Samstag, 9. September 2017

Das Spielerfrauen Syndrom




Das Thema „Kritik und Kritiker“ beschäftigte uns ja bereits im Frühsommer einmal. Da sich in letzter Zeit ein neues Phänomen aber immer mehr in den Vordergrund schiebt, möchte ich es hier einmal gesondert ansprechen. Nennen wir es einfach das „Spielerfrau“ Syndrom. Vorweg möchte ich darauf hinweisen, dass der Begriff „Spielerfrau“ keine Aussage über das tatsächliche Geschlecht der betroffenen Person macht.

Jeder kennt sie, die selbst nicht aktiven Anhängsel der Sportler, die dennoch brav bei jedem Training mit zum Platz schlurfen und ausharren, bis alles vorbei ist. Früher beschränkte sich die Tätigkeit der Spielerfrauen auf zwei Bereiche, Knappe oder Kaffeetante. Entweder unterstützte man den aktiven Partner in dem man ihn/sie mit den notwendigen Ausbildungshilfen versorgte und immer die passende Leine, den richtigen Ball und noch ein paar extra Hundekekse einstecken hatte, bei Bedarf die Hürde verstellte, das Bringholz in Position rückte und im Notfall auf den Parkplatz sprintete um etwas Vergessenes aus dem Auto zu holen. Oder man hielt sich aus dem ganzen Treiben raus, bevorzugte einen Platz auf der Sonnenterrasse und plauderte mit Gleichgesinnten über die Kinder, Weltpolitik oder aktuelle sportliche Ereignisse.
Doch in jüngster Zeit, schiebt sich eine weitere Spezies der Spielerfrau in den Focus. Sie wollen nicht mehr nur stummer Zuschauer sein oder fleißiger Helfer, sie wollen den Ton angeben und sich selbst und der ganzen Welt beweisen, dass sie es besser wissen und besser machen könnten. Auf dem Platz treten sie diesen Beweis mit einem eigenen Hund selbstverständlich nicht an. Nein, sie sind Meister der Theorie, sie wissen nicht nur alles, sie wissen alles besser und lassen jeden, der nicht schnell genug das Weite sucht, an ihrem grenzenlosen Wissen teilhaben.
Sie können jedem Zusehe genau erklären, warum sie absolut sicher gewusst haben, dass eine Übung jetzt schiefgehen wird und selbstverständlich können sie den gravierenden Fehler, den der Hundeführer gemacht hat genau benennen. Sie wissen sofort, wie sich jemand anders verhalten hätte sollen, um den Fehler eines Hundes zu reglementieren und natürlich haben sie immer einen nützlichen Tipp für die weitere Ausbildung eines jeden Hundes in Petto.
Dem Hundeführer selbst werden diese Ausführungen jedoch nie zu Ohren kommen und auch die Tipps und Ratschläge werden ihm auf ewig vorenthalten werden. Er könnte ja ein valides Argument dagegen haben. Die Wissensergüsse der Spielerfrau sind einzig und allein für die Zuschauer gedacht. Hier wiederspricht ihr niemand, denn der eigene Lebensgefährte oder die Ehefrau hat ja Ahnung vom Sport und beweist das regelmäßig bei Training und Prüfung, da wird der Partner schon ausreichend Wissen hinter seinen Vorträgen auf der Kaffeeterrasse haben.

Besonders interessante Blüten treibt das Spielerfrauen Syndrom mal wieder im WWW. Hier trifft man die Spielerfrau vorzugsweise in Gruppen und Threads die sich entweder mit ihrer bevorzugten Sportart oder mit „ihrer“ Rasse beschäftigen. Dort im Schutz der beinahe Anonymität laufen die Spielerfrauen zu Hochform auf. Sie mischen bei jeder Diskussion mit und nur das Beste vom Besten ist in ihren Augen gut genug. Da werden dann ganz schnell selbst Hunde seit Jahren beständige Leistungen bringen zu Schmusekätzchen deklariert, die nur gut dressiert ihr Programm abspulen, erfolgreiche Hundeführer werden belächelt und über Richter und Richtweisen möchte man gar nicht erst diskutieren, weil diese ohnehin nur noch den Weichspülkurs fahren. Es werden Fantasieanforderungen an Gebrauchshunde gestellt, die kaum ein echter Hund erfüllen kann und – würde ein Hund sie erfüllen können – kein geistig gesunder Hundeführer einen solchen Hund haben wollen.
Die Spielerfrauen selbst haben natürlich im eigenen Haushalt einen solchen Hund. Härter als Stahl, schärfer als eine Rasierklinge, schneller als ein Formel 1 Auto, ein Griff wie eine Schraubzwinge und aggressiver als eine in die Ecke gedrängte Kanalratte. Nur solche Hunde darf es im Sport geben, alle anderen sind Luschen, die im Arm nichts verloren haben und wenn ein Hund diese Eigenschaften nicht schon mit spätestens 16 Wochen zeigt, ist er reif für die eBay Kleinanzeigen und das Futter im Napf nicht wert. Und selbstverständlich hat auch nur derjenige Ahnung und Können, der so einen Hund beherrschen und führen kann. Macht die Spielerfrau irgendwann den Fehler, so viel über den Hund preis zu geben, dass man ihn bei Working Dog suchen kann, findet man meist einen mittelalten Gebrauchshund mit durchschnittlicher Abstammung, der in den meisten Fällen eine BH/VT als Ausbildungskennzeichen eingetragen hat, in seltenen Fällen auch noch eine IPO I.
Spricht man die Spielerfrau darauf an, sind die Ausreden vielfältig, doch eins haben sie alle gemeinsam: Jemand anderes ist Schuld und die anderen Diskussionspartner haben ja keine Ahnung wie es ist, einen solchen Hund auszubilden und zu führen.
Und so setzen sich unzählige Diskussionen fort in denen die Spielerfrau aktiven hundesportlern die Welt erklären will und voller Inbrunst auf alle hinabblickt, die ihre radikalen Ansichten nicht teilen, bis eines Tages durch Zufall auffliegt, dass sie eigentlich keine Ahnung hat. Früher oder später verplappert sich jede der geltungssüchtigen Damen und so steht der vermeintliche Vollprofi letztlich als der blutige Anfänger da, der sie im Grunde ist.
Hat die Spielerfrau versehentlich enttarnt, dass sie noch nie auch nur eine BH/VT geführt hat und sich ihr Ausbildungskönnen darauf beschränkt, den Hund des sportlich mehr oder weniger aktiven Partners mal Gassi zu führen, wenn dieser keine Zeit hat, verschwindet sie in der Regel sehr schnell und sehr kleinlaut wieder von der Bildfläche und sucht sich eine neue Spielwiese.
Dort beginnt das Spiel von Neuem und die Spielerfrau gibt Tipps und Ratschläge und erklärt allen, wie wenig Ahnung sie doch vom Hundesport und der Zucht haben, bis sie den Bogen wieder überspannt und man ihr erneut auf die Schliche kommt.


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