Samstag, 11. Juli 2015

Sabine Neumann - TierHeim Schicksal oder Chance


Unser viertes Buch.

 
Nachdem ich die Autorin vor Jahren auf einem Vortrag kennenlernte, habe ich mich sehr auf dieses Buch gefreut. Nach mehreren Jahren aktiver Tierschutzarbeit ist das Thema immer noch von großem Interesse für mich  und Überlegungen zu alternativen Haltungsformen im Tierheim und neue Erkenntnisse rund um den Hund im Tierschutz können nie falsch sein.

Der erste Eindruck des Buches ist…. Bunt. Viele und vor allem große Bilder teilen sich so ziemlich jede Seite mit kleinschriftigen Texten, ab und an wird noch eine Grafik dazugestellt. Auch wenn ich kein Fan dieser Bilderflut bin, hat der erste Eindruck nicht abgeschreckt. Das Vorwort hingegen schon. Diese kurze Ausführung der Autorin wirkt beim Lesen sehr selbstverliebt und man gewinnt den Eindruck, dass Tierheime durch und durch grauenhafte Orte ohne Verständnis für ihre Bewohner waren, bis die Autorin auf den Plan trat. Auch klingt hier bereits die erste Werbung für die Animal Learn Ausbildung an.

Im ersten Kapitel werden die allgemeinen Abgabegründe für Tierheimhunde behandelt, kurz und eher oberflächlich ohne besondere Erkenntnisse die im Gedächtnis haften bleiben würden, huscht die Autorin über dieses Thema hinweg. Dem nächsten Thema nämlich der – ihrer Meinung nach – idealen Unterbringung von Hunden, sowie dem Umgang mit ihnen, widmet die Autorin mehr Raum. Ihre Ausführungen sind durchaus nachvollziehbar und haben viele positive Ansätze, doch bisweilen wirken sie etwas realitätsfremd. Sicher kann man sich seine Idealvorstellungen zu recht legen, man sollte sich jedoch bewusst sein, dass in Zeiten in denen viele Tierheime und Tierschutzvereine auf Grund schwindender Spendenbereitschaft am Rande der Existenz und Finanzierbarkeit balancieren, Aussagen wie „Geld darf keine Rolle spielen und finanzielle Interessen müssen immer dem Wohl des Hundes untergeordnet werden bei Planung und Bewirtschaftung von Heimen“ schlicht utopisch sind. Auch andere Ansichten stoßen etwas sauer auf. So wird bei bestimmten Rassen wie u.a. dem Pitbull, dem Stafford oder auch dem Riesenschnauzer pauschal empfohlen die Rüden zu kastrieren, um die rassetypisch gesteigerte Aggressionsbereitschaft besser zu kontrollieren. Ein unschöner Tiefschlag für alle jene die versuchen über die Mythen des aggressiveren Kampfhundes und der Kastration als Allheilmittel bei Aggression aufzuklären. Leider wird auch die Kastration der Hündin als Garant für ein krebsfreies Leben angepriesen.

Generell fällt einem beim Lesen des Öfteren auf, dass die Autorin ihre eigenen Überzeugungen regelmäßig als unumstößliche Fakten präsentiert und jedes im AL Verlag erschiene Buch aus dem zitiert wird automatisch zur wissenschaftlich belegten Studie mutiert.

Im weiteren Verlauf wird kurz auf verschiedene Verhaltensprobleme, gesundheitliche Themen und mögliche Lösungen und Therapien eingegangen. Ich muss gestehen, dass dieser Teil auch nur wenig im Gedächtnis haften geblieben ist. Festgesetzt hat sich einzig der Tipp, dass man auch Leine und Geschirr in passender Farbe wählen sollte, um die entspannende Wirkung der Farbtherapie auf den Hund zu verstärken.

Leider sind es immer solche Punkte, die aus diesem Buch in Erinnerung bleiben. Auf der Sachebene wird das Meiste eher kurz und sehr oberflächlich angerissen, oftmals nicht einmal thementreu, so wird aus dem Kapitel zur Rückgabe eines vermittelten Hundes am Ende ein längerer Diskurs über den Umgang von Kindern mit Hunden. Deutlich hervorgehoben wird die emotionale Seite. Nach kurzen Themengebieten wie Vermittlungsgespräch, Auswahl des richtigen Hundes, etc. folgen stets sehr ausufernde und emotionale Beispiele in denen leider sehr häufig ein sehr abwertender Tonfall anderen Menschen gegenüber mitschwingt. So kommen immer wieder Seitenhiebe gegen Züchter, andere Hundetrainer und Hundesportler. Aber auch den früheren Besitzern der Hunde aus den Beispielen werden immer wieder niedere Beweggründe untergeschoben. So ist wiederholt von „abschieben“ die Rede, ohne auf Vorgeschichten genauer einzugehen. Ob die Verwandten eines Verstorbenen sich wirklich nur aus Egoismus des hinterbliebenen Hundes entledigt haben? Oder könnte es nicht sein, dass es deren Lebensumstände einfach unter keinen Umständen zuließen, sich verantwortungsvoll um einen Hund zu kümmern? Verständnis für Einzelschicksale oder auch einfach nur eine objektive Herangehensweise an die Geschichten sucht man vergeblich.

Doch auch den Hunden tut das Buch bisweilen einen Bärendienst. Während Tierschützer und Freunde von Tierheimhunden immer wieder betonen, dass es eben auch den unkomplizierten, freundlichen Familienhund im Tierheim gibt, beschleicht einen bei der Lektüre das Gefühl, dass Tierheimhunde zutiefst labile Kreaturen sind, die man nur mit Samthandschuhen anfassen darf. Sicherlich ist ein Tierheimaufenthalt Stress und keine optimale Lebenssituation, doch erscheint mir der beschriebene Seelenzustand der Tiere in diesem Buch etwas überdramatisiert. Sicher gibt es sie, die äußerst anspruchsvollen Tiere, die durch Trauma, Krankheit oder anderen Unwägbarkeiten viel Vertrauensaufbau und Training benötigen. Doch dadurch, dass man diese Gruppe derart stark in den Focus dieses Buches gerückt hat, schreckt man viele Interessenten ab.

Den Abschluss des Buches bilden schließlich zehn Seiten auf denen vorherigen Inhalte nochmals wiederholt werden, als eine Art Lerntafeln, garniert mit etwas Werbung für die AL Ausbildung, Trainer und weitere Produkte aus dem Verlagshaus und dem Onlieshop. Zieht man diese Werbung, die ausladenden Fallbeispiele und die unzähligen Fotos ab, bleibt leider nicht mehr sehr viel gehaltvoller Inhalt übrig. Eine Tatsache die sehr schade ist, da Neumanns Vortrag zum Thema sehr interessant war und viele – auch in der Realität umsetzbare – Anregungen für den Tierheimalltag gab. Etwas das diesem Buch zu ihrem ehemaligen Seminar – in der Zwischenzeit wird dieses von einer anderen Referentin abgehalten – leider nicht gelingen will.

Als nächstes auf der Leseliste: Gabriela Behling: „Frisches Futter für ein langes Hundeleben“

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