Montag, 13. April 2020

Von der Epidemie zur Ausrede



Es sind eigenartige Zeiten. Großveranstaltungen werden abgesagt für dieses Jahr oder erstmal noch aufgeschoben. Normaler Trainingsbetrieb mit mehreren Personen ist verboten, je nach Bundesland steht sogar das Betreten des Trainingsplatzes allein schon unter Strafe.
Wir schreiben das Jahr 2020 und die Hundesportszene muss sich wie die ganze Welt damit abfinden, dass im Moment SARS-CoV-2 oder besser bekannt als das Corona Virus den Alltag diktiert. In allen Bereichen des Lebens muss nun umgedacht werden, Man braucht neue Wege, neue Ideen.
Viele passen sich an die vorrübergehende Einschränkung einfach an und trainieren weiter. Anders als bisher, aber sie machen weiter und der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Der eine trainiert im Garten das Voraus, der nächste läuft in der Lagerhalle Fuß, wieder andere machen im Wohnzimmer Positionsarbeit und üben in der Küche Halten mit dem Apportierholz oder bauen auf dem kleinen Grünstreifen neben dem Parkplatz das Verweisen neu auf.
Man kann sich nicht mehr treffen und dennoch finden die Leute Mittel und Wege trotz Kontaktbeschränkung zusammenzuarbeiten. Man nimmt die Dashcam mit zum Fährten, lässt die Handycamera beim Training im Garten mitlaufen und tauscht sich im Videocall oder in den sozialen Medien aus. Nicht nur werden die einzelnen Trainingseinheiten bewertet und Tipps gegeben, was man ändern könnte, nein, es werden vor allem Ideen geteilt, wie man in diesen Zeiten mit den begrenzten Möglichkeiten trotzdem weitermachen kann. Egal ob großer Garten, eigene Halle oder kleine Apartment, es wird jedem dabei geholfen, dass Mensch und Hund auch in diesen eigenartigen Zeiten ihr Training weiterführen und an sich arbeiten können.
Die meisten Leute finden einen Weg, damit es weitergeht, positiv weitergeht und damit sie, sobald die Beschränkungen aufgehoben werden, einfach an ihr Training anknüpfen und auf ihren Leistungen aus der Zeit vor Corona und auch auf dem Training während dieser Zeit aufbauen können.

Und dann gibt es die Anderen…
Für die war schon der erste Tag an dem darüber diskutiert wurde, das öffentliche Leben einzuschränken, der Tag, an dem das Ende ihrer Hundesportkarriere am Horizont aufzog. Der Moment in dem die Kontaktbeschränkungen ausgesprochen wurden und das Vereinsleben zum Stillstand kam, markierte dann den Moment, an dem die Welt unterging. Für diese Sportler war klar, dass es aus dem Loch in das nun alle fallen würden, wenn es vorübergehend keinen Schutzdienst geben würde oder man nicht zweimal die Woche gemeinsam auf dem Platz stehen konnte, keinen Ausweg mehr geben würde. Ihre Hunde würden auf ewig einen bleibenden Ausbildungsrückstand davontragen und nie wieder in der Lage sein, eine Qualifikation oder eine Meisterschaft zu bestehen. Der Tod ihrer Sportkarriere war an diesem Tag besiegelt worden, ihrer Meinung nach. Es wurde quer durchs Internet ein Trauersermon gehalten, auf die vielen viel zu früh verschiedenen Karrieren. Es wurde lamentiert, auf Politiker und Gott und die Welt geschimpft und noch mehr auf jene, die das ganze zwar schade, aber jetzt nicht weiter dramatisch fanden und eben anders weitermachen wollten, bis die Krise überstanden ist. Denn man würde die Tragik des Moments ja verkennen und kleinreden.
Dabei handelt es sich bei den Anderen mitnichten um jene, die in diesem Jahr mit ihrem Hund sie letzte gemeinsame Saison laufen und ihn dann in die wohlverdiente Rente schicken wollten. Auch nicht um jene, die bereits alle bisherigen Qualis für die Meisterschaften gesammelt hatten. Nein, der Großteil der Jammerer rekrutierte sich aus den Reihen jener, die sich gerade mit ihrem jungen Hund – oftmals dem ersten, den sie ihm im Sport führen - auf die aller erste Prüfung vorbereiteten, bei denen in den nächsten Monaten vielleicht die BH/VT anstand. In diesen Reihen wurde massenhaft das Weltuntergangsszenario des Hundesports prophezeit und zelebriert.
All die zukünftigen Weltmeister, Überflieger und Seriensieger aus denen nun nichts werden wird, weil man im Jahre 2020 eine Hälfte der Saison streichen musste. Überall wird um die begrabenen Sportträume und Fantasien getrauert und in tiefschwarzer Farbe die Zukunft gemalt.
Und so mutiert das Virus jetzt schon und zwar von der Epidemie zur Top-Ausrede der kommenden Jahre. Für eine ganze Generation Hunden wird Corona nun in viel zu vielen Mündern als Ausrede herhalten müssen, wieso etwas nicht geklappt hat und wieso alles so viel schlechter geworden ist, als man es bei Anschaffung des Hundes doch großspurig allen erzählt hatte.
In nicht allzu ferner Zukunft werden Sportler und Trainer wieder auf dem Platz stehen, gemeinsam arbeiten und von Zeit zu Zeit genervt aufseufzen und mit den Augen rollen und zwar genau immer dann, wenn wieder einmal jemand vor ihnen steht, der ihnen erklärt, dass das Problem ja nur daher rührt, dass man damals in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2020 nicht vernünftig trainieren konnte, durch die große Corona Krise und das Ausbildung und Hund nachhaltig geschädigt und auf Dauer verdorben hat.