Dienstag, 30. April 2019

In der Prägehölle




Welpenprägung, ein großes Wort, dass in der Leute Köpfen herumschwirrt und offenbar dort immer öfter gegen ein paar Hirnwindungen stößt und Schaden anrichtet, anders kann ich mir die Auswüchse, die das Thema zurzeit hervorbringt, nicht mehr erklären.
Aber fangen wir am Anfang an.  Prägung soll dem Welpen das Handwerkszeug für sein späteres Leben geben. Die Erfahrungen in der frühesten Lebensphase sollen den Kleinen helfen später möglichst stress- und angstfrei durchs Leben zu gehen.
Doch bei immer mehr Züchtern scheint das Thema Prägung Amok zu laufen und auch Welpenkäufer haben immer abstrusere Ideen, was zu einer „guten Prägung“ gehört und was ein Welpe in den ersten acht Wochen beim Züchter erlebt haben muss, um auf die Welt vorbereitet zu sein.
Sieht man sich im Internet um, findet man unzählige Listen und Anleitungen, was Welpe erlebt haben muss, bis zum Auszug und man kommt aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus…
Beispiele gefällig?
Auf vielen „Beratungsseiten“ von Tierheilpraktikern und Hundetrainern kann man sich Listen ausdrucken, die man abarbeiten kann, um die Welpen richtig vorzubereiten und da ist man weit, weit entfernt von ein paar Brettern zum Klettern und Spielzeug im Garten.
Prägung auf fremde Hunde aller Größen und Körperformen, Prägung auf alle möglichen Tiere von Meerschweinchen bis Kuh, verschiedene Menschen von Säugling über Rollstuhlfahrer bis Mann in Uniform, verschiedenste Fahrzeuge, das Erleben von „Alltagssituationen“ von Spazierengehen im Regen, über Besuch im Baumarkt oder auf der Baustelle bis Besuch vom Volksfest …. Für alle die es vergessen haben sollten, wir sind hier immer noch bei einer Liste, die idealerweise beim Züchter oder innerhalb der ersten zwei bis vier Wochen nach dem Einzug abgearbeitet werden soll!
Die Liste einer Hundetrainierin, die ich hier mal Beispielhaft herangezogen habe, umfasst 109 Punkte und den Hinweis, je mehr dieser Punkte der Welpe innerhalb der ersten 12 Wochen erlebt und gesehen hat und je öfter, desto entspannter wird es später für den Hundehalter laufen, denn in den ersten 12 Wochen seien Welpen enorm aufnahmefähig und würden es fürs spätere Leben als normal ansehen und nicht darauf reagieren.

Und leider glauben immer mehr Welpenkäufer an solche Aussagen und schleifen ihren Welpen durch die Prägehölle, ohne zu ahnen, was sie ihrem Vierbeiner damit antun. Auch immer mehr Züchter springen leider auf den „mehr ist immer besser“ Zug auf und überfluten ihre Welpen von dem tag an dem sie die Augen auf machen (teils schon vorher) mit Reizen, eindrücken und Aufgaben, um sie möglichst „wesensfest“ zu machen und gut vorzubereiten.
Die Welpen werden nach Stundenplan durch die Erfahrungen gedrillt und weil man ja etwas Besonderes und Tolles haben/machen will, setzt man noch einen drauf, um aus der Masse hervorzustechen und fährt dann schon mal mit der versammelten sechs Wochen alten Mannschaft zum Flughafen, um unter Beweis zu stellen, dass man ganz besondere Hunde hat und alles für diese tut.
Viele klatschen Applaus, überschlagen sich vor Begeisterung und loben das Engagement des Züchters, während die anderen entsetzt danebenstehen und sich nur die Hand vor die Stirn schlagen können.
Wieso?
Weil Prägung kein Wettlauf zu neuen Trends sein sollte.
Abgesehen von den enormen Infektionsrisken, die man eingeht, wenn man kleine Welpen durch die Weltgeschichte zerrt, um ihnen möglichst alles zu zeigen, sollte man nicht vergessen, dass auch Welpen ein Stressempfinden haben und das Konzept „so viele eindrücke wie möglich“ auch sehr schnell nach hinten losgehen können.
Begegnungen mit fremden Hunden können negativ verlaufen und zu glauben, der Welpe würde alles positiv verknüpfen, was er in den ersten Wochen gesehen hat, ist auch ein Trugschluss. Wer also durch die seitenlangen Prägelisten hetzt, im Glauben, damit den perfekt vorbereiteten Hund zu schaffen, wird wohl eher einen Dauerkunden für die Hundeschulen, die diese Listen erstellt haben, heranziehen.
In der Prägung geht es nicht darum, möglichst viele Häkchen auf eine Liste zu machen, sondern den Welpen dosiert mit Veränderungen zu konfrontieren und ihn in Ruhe lernen zu lassen, damit umzugehen.
Wesensstärke kommt nicht von frühen Begegnungen mit einem Presslufthammer, einer Geräusch CD oder Ausflügen in den Baumarkt, sondern in erster Linie aus der Genetik. Wenn jemand erzählt, seine Hunde bräuchten eine derart ausufernde Prägung, um auf das Leben da draußen vorbereitet zu sein, sollte man sich Gedanken machen, was bei der Auswahl der Elterntiere wohl schiefgelaufen ist. Bei normalen Hunden reicht es vollkommen aus, dass sie in Familie, Haus und Garten aufwachsen, damit sie zu psychisch gesunden und stabilen Hunden heranwachsen. Braucht der Welpe dafür ein Prägeprogramm mit vier dutzend Punkten, dann ist etwas schiefgelaufen.

Man kann nur beten und hoffen, dass der Aktionismus rund um das Thema Prägung schnell wieder abebbt und sich Züchter, wie Welpenkäufer wieder mehr auf die Basiswerte in der Aufzucht besinnen und die Welpen nicht durch eine Prägehölle mit hundert Kreisen schleifen, im guten Glauben, dass der Dauerstress den Kleinen irgendeinen Nutzen bringen wird.