Montag, 17. Juli 2023

Silke Böhm – Rohfütterung für Hunde

 


Unser 34. Buch.

 

Man merkt dem Buch sehr schnell an, dass die Autorin eine große Begeisterung für die Fütterungsart hat. Nur leider merkt man sehr schnell, dass im Begeisterungstaumel die Tiefe und teilweise auch die Korrektheit der Informationen auf der Strecke bleibt.

Wirft man einen kleinen Blick in die Zeitleiste, verwundert es einen nicht besonders. Laut Angaben im buch wurde die erste Auflage gerade einmal drei Jahre nachdem die Autorin die Rohfütterung entdeckt hat, geschrieben und das merkt man leider auch. Vieles wirkt wie im ersten Begeisterungstaumel, oftmals anscheinend auch einfach ungeprüft aus anderen Quellen übernommen und niedergeschrieben und nicht weiter hinterfragt.

So hat man auch hier leider wieder die typische sehr fleischlastige Ausrichtung im Futternapf. Erhöhter Energiebedarf wird ausschließlich über Futtermenge reguliert, Begriffe wie Energiedichte kommen leider nicht vor. Getreide ist zu vermeiden, unnatürlich, nur vorverdaut im Pansen zu füttern und wirklich bedenklich wird es meiner Meinung nach bei den Tipps zum Thema Knochenfütterung. Mit keinem Wort wird darauf eingegangen, dass gewichtstragende Röhrenknochen große Probleme bereiten können. Knochenkot wird zwar warnend erwähnt, aber es fehlt jeglicher Hinweis, dass Beinknochen von Rind und Co Hundezähne massiv schädigen können. Markknochen und Beinscheiben werden im Gegenteil sogar explizit empfohlen für die Fütterung. Ein Ratschlag bei dem es vielen erfahrenen Rohfütterern kalt den Rücken runterlaufen dürfte, so ganz unreflektiert und ohne weitere Hinweise. Ebenso wie es beim Fleisch so gut wie keine Unterscheidung gibt. Ich glaube das Wort Bindegewebe kam kein einziges Mal vor. Es wird gerade noch zwischen fett und mager unterschieden, aber auch da nicht näher darauf eingegangen, worauf man achten sollte und was für den Hund bei der Auswahl wichtig ist.

Auch bei den „giftigen“ Lebensmitteln wird einfach aus anderen Büchern abgeschrieben und das tatsächliche Problem bzw. die Hintergründe, wenn überhaupt nur an der Oberfläche gestreift, so dass die Leser nicht wirklich nachvollziehen können, wo die Gefahr herkommt bzw. angeblich herkommen soll.

Der Einkaufsführer für saisonales und regionales Obst und Gemüse ist eine nette Idee, die man durchaus würdigen sollte, gerade im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Co, kann aber einfach das sehr rudimentäre Wissen rund um diese Fütterungsart nicht aufwiegen. Auch beim Thema Kräuter bleibt es sehr oberflächlich und leider wird wieder das überholte Loblied auf die Wunderwirkung der Kokosnussartikel gesungen.

Als besonders kritisch empfinde ich das Kapitel zur Fütterung von Hunden mit besonderen Bedürfnissen und Erkrankungen. Man merkt einfach, dass der Autorin da die Erfahrung fehlt. Da dann Kräutermischungen zu Husten, chronischen Schmerzen, Verstopfung und Co zu geben, empfinde ich persönlich fahrlässig. Da kann einfach zu viel schief gehen und der Punkt für den Tierarztbesuch unnötig verschoben werden.

Beim Thema Allergien lässt man dann glücklicherweise kurzzeitig eine Fachfrau zu Wort kommen und das Ende des Buches bilden ein paar Nährwerttabellen. Trotzdem ist es unterm Strich nur eine weitere oberflächliche Anleitung zur unreflektierten Proteinmast mit ein paar Lifestyletipps, auf der man die Fütterung seines Hundes nicht basieren sollte.

Donnerstag, 13. Juli 2023

Die unbekannten F's

 


Man hört und liest es immer wieder nachdem ein Beißvorfall passiert ist: Nie habe man damit gerechnet, nie habe der Hund irgendwelche Anzeichen gezeigt, dass er so reagieren könnte. Vollkommen unangekündigt und aus dem Nichts heraus sei es passiert. Und dann hat man in der heutigen Zeit so gut wie immer ein halbes dutzend „lustige“ oder auch „niedliche“ Kurzvideos von den Hunden, in denen gezeigt werden soll, wie fröhlich der Hund immer war, wie lieb der Hund immer war. Die Besitzer erklären einem, was sie dort sehen. Hunde, die sich ja so wahnsinnig freuen würden, Hunde die ganz sanft und geduldig seien, bis zu dem Tag an dem sie es plötzlich nicht mehr waren. Was der geneigte Betrachter mit etwas Hundeverstand jedoch sieht, sind Hunde bei denen aus der Pore, aus jeder Haarspitze Stress trieft.

Die Hunde kommunizieren klar und deutlich, warnen teilweise Wochen und Monate lang, bevor sie eskalieren und dennoch hört man immer wieder dieselben alten Geschichten. Es ist traurig und erschrecken, dass immer noch so wenige Hundehalter – selbst oftmals jene mit vielen Jahren Erfahrungen – an dieser Stelle so blind sind und alle Frühwarnzeichen übersehen.

Es gibt vier Standardreaktionen auf Stresssituationen, im englischsprachigen Raum ist von den vier F’s die Rede. Die ersten beiden erkennt so gut wie jeder Mensch, auch jene, die nichts oder nicht viel mit Hunden und ihrer Körpersprache am Hut haben. Fight und Flight, Kampf und Flucht versteht jeder.

Ein Hund, der in Stresssituationen beginnt, zu knurren, die Zähne zu fletschen und gar abzuschnappen, wird verstanden. Egal, wer ihm gegenübersteht, die Nachricht, dass dem Hund das gerade nicht behagt, kommt deutlich an. Was immer noch nicht bedeutet, dass das Gegenüber sich in der Situation richtig verhält und korrekt auf die Aussage des Hundes reagiert, aber zumindest begreift es, dass Hund das, was gerade passiert, nicht will.

Auch bei Flight erkennen die meisten Leute noch, was da vor sich geht. Selten nur wird ein Hund, der in Panik flieht oder es wenigstens versucht, mit etwas anderem verwechselt.

Wenn Hunde aus einer dieser beiden Situationen heraus zu beißen, spricht niemand von „unerwartet“ oder „ohne Vorwarnung“. Aggression und Flucht werden als Warnzeichen erkannt. Anders sieht es da bei den letzten beiden Stressreaktionen aus, bei den beiden vergessenen oder einfach nur verkannten F’s. Fiddle und Freeze, herumalbern und erstarren sind die Anzeichen, die nur zu gern übersehen werden.

Der Hund rennt seit zehn Minuten wie von der Tarantel gestochen durch den Garten, springt an jedem hoch, wedelt mit dem ganzen geduckten Körper, versuchst exzessiv über Hände und Gesichter zu lecken und lässt sich gar nicht beruhigen? Ist doch glasklar, der Hund freut sich. Ebenso freut er sich und bezeugt seine Liebe, wenn er dem Kind, das ihn ständig bedrängt, verfolgt und einfach nicht in Ruhe lässt, unaufhörlich übers Gesicht leckt. Packt Hund dann an Tag X letztendlich die Zähne aus, ist die Verwunderung groß. Er hat doch immer so lieb „Küsschen“ gegeben und war dem Kind gegenüber nie aggressiv. Beim Fiddeln ist es fast am Schwierigsten, den Menschen begreifbar zu machen, dass das eben keine Freude ist, keine Liebesbekundung, sondern ein Ausdruck von purem Stress. Nur wenigen gelingt es, von dem Bild des wuselnden und wedelnden Hundes auf Stress zu schließen und leider lassen sich auch nur wenige durch Aufklärung davon überzeugen. Zum Glück dieser Hundehalter – und zum Leidwesen der Hunde – verharren viele Hunde ein Leben lang in dieser Stressreaktion und es kommt nie zu einem Vorfall, weil die Hunde ihre Strategie nicht wechseln. Glück für die Menschen, weil sie so, trotz ihrer eigenen Rücksichts- und Ahnungslosigkeit nicht Gefahr laufen verletzt zu werden. Leidwesen des Hundes, weil niemals auf sein Dasein im ständigen Stress Rücksicht genommen werden wird, da es niemand erkennt.

Nicht besser sieht es beim Freeze aus. Hunde, die vor Stress erstarren, einfach einfrieren in dem was sie gerade tun und ausharren, bis die Situation vorüber ist, werden oftmals nicht als gestresst, sondern als „sanft“ oder „duldsam“ wahrgenommen. Sie wehren sich nicht, sie versuchen nicht, sich zu entziehen, also ist das, was immer man auch gerade mit ihnen macht, nicht so schlimm für den Hund. Wie schon beim Fiddeln kann der Hund hier nur wenig Rücksicht erwarten. Freeze ist die passivste Reaktion auf Stress, möglicherweise macht es dieses Fehlen einer Aktion für viele Menschen so schwer, Freeze als das zu erkennen, was es ist. Der Weg zum Fight scheint von der Freeze Reaktion schneller und öfter von Statten zu gehen, als beim Fiddeln. Gerade hier hört man dann oft die überraschten Aussagen von fehlender Vorwarnung und ohne vorheriges Anzeichen gestarteten Attacken.

Viele Vorfälle ließen sich vermeiden, wenn die beiden vergessenen F’s mehr Hundehaltern bekannt wären. Wenn man sich mehr mit dem Thema der Körpersprache der Hunde beschäftigen würde, lernen, wie man seinen Hund besser versteht, seine Bedürfnisse erkennt und auch auf sie eingeht. Doch so lange man bei der Erwähnung von Fiddle und Freeze in fragende, verständnislose Gesichter blickt, gibt es noch viel Raum für traurige Zwischenfälle, die nur darauf warten zu passieren, weil ein missverstandener Hund vor Stress irgendwann keinen Ausweg mehr sieht, als sein Vorgehen dramatisch zu ändern.


 

Dienstag, 21. März 2023

Dagmar Cutka – Hunde longieren


 

Das 33. Buch

 

Longieren erfreut sich unter Hundehaltern immer größerer Beliebtheit und mit diesem Büchlein hat Autorin Dagmar Cutka eine leicht verständliche Anleitung für den Einstieg ins Longieren verfasst. Zwar mag man darüber diskutierten, ob das Longieren wirklich eine so bahnbrechende Wirkung hat, wie es im Vorwort geschildert wird, oder ob die positive Auswirkung nicht einfach auf die strukturierte und dauerhafte Beschäftigung mit dem Hund zurückgeht, aber das ist ein kleiner Nebenschauplatz, den man unter dem Aspekt der Werbung getrost ignorieren kann.

Im Buch wird der Basisaufbau kleinschrittig und leicht verständlich beschrieben, angefangen von so simplen Sachen wie der richtigen Motivation und der nötigen Grunderziehung bis hin zu dem passenden Equipment. Beim Equipment ist positiv hervorzuheben, dass die Autorin da nicht in irgendeine übergestülpte Philosophie verfällt, sondern auch neutral über das Thema Halsband gesprochen wird.

Im weiteren Verlauf wird darauf eingegangen, wie man den Anspruch ans Training steigern kann. Wieder wird Schritt für Schritt eingängig erklärt, auf mögliche Fehler hingewiesen und auf einen strukturierten und klaren Aufbau geachtet. So gelangt der Leser von den ersten Schritten bis zu weiterführenden und anspruchsvolleren Trainingsaufbauten und wird dabei von der Autorin gut und umfassend angeleitet.

Am Ende des Buches präsentiert die Autorin dann nochmals den Inhalt des Buches zusammengefasst in übersichtlichen Trainingsplänen in drei Schwierigkeitsstufen, um ein schnelles Nachlesen zu ermöglichen.

Für interessierte Einsteiger, die sich mit dem Thema Longieren befassen wollen, ein sehr empfehlenswertes Buch, das ohne Extreme und übergestülpte Philosophien auskommt. Es wird sachlich und unaufgeregt Wissen zur neuen Beschäftigung mit Hund vermittelt, das der Leser mit Freude aufnehmen und in der Praxis umsetzen kann.

Freitag, 17. März 2023

Guck doch mal schön


Als Frau ist man diese Übergriffigkeit ja im Grunde bereits seit Kindertagen gewöhnt. „Lächel doch mal, das sieht gleich viel hübscher aus“ oder „Guck doch mal freundlich, dann wissen die Leute, dass du glücklich bist.“

Aus manchen Sportarten kennt man es auch, dass die Sportler mit einem fest getackerten Grinsen durch ihre Prüfung gehen, was jedoch eher etwas von Batmans Joker, als von einem Ausdruck der Freude hat. Bislang sind wir Hundesportler verschont geblieben. Ja, es gab immer mal wieder Ausbilder, die ihre – vor allem die weiblichen – Hundeführer auf das Eiskunstlaufgrinsen beim Vorführen gedrillt haben, aber die waren die Ausnahme.

Doch nun haben findige Pseudofachleute in den sozialen Medien festgestellt, dass der Gesichtsausdruck des Hundeführers in direktem Zusammenhang mit seinen Gefühlen für seinen Hund und seinen Umgang mit diesem stehen muss. Nein, leider kein verfrühter Aprilscherz. Zu sehen war ein Video von einem namhaften Hundeführer und Ausbilder. Welche Prüfung es war, stand nicht dabei, allerdings darf man davon ausgehen, dass es mindestens überregional war, da bei der Vorführung Starnummern getragen wurden. Zusehen war ein hervorragend arbeitender Hund und ein hochkonzentrierter und kontrollierter Hundeführer. Ein harmonisches Team, das nichtsdestotrotz einen gewissen Stresslevel ausstrahlte, worauf man sich sofort wie die Geier stürzte.

An der verbissenen Miene würde man ja bereits sehen, was das für einer sei. Der macht das nicht aus Spaß, sondern aus Geltungssucht. So böse wie der guckt, ist der bestimmt gemein zu dem Hund, wenn der nicht spurt…

Die Fantasie der selbsternannten Profis lief Amok und ich bekam Schleudertrauma vom Kopfschütteln. Ich frage mich, ob diese Menschen, die so einen Unsinn von sich geben, schon einmal eine Prüfung gelaufen sind. Man ist nervös, egal wie gut vorbereitet man ist, egal wie oft man das schon gemacht hat, besonders wenn es weiterführende Prüfungen sind. Man ist hochkonzentriert, denn ja, auch dem Hundeführer verlangt gutes Vorführen auf der Prüfung einiges ab. Auch wenn man gerne glaubt, man latscht da nur s auf dem Platz rum und der Hund muss nur ausgebildet sein. Nein, auch der Hundeführer muss einiges beachten und diszipliniert und kontrolliert arbeiten. Sportler sind keine Schauspieler und keine Models. Wir haben nicht gelernt, in jeder Lebenssituation hübsch und präsentabel auszusehen. Das Beste was Sportler mit etwas Training hinbringen, ist das seelenlose Eislaufgrinsen und ob das nun wirklich die bessere Wahl ist, lass ich mal dahingestellt.

Wer jedoch glaubt, aus der Gesichtskirmes eines hochkonzentrierten Sportlers etwas über dessen Charakter aussagen zu können, sollte vielleicht über eine Zweitkarriere als Hellseher nachdenken. Denn entweder man hat eine außergewöhnliche Begabung, die man nutzen sollte oder man ist ein selbstverliebter Dummschwätzer und passt gut zu der Truppe, die in nächtlichen Werbungen auf AstroTV läuft und den Esoterikquark an leichtgläubige Zuhörer verkauft.