Einer hat es vorgemacht und viele wollten folgen. Die
Medienauftritte als Sprungbrett für eine erfolgreiche Hundetrainerkarriere hat
wohl in Deutschland niemand so geschickt genutzt, wie Martin Rütter. Schon in
einer Zeit, als Tierformate im TV noch Seltenheitswert hatten, startete er mit
der Dokureihe „Eine Couch für alle Felle“ im WDR und folgenden Formaten den
medialen Siegeszug, der seine Karriere stützte- und nebenbei ordentlich dazu
beitrug, dass solche Sendungen zum Publikumsliebling wurden.
Nun, rund zwanzig Jahre nach Beginn dieser
Erfolgsgeschichte, boomen Tierformate. Egal ob abendfüllende Reportagen,
tägliche oder wöchentliche Dokusoaps oder Miniserien in Nachrichten- und
Morgenmagazinen, wer etwas auf sich hält als Mediensendeanstalt, macht Hund und
Co regelmäßig zum Thema in seinem Programm. Für diese Beiträge braucht man
allerdings auch zwei- und vierbeinige Hauptdarsteller, die man nicht aus den
eigenen Reihen rekrutieren kann und da der Zuschauer gerne „echte“ Geschichten
aus dem richtigen Leben sehen möchte, nutzen auch Schauspielschüler und
Filmtiere nicht viel.
Überall in den sozialen Netzwerken, in diversen
Internetforen und auf den Senderhomepages tauchen regelmäßig Anzeigen auf. Produktionsfirma
xy sucht Hund und Halter für bestimmtes Format oder einen Beitrag. Diesen
Aufrufen folgen dann nicht nur private Tierliebhaber, die sich und ihren
Liebling einmal im Rampenlicht präsentieren möchten, sondern auch viele
Gewerbetreibende rund um den Hund. Egal ob Hundetrainer, Tierphysiotherapeut,
DogWalker, Züchter, Hobbyvermehrer, Groomer, Hundetagesstättenbetreiber oder
sonstiger Dienstleister oder Verkäufer aus dem Hundesektor, gesucht wird fast
alles von findigen TV-Machern und es finden sich auch aus allen Sparten immer
genügend Freiwillige, die dem Kamerateam Einblick in ihr Leben und ihre Arbeit
gewähren. Nicht ganz ohne Hintergedanken, denn ein paar gratis Sendeminuten auf
einem großen Sender in denen man hin und wieder beiläufig den Namen des
Unternehmens erwähnen oder auch mal mehr mal weniger plakativ das eigene Logo
mit Firmennamen ins Bild drücken kann, sind schon eine sehr verlockende Idee
und versprechen gute Werbung.
Also lässt man das Kamerateam für einen Tag anrücken,
gibt sein bestes, sich, seine Überzeugungen und seine Tätigkeit im besten Licht
zu präsentieren, wartet gespannt auf den Ausstrahlungstermin und erlebt dann
oftmals das böse Erwachen.
Um eine Hundetrainerin zu zitieren, die dieses
„Abenteuer“ gerade hinter sich gebracht hast: „Das hatten wir uns ganz anders
vorgestellt.“
Denn sehr oft wird vergessen, dass das Publikum den
eigenen Auftritt im TV nicht nur positiv aufnehmen muss, sondern es auch
durchaus negative Stimmen bis hin zum Shitstorm geben kann. Die Auslöser dafür
können vielfältig sein. Selbst bei harmlosen Themen schafft es nicht jeder sich
authentisch und sympathisch vor der Kamera zu präsentieren, das
Scheinwerferlicht liebt eben nicht jeden. Bei kontroversen Themen wird die
Sache noch heikler, da man sehr schnell zwischen die Fronten fanatischer
Befürworter und Gegner gerät. Richtig kritisch wird es allerdings, wenn man
sich auf die derzeit so modernen Vergleichsformate einlässt, bei denen zwei –
möglichst konträre – Denkungsrichtungen gegenübergestellt werden. In einem
solchen Format wird es immer einen Verlierer geben und die Chancen stehen
fünfzig-fünfzig, dass man selbst auf der Verliererseite steht.
Anders als bei den großen Namen oder einfach nur bei
Personen, die im Mittelpunkt der Serie stehen, hat der ausstrahlende Sender bei
den austauschbaren Mitwirkenden nicht das Bestreben, sie auf jedem Fall in
einem guten Licht erscheinen zu lassen. Selbst als ein Martin Rütter noch eher
unbekannt war, stand die richtige Präsentation im Vordergrund, da er die Serie
tragen sollte und somit zum Sympathieträger werden musste, damit die Zuschauer
auch zu den nächsten Folgen wieder einschalten.
Bei Formaten in denen heute der Hundesalon von Lieschen
Jedermann, morgen die Hundeschule von Heiner Allerwelt und übermorgen die
Dackelzucht von Susi Sonderbar beim ersten Tierarztbesuch gezeigt wird, gibt es
dieses pauschale Bemühen, einen festen Sympathieträger zu etablieren nicht. Die Hauptdarsteller wechseln schnell und die
Zuschauer sollen einfach nur einschalten und über die Sendung reden. Ob sie das
tun, weil die Person in dem Beitrag sympathisch und kompetent ist oder, weil
man sich auf Grund getroffener Aussagen in den sozialen Medien in endlosen
Diskussionen über die Unfähigkeit der gezeigten Person ergeben kann, ist der
Sendeanstalt dabei vollkommen egal.
Für eine Privatperson mag es ans Ego gehen, wenn man im
Internet bis zur nächsten Folge und bis zum nächsten „Opfer“ verbal zerrissen
wird, für den Gewerbetreibenden kann es schnell auch an die Existenz gehen. Man
hatte sich ein bisschen kostenlose Werbung erhofft und plötzlich lassen sich
hunderte fremde Menschen darüber aus, dass man als Groomer vollkommen
ungeeignet sei, so wie man im Beitrag die Schere gehalten habe, niemand seinen
Hund zu einem in Pension geben darf, so schmutzig wie das im Fernsehen aussah
oder man mit der Einstellung doch nie im Leben Hunde trainieren dürfte.
In manchen Köpfen hält sich noch immer hartnäckig der
Glaube, jede Publicity sei gute Publicity. Dieser Merksatz dürfte allerdings
nur noch für F-Klasse Promis und Pornosternchen gelten. Für ein
Kleinunternehmen ist eine solche Schlammschlacht eine Katastrophe, die sich
auch auf dem Konto niederschlagen dürfte.
Die Meisten werden sich von diesem Tiefschlag mit viel
Arbeit wieder erholen, auch wenn in den Tiefen des WorldWideWeb immer die
vernichtenden Kritiken umherschwirren werden und der ein oder andere
potentielle Kunde auch in Jahren noch von ihnen vergrault werden wird. Dennoch
sollte man an das Wagnis TV-Auftritt gut überlegen und nicht so naiv sein zu
glauben, durch den Besuch einer Produktionsfirma die Erfolgsgeschichte eines
Martin Rütters für sich selbst reproduzieren zu können.