Sonntag, 22. November 2015

Thomas Baumann - Mehrhundehaltung... gemeinsam zu mehr Harmonie


Unser siebtes Buch.

Baumann gehört in der Hundeszene immer noch zu meinen Lieblingsautoren. Der ehemalige Diensthundeführer zeigt in seinen Büchern immer einen starken Hang zum Realismus, keine selbsterdachten Philosophien mit pseudoesoterischen Anleihen, kein moralinsaurer Unterton und auch keine übertrieben emotionale Sichtweise. Sondern einfach nur eine objektive Herangehensweise an die Probleme unter Berücksichtigung der klassischen Lerntheorie.

In diesem Buch widmet sich Baumann den Vorteilen und auch den Problematiken der Mehrhundehaltung. Einem Thema, das auch nach Ansicht des Autors immer mehr zu einem Modethema wird, da der Trend immer stärker zum Mehrhundehaushalt geht.
Baumann beginnt ausführlich mit den möglichen Integrationsmodellen. Welche Möglichkeiten gibt es um Einzeltiere in bestehende Gruppen zu integrieren, wie führt man Gruppen zusammen. Baumann nimmt sich Zeit, genau aufzuschlüsseln wieso welche Tiere in welcher Reihenfolge zusammengeführt werden und wieso die Auswahl der Reihenfolge in einigen Fällen entscheidend für den Erfolg der Vergesellschaftung sein kann.

Im weiteren Verlauf beschäftig sich Baumann mit der Aufwand Analyse für den Mehrhundehaushalt. Was muss Hund mitbringen für ein erfolgreiches Gruppenleben, welche „Kosten“ hat das Leben im Mehrhundehaushalt für den einzelnen Vierbeiner und vor allem, was bedeutet dies im Zusammenleben für den betreuenden Menschen. Was muss Mensch an Organisation und Kontrolle leisten können, um ein Gelingen der Mehrhundehaltung sichern zu können? Dem stellt Baumann im Folgekapitel die Nutzen des Lebens in der Gruppe für die einzelnen Individuen gegenüber.
All dies begleitet Baumann durch sämtliche Kapitel mit ausführlichem Bildmaterial und Beispielen aus seiner Berufspraxis.

Besonders warnt Baumann erneut vor den Auswirkungen von überholten Alphatheorien aber auch vom Festhalten an allgegenwärtigen Patentlösungen. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Beziehungen zwischen den Individuen immer so speziell betrachtet werden müssen, wie die Individuen selbst. In Kombination mit den Wechselwirkungen der Gruppendynamik verbieten sich pauschale Lösungsansätze im Grunde von selbst.
Auch mahnt Baumann an, sich nicht von der Vorstellung vom Rudeltier Hund und dem neuen Trend zur Mehrhundehaltung dazu hinreißen zu lassen, dass ausnahmslos jeder Hund mit einem oder mehreren Artgenossen in seinem Haushalt glücklicher ist.

Auch dem alltäglichen Spaziergang widmet Baumann ein eigenes Kapitel. Er gibt Tipps zu Struktur und alltagstauglicher Erziehung und regt Beschäftigungsmöglichkeiten für die ganze Gruppe oder auch einzelne Mitglieder an. Baumannkenner wird es nicht verwundern, dass in diesem Kapitel – wie in fast jedem seiner Bücher – sein ZOS-Training vorgestellt wird.

Den Abschluss bildet ein mehr als ausführliches Kapitel mit Beispielen aus Baumanns Berufsalltag. Insgesamt werden zehn Problemstellungen mit verschiedenen Gruppenstärken, beteiligten Rassen und Ausgangslagen genauer vorgestellt und besprochen.

Im Großen und Ganzen klingt die Zusammenfassung sehr positiv und man muss Baumann auch zugestehen, dass er erneut ein wichtiges und aktuelles Thema mit qualitativ hochwertigem Wissen seinen Lesern präsentiert hat. Die große Schwachstelle des Buches präsentiert sich jedoch sehr deutlich am letzten Kapitel. Baumann tendiert in diesem Buch sehr stark dazu die Theorie mit vielen Beispielen zu umkleiden. Das letzte Kapitel, das einzig aus Beispielanalysen besteht aus 85 Seiten, in einem 287 Seiten Buch. Zieht man das diesmal sehr großzügig verwendete Bildmaterial, das Beispielkapitel und die im laufenden Text ständig verwendeten Beispiele ab bzw. würde sie auf ein notwendiges Minimum reduzieren, könnte man „Mehrhundehaltung“ mit Leichtigkeit auf die Hälfte des vorliegenden Buchblocks reduzieren, ohne etwas vom relevanten Inhalt zu verlieren. Bei einem Neukaufpreis von 39€ beschleicht einen phasenweise leider das Gefühl, als hätte man versucht möglichst viele Seiten zu füllen, um den Preis zu rechtfertigen. Die präsentierten Inhalte sind richtig und wichtig, aber die Frage muss erlaubt sein, ob sie nicht besser als mehrere Kapitel im Rahmen eines größeren Buches, oder als kleinere gestraffte Ausgabe präsentiert worden wären. Man sollte Baumanns Aussagen, Ideen und Problemlösungsansätze zum Thema Mehrhundehaltung gelesen haben, aber ich kann dennoch jeden Leser verstehen, der durch den Preis etwas verstimmt ist.


Als nächstes Buch auf der Leseliste:
Hellmuth Wachtel – Hundezucht 2000