Montag, 27. Dezember 2021

Carmen Mayer - Gymnastricks

 

Das 28. Buch.

Nach vielen Enttäuschungen im Bereich physiotherapeutische Übungen für Hunde auf dem Buchmarkt, präsentiert sich Carmen Mayers „Gymnastricks“ endlich mal als ein Buch, das auch hält was es verspricht. Man braucht keine zusätzlichen teuren Anschaffungen und Übungsgeräte, um ins Training einsteigen zu können, sondern kann mit seinem Vierbeiner zwischendurch immer wieder kleine Übungseinheiten einschieben.

Zu Beginn steht eine kurze Einführung, die sich zum einen mit der Trainingsmethode, aber auch den biologischen Grundlagen beschäftigt. Es gibt ein Schaubild der Muskelgruppen, sowie einen Überblick, über die Aufgaben der einzelnen Muskeln. Auch bietet die Autorin eine Tabelle in der übersichtlich und klar verständlich dargestellt wird, welche Übungen aus ihrem Buch welche Muskelgruppen ansprechen.

Die anschließend im Detail beschriebenen Übungen sind nach der Muskelgruppe, die sie vorrangig ansprechen sortiert. Jeder Übungsaufbau wird genau beschrieben und in mehrere Schritte aufgesplittert. Bei Manchen wird auch zusätzlich noch ein ausführlicherer Übungsweg für Anfänger und ein weniger detaillierter für Fortgeschrittene unterschieden. Auch findet man bei jedem Gymnastrick eine kleine Tabelle in der nochmal eine Zusammenfassung steht, welche Muskelgruppen angesprochen werden, für welche Hunde die Übung besonders sinnvoll ist, ob und welche Hilfsmittel man benötigt und welche Vorübungen der Hund beherrschen sollte.

Den Abschluss machen ein paar Ratschläge, wie man die einzelnen Trainingsaufgaben in ihrer Wirkung noch intensivieren kann.

Das Buch bietet gute und sichere Anleitung zum Aufbau der Übungen, ist dabei leicht verständlich und verzichtet auf unnötigen Schnickschnack. Für jeden, der etwas für die Gesundheit seines Hundes tun und gezielt an der Muskulatur arbeiten will, ohne Mengen an Equipment zu kaufen, wird hier in diesem Büchlein fündig werden. Eine absolute Kaufempfehlung für alle, die Spaß und Gesundheit beim Training verbinden wollen.

Mittwoch, 3. November 2021

Herausforderung angenommen

 


Es gibt viele Gründe, sich für eine Rasse oder einen bestimmten Hund zu entscheiden. Man hat bereits positive Erfahrungen mit der Rasse oder dem Hundetyp gemacht, man schätzt bestimmte Charakterzüge, man ist gezielt auf der Suche nach bestimmten Eigenschaften für eine Aufgabe… Natürlich gibt es auch weniger vernünftige Gründe, wie Fellfarbe, der Wunsch nach einer Moderasse, etc. Doch in letzter Zeit fällt mir immer öfter eine neue Begründung für die Hundewahl auf, die mich stutzen lässt:

„Ich wollte eine Herausforderung.“

Eine Erklärung, die bei mir immer etwas Bauchschmerzen auslöst. Ja, wie bei den anderen Begründungen gibt es auch hier durchaus vernünftige Ansätze. Wenn man mit seinem Hund arbeiten will, sucht man oftmals nach neuen Herausforderungen. 

Das kann bedeuten, dass man mit dem neuen Hund eine höhere Ausbildungsstufe erreichen will oder eine bessere Ausbildungsqualität. Reichte es mit dem letzten Hund nur für die Ortsgruppenprüfung, könnte man sich mit dem neuen Vierbeiner den überregionalen oder gar nationalen Start auf die Fahnen schreiben. 

Oder man hatte bei seinem vorherigen Hund ein paar Ausbildungsdefizite und hat zwar jede seiner Prüfungen bestanden, aber eben nicht so, wie man es sich erträumt hätte. Dann könnte die neue Herausforderung heißen, den Hund zu einem zuverlässigen SG Starter aufzubauen und auszubilden. Auch könnte man generell davon träumen, die erste Prüfung und einen Start, egal in welcher Sportart zu absolvieren. 



Oder man möchte einen Hund mit weniger guten Anlagen zuverlässig ausbilden. Den netten, aber eher schwer zu motivierenden und weichen Showlinienhund erfolgreich durch die Prüfung zu führen, kann eine deutlich größere Herausforderung sein, als den perfekt veranlagten, im Alltag vielleicht anspruchsvolleren Leistungshund auszubilden.

All das sind Herausforderungen, die das Zusammenleben nicht beeinträchtigen und die, wenn man an ihnen scheitert, keine wirklichen Auswirkungen haben – so lange man nicht zu den Menschen gehört, die ihre Hunde abschieben oder vernachlässigen, wenn ihre mangelnde Leistung das eigene Ego kränken.

Doch dann gibt es die anderen Herausforderungen, die bei denen mich ein ungutes Gefühl beschleicht.

Man hat Erfahrungen mit einem netten, gut sozialisierten, mittelgroßen Familienhund und will nun einen Gebrauchshund, weil die Wohnung bewacht werden muss, wenn die Kinder alleine sind und weil man eben eine Herausforderung will. Diese Hunde sind „schwieriger“ hat man gehört und man will zeigen, dass man das jetzt schon kann.

Man hat Rassen mit geringer Aggressionsneigung in einem bestimmten Bereich ausgebildet und wählt nun eine Arbeitsrasse, die bekannt ist für ihre Härte, ihre Aggressionsbereitschaft gegenüber Mensch und Tier und die für die angedachte Ausbildung und auch das Lebensumfeld als ungeeignet gilt. Wieso man sich dafür entschieden hat? Man möchte eine Herausforderung.

Man hatte einen ordentlich sozialisierten und auf das Umfeld geprägten Hund in seiner Wohnung in der Innenstadt und nun soll es der Labradormischling aus dem Auslandstierschutz sein, den die Tierretter in der ländlichen Türkei aus einem Zwinger gerettet haben und der verdächtig nach Kangal aussieht. Oder einen vom illegalen Transport geretteten Junghund, der die ersten Wochen in einem Keller und danach Monate in der Tollwutquarantäne verbracht hat. Aber man hat es ja mit dem anderen Hund auch geschafft und jetzt will man eine neue Herausforderung und auch diesen Hund ausbilden.

Was bei diesen (nicht erfundenen!) Beispielen anders ist, als bei der vorherigen Gruppe? Die Frage nach den Konsequenzen für das Leben von Hund und Halter, wenn man an dieser Herausforderung scheitert. Die ersten Beispiele haben immer noch einen Hund mit passenden Rasseeigenschaften an ihrer Seite, mit dem sie eben nicht die angestrebten Prüfungsziele erreich haben. Man lebt sein gemeinsames Leben einfach weiter, die Bedürfnisse von Hund und Halter für ein konfliktfreies Zusammenleben sind von der Herausforderung nicht beeinträchtigt und hat eben nur auf der Leistungsurkunde nicht das stehen, was man sich vorgenommen hat. Niemand nimmt hier Schaden.

Doch was, wenn man sich mit der Herausforderung Gebrauchs- oder unpassender Arbeitshund übernimmt und der Hund bestimmt, wer die Wohnung überhaupt betreten darf? Wenn er jedes Geräusch im Mehrparteienmietshaus meldet und jeder Spaziergang zum Spießrutenlauf wird, weil der Hund aggressiv auf andere Hunde und Passanten reagiert und man keinen Einfluss darauf hat? Was wenn man noch einen Althund zuhause hat und die Herausforderung beginnt, ihren Frust an ihm auszulassen?

Was wenn die neue Herausforderung so unpassend in ihrem neuen Lebensumfeld ist, dass es kaum möglich ist, vor die Tür zu gehen, weil der Hund vor Stress und/oder Angst nicht einmal bis zum Bordsteinrand kommt?

Die Leidtragenden bei solchen gescheiterten Herausforderungen sind die Hunde. Für den Halter ist es in der Regel auch nicht witzig und in vielen Fällen ist es auch für das Umfeld problematisch bis gefährlich, wenn sich jemand beim Hundekauf mit der gewünschten Herausforderung übernimmt. Doch die Rechnung muss am Ende der betroffene Hund zahlen. Von Abgabe, über Fristen in einem unwürdigen Dasein, bis hin zur Einstufung als gefährlicher Hund und drohender Euthanasie kann ihnen bei solchen Szenarien alles drohen.

Deshalb sollte man seine Herausforderung gut wählen und im Vorfeld einfach einmal nachdenken, was passiert, wenn man sich doch mehr auf den Teller geladen hat, als man schlucken kann. Nur wenn die Antwort auf das „was wenn…“ schlicht lautet „es hat keinen Einfluss auf die Lebensqualität des Hundes, wenn es nicht klappt“, sollte man eine solche Herausforderung auch annehmen. 


 

Sonntag, 18. Juli 2021

Wenn der Heiligenschein nicht passt...

 


Wir lieben unsere Hunde. Wir sind bereit auch mal für sie auf etwas zu verzichten, uns um ihre Bedürfnisse zu kümmern, Geld in ihre Erziehung, Beschäftigung und Gesundheit zu stecken und dafür zu sorgen, dass es ihnen physisch und psychisch gut geht. Das ist für Hundehalter selbstverständlich. Doch dann trifft man immer wieder auf Leute – vor allem im Internet – bei denen man kurz ins Grübeln kommt. Diese Leute scheinen in allem besser und moralisch überlegen zu sein. Das Futter für ihren Hund ist 100% bio absolut individuell angepasst und kostet mehr, als du in einem Monat verdienst. Halsbänder und das Wort „nein“ kennt der Hund nicht, denn das ist Tierquälerei und auch ansonsten wird alles getan, damit es dem Hund an nichts fehlt. Hund hat eine Allergie? Der ganze Garten wird neu bepflanzt und es wird eine neue Tierart geklont, die er fressen kann. Hund hat Angst vor Autos? Man gibt seinen Job, seine Familie und sein Haus auf, um irgendwo hin zu ziehen, wo Hund keinen Kontakt haben muss. Und außerdem liebt man alle Hunde. Es gibt keinen, den diese Leute nicht mögen, auch bei der Anschaffung, hat man keine Ansprüche, alle Hunde haben Liebe verdient und die muss man ihnen uneingeschränkt geben. Passt dein Leben nicht zu Hund X der gerade eine Bleibe sucht, hast du dich anzupassen. Den geeigneten Hund zu suchen ist egoistisch und verabscheuungswürdig. Nimm den der Hilfe braucht und mach dein Leben geeignet für ihn, koste es was es wolle!

In der eigenen Wahrnehmung stehen diese Leute kurz vor der eigenen Heiligsprechung und sind die einzig wahren und guten Hundehalter und die ganze Welt sollte sich an ihren orientieren. Und sie werden nicht müde, diese Überzeugung mit einer gehörigen Portion Arroganz unter die Leute zu bringen und ja, dort draußen finden sich leider genug Hundehalter, die ihr Bestes geben, ihren Hund bereits ein schönes Leben ermöglichen, sich aber von solchen Leuten verunsichern lassen.

Und deshalb ist dieser Blogeintrag nun für alle Hundehalter, denen der Heiligenschein einfach nicht so recht passen will.

Es muss einfach mal gesagt werden:

Es ist ok, Fertigfutter zu füttern, ja auch die günstigen Sorten ohne Biokräuter und handgestreichelten Lachs, wenn euer Hund es verträgt.

Es ist ok, einen Welpen vom Züchter zu wollen, wenn man sich im Vorfeld Gedanken über die richtige Rasse gemacht und sich über seriöse Zucht informiert hat.

Es ist ok, einen gesunden und charakterlich stabilen Hund zu wollen und nicht den kranksten, gestörtesten Hund zu „retten“ den man finden kann.

Es ist ok, auch mal wütend oder enttäuscht zu sein, mal überfordert zu sein und nicht jede Sekunde mit dem Hund zu genießen. Hunde können anstrengend sein und auch wenn immer alle davon faseln, wie erfüllend das Leben mit alten Hund oder Handicap Hunden oder, oder, oder ist, es ist ok wenn man nicht jubelt, weil der inkontinente Senior mal wieder den Teppich eingenässt hat, wenn der aggro Jungspund versucht den Briefträger zu fressen, etc. pp, sondern man darf das auch einfach mal richtig Scheiße finden.

Es ist ok, Grenzen zu ziehen bei dem, was man gewillt ist zu ertragen. Egal ob körperlich, nervlich oder finanziell.

Es ist ok, sich von seinem Hund zu trennen, wenn es keinen anderen vernünftigen Ausweg gibt.

Es ist ok, nicht jeden Hund auf Gottes weiter Erde toll zu finden. Nur weil man Hunde per se mag, darf man auch manche nicht leiden können und hoffen, dass sie bald verschwinden.

Es ist ok, auch mal Fehler zu machen und sich zu irren. Sei es in der Erziehung, der Pflege, der Fütterung, usw. Wir geben alle unser Bestes und lernen stetig dazu, aber auf diesem Weg stolpert man eben einfach auch mal.

Alle da draußen, denen der Heiligenschein nicht passt, Kopf hoch, lasst euch nicht einreden, dass ihr schlechte Hundehalter seid, nur, weil jemand etwas anders oder mehr macht und andere Ansichten als ihr hat. Ihr macht einen tollen Job und ein glücklicher und zufriedener Hund bei einem glücklichen und zufriedenen Halter ist so viel mehr wert, als der selbstaufgesetzte Heiligenschein, den manche im Internet zur Schau stellen.