Freitag, 27. März 2020

Alles für den Hund



Er ist der beste Freund des Menschen, der Seelenverwandte so vieler Leute, der bessere Partner, das dankbarere Kind. Man würde alles für ihn tun, bis an die Grenzen der eigenen Kraft und darüber hinaus gehen und das letzte Hemd für ihn geben. Die Leute nehmen eine Menge auf sich, um ihren Hund glücklich zu machen und sie werden nicht müde in den Weiten des WWW darüber zu berichten.

Da gibt es die gemäßigte Fraktion. Jene, die sich über Futter informieren, die üblichen Vorsorgeuntersuchungen durchführen lassen, sich mit rassegerechter Auslastung und modernen Trainingswegen beschäftigen und sich generell im Alltag Gedanken um das Leben ihres Hundes machen. Für den durchschnittlichen Nicht-Hundehalter wirkt diese Gruppe schon befremdlich. Der ein oder andere kann es noch als Hingabe für ein besonderes Hobby verstehen, doch die meisten beginnen hier schon mit dem Kopf zu schütteln. Zu viel Aufwand scheint ihnen das für den gewöhnlichen Alltag mit einem Hund. Dabei macht diese Fraktion der Hundehalte noch nicht einmal ein großes Gewese um das, was sie mit ihren Tieren tun. Wer danach fragt, erhält in der Regel Auskunft, ansonsten sieht man keine Notwendigkeit, großartig darüber zu sprechen. Es ist für sie normaler Alltag und vor allem, im Vergleich zu den anderen, ist noch gar nichts, was sie da täglich leisten.

Die Anderen treiben ihre Tierliebe noch einen Schritt weiter. Nicht etwa aus Langeweile. Nein, nein. Sondern weil sie einen besonderen Hund haben. Einen Hund, der mehr braucht, der andere und höhere Ansprüche stellt, als alle andere und da man sich ja moralisch dem Tier verpflichtet hat, das man sich einmal ins Haus holte, müssen sie nun all diese schon fast übermenschlichen Dinge leisten. Das ganze Leben dreht sich um den und, wie die Planeten um die Sonne. Um vier Uhr morgens klingelt der Wecker, denn der Hund muss ja vor der Arbeit eine Runde joggen, man muss mindestens eine Fährte gehen und eine halbe Stunde Agility im Garten trainieren. Danach folgt die Spezialfütterung. Einfach nur Trockenfutter in der Schüssel geht nicht. Für diesen Hund kommt nur Handfütterung in Frage, weil man das eben bei speziellen Hunden so machen muss und weil es eben besonders sein muss, wird stinkender Pansen, gewolft zu einer triefenden Suppe mit der bloßen Hand ins Hundemaul geschoben.
Generell sind Futter und Gesundheit ein großes Thema. Potentielle Allergene sind zu meiden unter allen Umständen. Auch wenn der Hund unter keiner bekannten Allergie leidet. Auch ist alles zu vermeiden, was irgendwann, irgendwo und von irgendwem einmal als potentiell gefährlich eingestuft wurde. Ob es sich bei diesem Jemand um einen Tierarzt handelt, der einen kuriosen Vergiftungsfall aus seiner Praxis erinnert oder um den Nachbarn von der Freundin des Bruders von Tante Effis Briefträger, der glaubt, dass die Wienerwürstchen vom Discounter zur Krebserkrankung seines Dackels geführt haben.
Auch bei der Gesundheitsvorsorge geht man mit besonderen Hunde besondere Wege. Der eine muss jede zweite Woche entwurmt werden, denn draußen lauern bösartige Parasiten, die dem Lieblingstier nach dem Leben trachten. Dazu wird bei jeder kleinen Behandlung die Narkosespritze gesetzt. Denn kaum ein Tierarzt kann den besonderen Hund richtig händeln, außerdem muss der Hund regelmäßig ins CT oder operiert werden. Außerdem muss einmal im Monat vom Tierarzt die Analdrüse des Hundes geleert werden. Ob der Hund da wirklich Probleme hat? Vollkommen egal, bevor es zu Problemen kommt, muss man eingreifen.
Der andere hält seinen Hund von jeglicher Chemie fern. Jede Impfspritze ist ein Nagel zum Sarg des Hundes, jede Wurmkur vergiftet den Hund mehr als die Parasiten. Kräutermischungen, Pendeln bei Vollmond und Spezialmischungen, die der Tierkommunikator beim Hund persönlich erfragt hat, die gegen alles helfen, von tränenden Augen über Herzinsuffizienz bis hin zu Hüftgelenksdysplasie.
Doch nichts ist zu teuer oder zu aufwändig für den geliebten Hund. Wenn es sein muss, passt man auch die Arbeitszeit und den Arbeitsplatz dem Hund an. Es kann nicht sein, dass der Chef verlangt, dass man so lange im Büro bleibt, dass man am Donnerstag nicht um 15 Uhr zur Trainingsstunde gehen kann, die der Hund doch so sehr liebt. Hat der Partner kein Verständnis dafür, dann muss er eben gehen. Jemanden de so herzlos und egoistisch ist, dass er nicht einsieht, dass der Hund als schutzloses Wesen dies alles braucht, hat es nicht verdient, Bett und Herd mit seiner Besitzerin zu teilen.
Ja, sie opfern alles zum Wohl ihres Hundes. Denn das und nur das ist wichtig und es ist das Einzige worum es geht. Böse Zungen mögen behaupten, der Hund sei bei manchen nur eine Ausrede zur Selbstdarstellung. Ein Opfer, dessen Bedürfnisse hinter dem Geltungsdrang der Besitzer zurückstehen muss.
Ein Vorwurf, den die Hundehalter erbost zurückweisen werden. Niemand kann nachvollziehen, was sie alles auf sich nehmen, nur damit es ihrem Hund gut geht. Niemand sonst würde all das tun, all das opfern, nur für diesen einen Hund. Außerdem zeigen einem ja die ganzen Likes, Follower und Zusprecher in den sozialen Medien, dass man auf dem richtigen Weg ist. Sie verstehen einen, sehen was man alles leistet und dass man nur das Beste für den Hund will. Doch man macht das alles nicht für sie, sondern nur für den Hund.
Nur für den Hund… und wenn man sich das lange genug einredet und die Follower nur laut genug klatschen, so wird man es auch dauerhaft glauben, denn der Hund wird sich nie dazu äußern.


Dienstag, 3. März 2020

Carmen Heritier, Sandra Rutz – Praxisbuch Hundefitness


Ein neues Buch aus dem Bücherregal.
Der Kynos Verlag präsentiert ein recht umfangreiches Buch, das mit luftigem und buntem Design daherkommt. Zu Beginn geben die beiden Autorinnen einen kurzen Überblick über Trainingsgrundlagen und Trainingsprinzipien und geben danach eine kurze Anleitung zu einem Fitnesstest, anhand dessen ein etwas geübter Beobachter mit mittleren Kenntnissen in Sachen Physiologie erkennen können soll, wo die Schwachstellen und die Trainingsbaustellen seines Hundes liegen. Hier finde ich persönlich, ist etwas Vorsicht angebracht. Solche Beurteilungen sollte man doch lieber Fachleuten überlassen, denn ich bezweifle, dass der durchschnittliche Hundehalter, selbst wenn er sich für Physiotherapie und deren Grundlagen interessiert, Verspannungen oder ungleichmäßige Bemuskelung wirklich erkennen kann, soweit sie sich nicht in deutlich fortgeschrittenem Stadium befinden.
Weiter geht es mit den Trainingsgrundlagen und mal wieder, wie so oft in den Büchern, endet dies in einem Crashkurs fürs Clicker- und Targettraining. Die Vorstellung der Hilfsmittel nimmt ebenfalls mehr als eine komplette Seite ein und da sind wir auch schon an dem Thema, das mich im Verlauf des Buches am Meisten gestört hat. Die folgenden Trainingsübungen benötigen eine ganze Abstellkammer von Hilfsmitteln. Auch wenn man manches improvisieren kann, es ist eine Menge Zeug, das für die korrekte Ausführung empfohlen wird. Adressen für den Kauf gibt es selbstverständlich am Ende des Buchs. Aber wer nicht Hocker, Kissen, Wackelbretter, Pylonen, Stangen, Bodentargets und Matten in allen möglichen Formen und Farben hat, wird oftmals im Training nicht weit kommen, viele Übungen gar nicht oder nur in der absoluten Basisversion umsetzen können.
Das vorgestellte Warm-up und Cool-down, sowie die präsentierten Übungen sind inhaltlich gut und auch präzise genug erklärt. Es gibt Schaubilder, welche Muskelgruppen angesprochen werden, es gibt verschiedene Schwierigkeitsstufen und die Übungen sind nach den trainierten Körperpartien gruppiert.
Über die Beschreibung der einzelnen Übungen hinaus gibt es eine Anleitung zur Erstellung eines Trainingsplans und bietet zum Abschluss Kombinationsmöglichkeiten der Übungen für ein Zirkeltraining.
Das auf dem Einband versprochene Programm für Hunde mit speziellen Bedürfnissen fällt dagegen recht dürftig und schon beinahe lieblos aus. Es werden ein paar klassische Erkrankungen des Bewegungsapparats aufgeführt, Welpen und Senioren angesprochen und zu jedem dieser Punkte gibt es eine Auswahl von zuvor vorgestellten Übungen. Irgendwie wirkt es, wie Füllmaterial. Das ganze Buch hindurch werden bunte Icons verwendet, um zu kennzeichnen zu welchem Trainingskreis die Übung gehört (Kraft, Koordination, etc.) Es hätte wesentlich besser gewirkt und zum Konzept des Buches gepasst, hätte man die Erkrankungen im Vorfeld angesprochen und mit eigenen Icons versehen, die dann die passenden Übungen kennzeichnen. So wirkt das Kapitel hastig und uninspiriert.

Im Großen und Ganzen ist das „Praxisbuch Hundefitness“ sicherlich kein schlechtes Buch. Die Übungen sind gut beschrieben, die beiden Autorinnen verstehen etwas von der Materie und geben eine fachlich korrekte Anleitung. Allerdings ist es für Hundehalter, die nicht mit dem Clicker arbeiten wollen und auch nicht gewillt sind, erst einmal ein paar Hundert Euro in Equipment zu investieren (bei kleinen Hunden kommt man etwas billiger davon, weil) nicht so wirklich eine Bereicherung.
Ich würde mir mal ein Buch wünschen, das „Hundefitness nur mit Haushaltsgegenständen und der Natur“ heißt.