Freitag, 17. Juli 2015

Showtime


 
Wir wollen alle eine gute Figur machen, niemand fühlt sich gerne blamiert. Wir wollen einen positiven Eindruck machen, egal was wir tun, es soll gut aussehen und uns gut aussehen lassen. Ein natürliches Bedürfnis der meisten Menschen. Doch leider treibt dieses Verlangen gerade auf Hundesportplätzen immer seltsamere Blüten.

Das erste Mal fiel es mir im vergangenen Jahr auf einem Trainingswochenende auf. Ein Teilnehmer präsentierte seinen jungen Hund. Eine schöne ansehnliche Vorstellung, ein wenig Fußlaufen, ein paar Winkel, Abrufen aus dem Platz. Der Hund arbeitete freudig und alles war hübsch anzusehen. Auf die Frage nach anderen Übungen, meinte der Hundeführer, nein, habe er bislang mit dem Hund noch nicht begonnen. Das Angebot mal eine andere Übung zu versuchen und sich mögliche Herangehensweisen zeigen zu lassen, wurde vehement abgelehnt. So was wolle man zuerst in Ruhe Zuhause im Garten ausprobieren. Mehr wurde dazu nicht mehr gesagt.

Hielt ich das damals noch für den persönlichen Spleen dieses einen Teilnehmers, ist es mir in den folgenden Monaten immer öfter aufgefallen, dass es immer mehr Hundesportler zu geben scheint, für die der Übungsplatz nicht mehr zum Üben da ist, sondern die vor den Sportkollegen nur noch die einstudierte Show aufführen.

Anderes Trainingswochenende, gute 40 Teilnehmer, anwesende Hunde der Teilnehmer… vier Stück. Auf die Nachfrage, wieso niemand seinen Hund dabei hat folgte ein kollektives Schulterzucken. Es war nicht das Wetter schuld, nicht die Frage nach der Anreise mit Hund. Nach anfänglichem Schweigen kamen die ersten Eingeständnisse aus den Reihen. „Hier trainieren Hundeführer die hoch führen, was soll ich da vorzeigen?“ Und wieder war sie da, die allgegenwärtige Angst sich vor den anderen, vor vermeintlich besseren Hundeführern zu blamieren. Doch auch Statements in die andere Richtung erfolgten. Man habe schließlich einen Ruf zu verlieren, wie würde es denn aussehen, wenn man sich hier zum Hampelmann macht, weil der Hund heute keine Lust hat zu arbeiten. Da lachen einen dann die Anfänger aus und erzählen weiter, dass der XY nur große Töne spuckt und seinen Hund nicht geregelt bekommt.
Ich kannte den betreffenden Hundeführer nicht, also so groß und überragend konnte sein Ruf nicht sein, bis zu mir war er auf jeden Fall nicht vorgedrungen. Aber dennoch war er besorgt bei einem öffentlichen Training sein Gesicht zu verlieren.

Später tönen sie dann oft, man wolle ja nicht jeden Pfuscher an den eigenen Hund lassen, am Ende verdirbt einem der noch alles und so lange man nicht wisse, wie gearbeitet wird, hält man seinen Hund da besser fern. Verständlich, aber wenn man dieselben Teilnehmer zum dritten Mal bei diesem Ausbilder sieht, fragt man sich irgendwann, wann sie denn endlich davon überzeugt sind, dass dieser Jemand sein Handwerk versteht. Andere verkünden, man wolle sich nicht überall drein reden lassen, schließlich wisse man selber, was man tut. Wieso man dann Geld für ein Seminar ausgibt… keine Ahnung.

Eine traurige Entwicklung, die immer weiter um sich greift. Natürlich gehören die Arbeit zu Hause und die Einheiten außerhalb des Hundeplatzes zum Training dazu, ohne sie geht es nicht. Doch ist es einfach schade und nicht sehr förderlich für die Gemeinschaft innerhalb des Vereins, wenn die gemeinsame Trainingszeit im Verein zu einem reinen Showlaufen der Eitelkeiten wird. Man studiert zuhause seine kleinen Tricks ein, legt sich die Übungen zu recht, bei denen man besonders gut aussieht und präsentiert sich und seinen Hund dann von der besten Seite, um möglichst viel Applaus einzuheimsen.
Lösungen erarbeiten, auch einmal Misserfolg haben und daraus lernen und auch Fehler erkennen und neue Wege einschlagen, all das verschwindet immer mehr aus der Öffentlichkeit, ab ins stille Kämmerlein, wo einem niemand zusehen kann. Auf der einen Seite lauert immer die Angst, dass die Tierschutztaliban im Tarnanzug im Gebüsch sitzen und nur darauf warten eine unglückliche Situation zu filmen, die sich mit etwas kreativen Schnitt und dramatischem Voice-Over zu Tierquälerei umdichten und im nächsten „Aufklärungsvideo“ verwenden lässt, auf der anderen Seite steht das eigene Ego, das nicht zulassen möchte, dass man vor den Anderen einen Fehler begeht.

Es fehlt nicht mehr viel und manche Hundesportler werden nur noch zu Prüfungen irgendwo in Erscheinung treten und den Rest der Ausbildung irgendwo versteckt und gut verborgen absolvieren, bis sie reif für ihre Showkarriere vor dem Richter sind. Oder bis sie irgendwo auf ihrer privaten gut versteckten Trainingswiese in Schönheit gestorben sind, weil es ihnen nie gelungen ist, ihre Show genug zu perfektionieren, um damit vor die Augen der anderen treten zu können.

Ich hoffe sehr, dass ich die Endphase dieser gruseligen Entwicklung nicht mehr miterleben werde und immer Hundeführer um mich haben werde, denen es nicht darum geht, möglichst gut dazustehen, sondern die in erster Linie Wert darauf legen gemeinsam mit ihrem Hund und ihren Trainingskollegen zu lernen.

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