Freitag, 4. September 2015

Drama Baby, Drama!


 
 
Eine neue Epidemie grassiert unter den Welpenbesitzern. Sie greift immer mehr um sich, füllt bereits diverse Themen in Hundeforen und wird auch in den sozialen Netzwerken angeregt diskutiert. Doch seltsamerweise wie heftig die Symptome auch ausfallen, allen Welpenbesitzern wird gesagt, dass was sie durchmachen sei vollkommen normal und gesund.

Die Rede ist vom Welpenblues.

Gut möglich, dass man selbst noch nie etwas davon gehört hat und auch ich war reichlich verwirrt, als ich das erste Mal davon las. Von den betroffenen Welpenbesitzern wird eine ganze Charge an Symptomen aufgezählt, beginnend bei Schlaflosigkeit, über Antriebs- und Appetitlosigkeit über Durchfall und Erbrechen, bis zu Existenz- und Versagensängste, begleitet von Heulkrämpfen und Nervenzusammenbrüchen. Nur fürs Protokoll, es geht hier um die Anschaffung eines netten, gesunden und normal geprägten Welpens und nicht einem totkranken Psychowrack vom Vermehrer.

Die Neu-Hundebesitzer erzählen von ihren Ängsten, den psychosomatischen körperlichen Symptomen, die diese Panik und der Stress bei ihnen auslöst und andere sitzen verständnisvoll nickend vor dem Bildschirm und bestätigen eifrig, dass eine solche Reaktion vollkommen normal sei, schließlich sei man unter großem Druck, alles richtig zu machen und da seien solche Reaktionen nichts ungewöhnliches. Immer mehr User stimmen in den Chorus ein, beschwichtigen die Welpenkäufer, sie hätten das ja alle durch und das sei nichts Außergewöhnliches und schon gar nichts, worüber man sich Sorgen machen müsse.

Auch ich erinnere mich noch gut an die Welpenzeit von Mr Ekko und Cardassia und ja, nach der vierten schlaflosen Nacht und dem zweiten Paar zerfetzter Lederreithandschuhe, gab es Momente in denen ich überlegt habe, wieso ich mir das antue und ob es nicht doch einen Versuch wert wäre, die kleine Kröte an den Welpenöhrchen einfach an die nächste Wand zu nageln. Aber depressive Anwandlungen, weil ein kleiner tapsiger Hund nun durch mein Leben läuft, habe ich nie auch nur im Ansatz verspürt.

So etwas habe es auch schon früher gegeben, verkünden die Vertreter des Welpenblues vollmundig. Nur sei es damals gesellschaftlich nicht so akzeptiert gewesen, über solche Dinge zu sprechen. Ich muss gestehen, mich beschleicht eher das Gefühl, dass es früher schlicht nicht üblich war, um Hunde ein solches Gewese zu machen. Früher hat man sich überlegt, wofür man den Hund haben möchte, wo es die passende Rasse gibt und hat sich einen Hund gekauft. Heutzutage machen manche aus dem Leben mit Hund eine Doktorarbeit. Noch bevor man weiß, welche Rasse es überhaupt sein soll, hat der durchschnittliche Welpenblues-Kandidat vierdutzend Ratgeber gelesen, fünf Trainingsmethoden in der Theorie durchprobiert, die Für-und-Wider von sechs verschiedenen Fütterungsmethoden durchdiskutiert und kann das Symptomverzeichnis der Schul- und Alternativmedizin aus dem FF aufsagen.

Schon vor dem Einzug wird der Hund zum überhöhten Wesen, mit dessen Perfektion das eigene Schicksal steht und fällt. Was für andere einfach eine alltägliche Sache ist, wird für diese Leute zum Prüfstein der eigenen Wertigkeit. Ist der Welpe am dritten Tag noch nicht stubenrein, wird an den eigenen Fähigkeiten gezweifelt. Lernt der Knirps nicht in der ersten Woche ordentlich an der Leine zu laufen, stürzt das Selbstbewusstsein ins bodenlose. Also sitzt man heulend vorm PC und holt sich Rat von Gleichgesinnten, die das Alles abnicken und als ganz natürliche Reaktion auf die Veränderung im Leben bezeichnen.

Auch wenn es in der heutigen Zeit schon fast sozial anerkannt ist, Probleme nicht zu behandeln, sondern sich mit ihnen anzufreunden und zum individuellen Lifestyle zu erheben, muss ich an dieser Stelle einfach einmal sagen:

NEIN, ES IST NICHT NORMAL!

Wenn mich eine solch kleine Veränderung wie der Einzug eines gesunden, freundlichen Welpens derart aus der Bahn werfen kann, dann habe ich ein anderes, schwerwiegenderes Problem in meinem Leben, mit dem ich mich auseinandersetzen sollte. Ein Welpe der auf seinem Deckchen einen Kauknochen knabbert, ist kein Grund für Panikattacken und wenn mich die kleinen Konflikte, die der Einzug des Vierbeiners mit sich bringt, in einen derartigen seelischen Abgrund stürzen kann, sollte ich mir – eventuell mit professioneller Hilfe – der Frage stellen, wie ich reagiere, wenn wirklich einschneidende Geschehnisse eintreten. Denn wenn mich schon ein eigentlich freudiges Ereignis an den Rande des Nervenzusammenbruches bringt, was passiert beim Tod eines Familienangehörigen, bei einer Kündigung oder einer schweren Erkrankung?

Der Welpenblues mag in die heutige Zeit passen, zeigt er doch die bisweilen sehr übertriebene Bedeutung, die der Hund im Leben mancher Menschen einnimmt. Als normal sollte man diese psychologische Entwicklung nicht hinnehmen.
 
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.