Donnerstag, 31. Januar 2019

Zu Hilfe



Jeder von uns braucht Hilfe. Alleine kommt man im Leben nicht weiter und im Sport erst recht nicht. Ex Formel 1 Fahrer Mika Häkkinen sagte einmal: „Du gewinnst nie allein. An dem Tag, an dem du etwas anderes glaubst, fängst du an zu verlieren.“
Und trotzdem haben noch immer viele Hundesportler ein Problem mit dem Thema Hilfe. Ich rede nicht von Leuten, die unter Mobbing leiden müssen und ausgegrenzt werden, das ist ein weitaus komplizierteres Thema, das hier den Rahmen sprengen würde. Ich möchte über jene reden, die vor dem gedeckten Tisch bockig den Kopf wegdrehen und lieber vor dem vollen Teller verhungern.

Nur wenige Hundesportler sind so direkt und sagen offen, dass sie glauben keine Hilfe zu brauchen und trainieren dann auch wirklich alleine und komplett eigenverantwortlich, ohne jegliche Kontrolle und Unterstützung. Wesentlich häufiger findet man bei der „das hab ich alles allein gemacht“ Fraktion die Schummler. Diese Leute kokettieren zwar gerne mit der Idee, alles vollkommen alleine und ohne Hilfe zu bewältigen und geben sich lange Mühe, diesen Eindruck auch aufrecht zu erhalten, sind aber dann doch zu sehr am Erfolg orientiert, um diesen Pfad ins Versagen auch wirklich einzuschlagen. In der Regel holen sich diese Leute ihre Unterstützung heimlich ab. Es wird zu anderen Trainingstreffen gefahren, auswärts trainiert und korrigiert und auf dem Heimplatz gibt es dann den großen Auftritt mit dem Hund, den man ganz ohne Hilfe ausgebildet hat.
Was genau die Beweggründe hinter einer solchen Vorgehensweise sind, kann man nur mutmaßen. Vielleicht will man die Lorbeeren für späteren Erfolg nicht mit anderen teilen, vielleicht benötigt man den Glorienschein anders zu sein und es ganz alleine geschafft zu haben. Auf jeden Fall wird einem ein solcher Egotrip auf Dauer wenig Freude machen. Weder im eigenen Verein - wer lässt sich schon gerne anlügen - noch bei den heimlichen Trainingspartnern, die sich irgendwann – sofern sie nicht bezahlt werden – wundern werden, wieso sie offenbar ein peinliches Geheimnis sind.

Wesentlich häufiger trifft man auf die „ja ja“ Fraktion. Hier gibt es zwei Varianten, die offene und die verdeckte.
Die offene „ja ja“ Variante, sagt einem relativ direkt ins Gesicht, dass sie der Meinung sind, man ist nicht qualifiziert genug, um zu verstehen, was sie gerade machen und dass man deshalb keine Berechtigung hat, sie zu korrigieren oder Trainingsvorschläge zu machen. Nein, wir sprechen hier nicht vom Multichampion auf Höhenflug oder Entwicklern von revolutionären neuen Ausbildungsmethoden. Es sind Ortsgruppensportler, die der Meinung sind, ihr Wissen aus Büchern, Seminaren und dutzenden YouTube Videos reicht aus, um eine anständige Ausbildung für den eigenen Hund zu gewährleisten.
Allerdings wird dieser Typus von Hundeführer Zeter und Mordio schreien, wenn sich nicht ein Ausbilder mit hinaus auf dem Platz stellt. Schließlich hat er einen Anspruch darauf, begutachtet zu werden. Aber immer dran denken, sagen oder gar kritisieren darf man nichts, sonst gibt es eine ellenlange Belehrung, wieso man für solche Äußerungen nicht qualifiziert ist.

Die zweite Gruppe der „ja ja“ Fraktion geht wesentlich subtiler vor, um nicht zu sagen hinterhältiger. Auf den ersten Blick wird gemeinsam trainiert. Es wird viel Zeit des Trainers in Anspruch genommen, weil es eigenartigerweise immer nur sehr schleppend voran geht und Hund und Hundeführer immer wieder starke Rückschritte zeigen. Es wird selten diskutiert, wenig widersprochen oder hinterfragt, es wird oberflächlich betrachtet einfach nur vor sich hingearbeitet und irgendwie bleibt der erhoffte Erfolg dennoch aus. Bei genauerer Betrachtung erkennt man dann jedoch, worin das Problem liegt. Diese Gruppe scheut die offene Konfrontation und geht den Weg des geringsten Widerstandes. Es wird unter den Augen des Trainers das Programm abgespult und sobald man aus dem Blickfeld verschwunden ist, wird ein komplett anderes, oftmals gar konträres Programm gefahren.
Hinter dem Rücken wird dann häufig nicht nur trainiert, sondern auch schlecht über die anderen Trainingspartner geredet.

Eine spezielle Gruppierung sind die Leute, die ich das fahrende Volk nennen möchte. Es sind fast immer Pärchen, seltener kleine Gruppen oder Einzelpersonen, die von Ortsgruppe zu Ortsgruppe ziehen. Ihre Geschichte ist immer die selbe. Sie haben einen gut veranlagten bereits vorgearbeiteten Hund und wollen Sport machen und Mitglied in einem Verein werden, wurden aber von den Trainingsgruppen und Ortsgruppen die sie zuletzt besucht hatten schlecht behandelt, unzureichend gefördert, schlecht trainiert, gemobbt und sind deshalb wieder auf der Suche.
Bei manchen springt in solchen Momenten sofort der Drang zu helfen, den guten Ruf der Vereine zu retten in den Vordergrund, bei anderen schrillen die Alarmglocken und sie bleiben bei Anfragen nach Trainingsmöglichkeit und Mitgliedschaft distanziert. Letzteren wirft man gerne vor, sie würden Neulinge ablehnen, sich für eine elitäre Truppe halten oder Angst vor Konkurrenz haben. Vielleicht hatten sie aber auch nur schon mehrere Zusammenstöße mit dem fahrenden Volk.

Für all jene, die ihr Herz und ihre Türen für die vermeintlich Hilfesuchenden öffnen, beginnt der immer gleiche Reigen. Das fahrende Volk zeigt sich überglücklich, überhäuft die Trainer mit Dankbarkeit und ist in der Regel sehr mitteilsam über die Verfehlungen, der früheren Ausbilder und Vereine. Allerdings wird dabei in aller Regel mit sehr vielen Worten sehr wenig Konkretes gesagt. Probleme mit dem Hund – egal ob im Sport oder im Alltag – sind ausschließlich auf die mangelhafte Kompetenz der vorherigen Trainer zurück zu führen.
Manchmal kennt man die ehemaligen Vereinskollegen über die Mal kräftig vom Leder gezogen, mal nur andeutungsweise schlecht geredet wird und kann direkt nachfragen, manchmal muss man das Puzzle kleinschrittig selbst zusammensetzen. Doch es läuft immer nach demselben Schema. Früher oder später gibt es Probleme. Oftmals reißt das fahrende Volk seine Zelte in einer Nacht und Nebel Aktion ab und verschwindet ohne ein weiteres Wort, wenn man dahintergekommen ist, dass manche ihrer Geschichten doch deutlich an der Realität vorbeigingen. Oder es kommen die immer gleichen Vorwürfe, mit denen sie auch schon anreisten. Der eigene Hund werde nicht genügend gefördert, die Fortschritte seien zu gering, man würde sich nicht vernünftig um sie und ihre Bedürfnisse kümmern oder zu wenig auf ihre Wünsche und Vorschläge eingehen. In letzteren Fall trennt man sich meistens im Streit und man ist der nächste Name auf der Liste, die das fahrende Volk dem nächsten Verein, der sie aufnimmt, vorlegen wird.

So unterschiedlich sie auch sein mögen, eines haben die letzten drei Gruppierungen gemeinsam. In der Regel jammern alle, dass sie nicht genügend Hilfe und Rückhalt bekommen.
Allerdings werden ein paar Dinge rund um das Thema Hilfe von allen übersehen:
Hilfe kann nur bekommen, wer auch bereit ist sie anzunehmen. Wer nur bewundert werden will und nicht mit Kritik umgehen kann und unfähig ist, sich selbst und sein Handeln zu reflektieren, wird nie Hilfe erhalten, egal wie bemüht das Umfeld ist, sie zu geben.
Hilfe annehmen bedeutet nicht ungeprüft und unreflektiert alles zu machen, was jemand anders vorschlägt. Passende Hilfestellung setzt immer Kommunikation voraus. Wer nicht gewillt oder fähig ist, zu kommunizieren, was ihm wichtig ist, was er nicht machen möchte oder was er schlicht nicht leisten kann, wird am Ende auch hilflos dastehen, egal wie viele helfende Hände ihm von außen gereicht werden.