingszeit abgeschirmt im Zwinger sitzen musste.

Nein, nicht frei erfunden, nur etwas polemisch verkürzt und so hundertfach in Vermittlungstexten und Berichten von Neubesitzern solcher Hunde gelesen und gehört.
Der Hund zeigt sich aggressiv gegen irgendjemand oder irgendwas? Der Schutzdienst war’s! Da werden Hunde aggressiv gemacht!!!1!!!11!!
Der Hund hat Angst vor irgendwas? Der Schutzdienst war’s! Da werden Hunde in der Ausbildung misshandelt!!!1!!!11!!

Und ebenso wie die Groschenromankrimis mit den mordenden Gärtnern langweilt die Tierschutzparanoia vor dem Antichrist Schutzdienst. Man weiß, dass man mit sachlichen und fachlichen Argumenten nicht weiterkommen wird, weil die meisten Tierschützer in der realen Welt noch nie mit der Ausbildung wirklich in Berührung gekommen sind und weil die Realität über solche Hunde nun mal leider auch ihre Traumwelt rund um das Überwesen Hund zum Einsturz bringen würde und sie sich gegen mit aller Gewalt zur Wehr setzen werden.
Wir erinnern uns nochmal… der Hund ist der bessere Mensch, wie uns in dutzenden Tierschutzmemes mit schnulzigen Sprüchen immer wieder klar gemacht werden soll. Wann immer diese reinen Seelen und treuen Herzen nicht dankbar, pflegeleicht und problemlos ist, ist das die Schuld eines Menschen. Natürlich kann es nicht sein, dass der liebevolle Halter schlicht keine Ahnung hat und vor lauter Liebe das Wesen seines Hundes nicht kennt, nein, da jemand Böses in der Vergangenheit dem Hund etwas Schlimmes angetan. Meist ist es ein böser Tierquäler, ein Züchter oder eben im Fall der schäferhundartigen der böse IPO Sportler.
Um die (erfundenen) Gruselgeschichten vom misshandelten IPO Azubi noch dramatischer zu machen, sollten fast alle diese Hunde wegen der missratenen Ausbildung auch noch eingeschläfert werden, hätten die Tierschützer sie nicht gerettet. Ein Schelm wer sich denkt, dass da jemand versucht, das deutsche Tränendrück-Pendant zum „steht auf der Todesliste“ aus dem Auslandstierschutz zu generieren.
Und plötzlich wird der fade Schäferhund(mischling) aus dem Tierschutz interessant.
Ein junger, unerzogener Gebrauchshund, der sich unüberlegt angeschafft wurde und dann wegen Überforderungen mit den rassetypischen Eigenschaften wieder im Tierschutz abgeladen wurde, ist langweilig. Der kann schon mal fünf Jahre im Tierheim sitzen, ohne einen einzigen Interessenten zu haben.
Ein armer, in der Ausbildung gequälter Hund, der bisher nie richtig geliebt, sondern nur als Sportgerät benutzt und quasi vom Tierarzttisch unter der Einschläferungsspritze weggekauft wurde? Ja, den kann man retten, dazu kann man eine tolle Geschichte erzählen und vor allem kann man sich hervorragend einreden, dass alle Probleme sich auflösen werden, wenn man den Hund nur liebt und „fair“ behandelt. Außerdem hat man eine hervorragende Ausrede, wenn man mit dem Halbstarken nicht wirklich zurechtkommt.
Er versucht den Postboden zu beißen? Ja, der wurde früher in der Ausbildung schlecht behandelt! Er kläfft beim Gassigehen Passanten an oder stellt sie, wenn man so dumm ist, die Leine abzumachen? Ja, das hat der böse Vorbesitzer dem im Schutzdienst ganz böse beigebracht.
Man hat eine grandiose Ausrede, wieso der Hund sich benimmt, wie ein unerzogener Arsch, man hat eine noch bessere Ausrede, warum man sich mit dem Training Zeit lässt bzw. gar keines macht (davor hat der Angst, wegen der Misshandlung im Schutzdienst früher) und das Traurige ist, die Leute auf der Straße werden diesen Stuss auch noch glauben.

Was niemand hören will, 99% dieser angeblich im Schutzdienst verhunzten Hunde werden niemals in ihrem Leben einen Trainingsplatz geschweige denn einen Schutzdiensthelfer gesehen haben. Man will es in der Li-La-Laune-Hundewelt in der der Hund immer der treue Pazifist mit dem Herz aus Gold und Watte ist, nicht mehr hören, aber das sind schlicht und ergreifend unerzogene junge Gebrauchshunde – oftmals aus Hobbyvermehrung mit entsprechend unsicherem Wesen und mangelhafter Sozialisierung – die sich benehmen, wie es ihrer Rasse entspricht.  Wach- und Schutztrieb, sowie territoriales Verhalten, Jagdambition und Ressourcenaggression gehören in mehr oder weniger ausgeprägter Form zu diesem Typ Hund, wie seine vier Beine und wer diese Eigenschaften leugnet, wird sehr schnell auf deutliche Probleme stoßen, ganz ohne, dass ein böser IPO Ausbilder den Hund zu hart rangenommen hat.

Aber ich fürchte, wir werden es nicht mehr erleben, dass diese Erkenntnis alle Tierschützer erlebt und somit werden wir auch weiterhin in Vermittlungstexten lesen müssen, dass Malinois Max kleine Kinder beißt, die ihm um den Hals fallen und Schäferhund Sam Besucher anbellt und stellt, weil sie das beim Vorbesitzer im bösen Schutzdienst so gelernt haben. Denn am Ende muss eben der Gärtner der Täter gewesen sein, so will es das ungeschriebene Gesetz.