Die Ferien sind vorbei, auch die letzten Urlauber sind
auf dem Weg nach Hause und viele kommen nicht alleine zurück aus dem Süden. Man
hat sich im Urlaub verliebt, in den struppigen Streuner vom Strand, den armen
vernachlässigten Windhund der zwei Straßen vom Hotel entfernt im Verschlag
gehalten wurde, oder oder…
Manche investieren Geld, lassen den Hund in Pension bei
einer Tierschutzorganisation vor Ort bis die Gültigkeit der Impfungen in Kraft
tritt, andere packen den vierbeinigen Liebling zwischen die Koffer und
schmuggeln ihn – in der Hoffnung nicht kontrolliert zu werden – durch halb
Europa. Doch was unter der Sonne des Südens im Taumel der ersten Verliebtheit
noch wie eine tolle Idee und die Erfüllung aller Träume schien, kann im Alltag
schnell umschlagen.
Natürlich gibt es ein paar Wenige, die sich die
Rettungsaktion des neuen Seelenverwandten vom Straßenrand gut überlegt und mit
allen Konsequenzen durchdacht haben, es gibt die, die einfach Glück haben und
einen gesunden, anspruchslosen und anpassungsfähigen Begleiter bekommen haben
und dann gibt es noch die Anderen…
Die ersten Tage ist man noch im Freudentaumel über den
neuen Mitbewohner, doch dann beginnen die Probleme. Der Hund, der zuvor so
sorglos draußen durch die Straßen streifte, weigert sich plötzlich die Wohnung
zu verlassen, beginnt zu schreien, wenn man ihm ein Geschirr anlegt und schlägt
vor Panik Saltos, um es wieder los zu werden. Hat man es dann doch geschafft,
den Hund ins Freie zu befördern, versucht er sich in jeder Ecke zu verkriechen
und wenn man die Leine nicht wirklich ordentlich festhält, startet er in einer
plötzlichen Angstattacke durch und verschwindet am Horizont.
In den ersten Wochen nach dem Urlaub zieren jedes Jahr
wieder unzählige Suchplakate nach entlaufenen Hunden Bäume, Straßenlaternen und
Internetplattformen. Manche Hunde schaffen es nicht einmal bis ins neue
Zuhause, sondern ergreifen bereits bei einer kurzen Rast am Autobahnparkplatz
die Flucht. Glücklich kann sich von ihnen schätzen, wer es lebend von der
Autobahn wegschafft. Andere fliehen in Panik beim ersten Gassigang oder türmen
einfach aus dem Garten, weil ein Zaun für sie nie ein besonderes Hindernis war
in ihrem bisherigen Leben. Manche dieser Hunde tauchen wieder auf, entweder lebend
in einem Tierheim oder tot im Straßengraben, manche bleiben verschwunden.
Doch auch wenn der neue Besitzer die Leine festhält und
das Geschirr nicht verrutscht, ist das neue Leben mit der Sommerliebe nicht so
rosig, wie man sich das gedacht hatte. Der neue Begleiter ist nicht stubenrein,
alleine bleiben kann er auch nicht und ist das in den restlichen Urlaubstagen
nur eine Unannehmlichkeit an der man noch arbeiten möchte, wird es zu einem
ernsthaften Problem sobald die Kinder wieder in der Schule oder man selbst in
der Arbeit ist. Möbel, Böden und Türen leiden ebenso wie die Nerven der
Nachbarn.
Wirklich fressen will der neue Hund auch nicht. Egal was
man in den Napf füllt, es wird misstrauisch beäugt, kurz angeleckt und stehen
gelassen. Mensch ist verwirrt, denn eigentlich sollte der Gerettete, der doch
vorher fast verhungert wäre, sich auf den vollen Napf stürzen und sich im
siebten Himmel fühlen. Doch der Hund verweigert alles was im dargeboten wird.
Draußen frisst er jeden Müll den er neben der Hauptstraße findet, ist er allein
zu Hause plündert er den Müll und frisst ihn samt Plastiktüte. Weil irgendwann
auch noch Durchfall dazu kommt und man sich langsam wirklich Sorge um die Gesundheit
seiner Sommerliebe zu machen beginnt, besucht man den Tierarzt. Und zur eigenen
Bestürzung wird man dort nicht für sein Engagement und seine Tierliebe gelobt,
sondern erhält erstmal einen verbalen Einlauf für die illegale Einfuhr und die
Drohung einer Anzeige sollte man sich nochmals zu solchem Unsinn hinreißen lassen.
Darum reagiert man auch etwas ungehalten, wenn der Tierarzt zu einem großen
Check inklusive Mittelmeerkrankheiten rät, man möchte sich ja nicht abzocken
lassen. Also nur schnell allgemeine Untersuchung, Zähne anschauen, Kotprobe
nehmen. Hier fallen zum ersten Mal die Worte „nicht vorhandene Futterprägung“
und „Stress“ als Ursachen für die Probleme.
Unter ersterem kann man sich nicht wirklich etwas
vorstellen und zweiteres schmettert man ab, immerhin war das Leben auf der
Straße und der tägliche Überlebenskampf viel mehr Stress als das gemütliche
Leben in der Stadtwohnung mit den schönen Runden durch den Park, die man nach
zwei Wochen auch schon fast ohne Kreischen beim Anlegen des Geschirrs tragen
kann.
Also nimmt man die Sommerliebe wieder mit nach Hause,
wartet auf die Ergebnisse und kauft noch ein weiteres Futter, diesmal mit
mediterranen Kräutern, vielleicht mag der Südländer ja das fressen.
Zwei Tage später kommt dann der Anruf vom Tierarzt, die
Kotprobe führt ein gewaltiges Eigenleben. Die Nerven liegen langsam blank.
Nicht nur dass man den wurmdurchsetzten Kot gerade mal wieder aus dem
Kinderzimmer wischt und sich die Nachbarn mal wieder beschwert und mit dem
Vermieter gedroht haben, weil der Hund ständig heult, war man ohnehin kurz
davor wieder beim Tierarzt anzurufen. Als man mit dem Hund einen kleinen
Ausflug machen wollte, ist das Treffen mit zwei anderen Hunden nicht so
gelaufen wie erwünscht, die überschäumend freundliche Annäherung des eigenen
Hundes wurde brutal abgeschmettert und nun humpelt der Liebling.
Wieder in der Tierklinik bekommt man als erstes eine Tüte
mit Medikamenten gegen Einzeller, Würmer und sonstige Parasiten, die sich im
Darm tummeln, dann geht es ab auf den Röntgentisch. Eine frische Verletzung ist
nicht zu sehen, dafür eine alte. Irgendeinen Zwischenfall schien es schon
einmal gegeben zu haben, zumindest sieht die Hüfte nicht normal aus und die
Arthrose wächst bereits kräftig. Behandlung nur konventionell möglich, der Hund
wird damit leben müssen. Schonung, Medikamente, Physiotherapie zum
Muskelaufbau, keine großen sportlichen Unternehmungen und die Treppen bis hoch
in die Wohnung sind tägliches Gift. Und wieder der Rat zur Sicherheit auf die
gängigen Mittelmeerkrankheiten testen zu lassen.
Erneut lehnt man ab, nimmt die Medikamente mit nach
Hause, behandelt Durchfall und Schmerzen und versucht sich daran zu erinnern,
wie schön es doch zu Beginn war, als man sich am Strand verliebte, den neuen
Freund mit Brotresten aus dem Restaurant gefüttert hat und beschloss, dass er
sein Leben mit einem verbringen soll.
In der Zwischenzeit ist ein halbes Jahr vergangen. Die erste
Abmahnung vom Vermieter ist ins Haus geflattert, zusammen mit der Rechnung für
die wöchentliche Sitzung bei der Tierphysiotherapie und die Schmerzmedikamente
und auch die Abbuchung für die Trainer Einzelstunden vom Konto kam gerade. Der
Hund hat immer noch nicht gelernt ohne Terror alleine zu bleiben, deshalb soll
nun bald ein Tiersitter her, der sich um ihn kümmert. In der Hundetagesstätte
weigert man ihn sich aufzunehmen, so lange er die großen nässenden Ekzeme auf
den Beinen hat, die sich vor ein paar Monaten gebildet haben. Der Tierarzt hat
mehrere Tests durchgeführt und mal wieder davon gesprochen, dass es vom Stress
kommt, Leckekzeme. Die Kinder haben das Interesse am Hund längst verloren, die
Freundschaft zwischen Nachwuchs und Vierbeiner war vorbei als er zum
widerholten mal auf ihre Sachen uriniert und das Spielzeug zerbissen hatte. Gassigehen
können sie mit dem Hund auch nicht, weil immer noch die Gefahr besteht, dass er
sich bei einem unerwarteten Geräusch losreißt und davonläuft.
Und langsam merkt man, dass die Liebe, die unter
südlicher Sonne doch so heiß gelodert hat, im gemeinsamen Alltag schneller
abkühlt als man gedacht hatte und eines Tages liegen dann zwei Dinge auf dem
Küchentisch… Die Tageszeitung mit Anzeigen für Häuser in ruhiger Lage und die
Telefonnummer des Tierheimes. Manch einer wird den Kampf um seine sommerliebe aufrechterhalten
und sein ganzes Leben und das seiner Familie auf die Bedürfnisse des neuen
Gefährten runterbrechen und manch einer wird die Trennung durchziehen, denn nicht
jede Sommerliebe hält länger als bis zum ersten Winter.
P.S. Da mir bewusst ist, dass sich gleich wieder ein Mob finden würde, der von Schwarzmalerei reden wird, die Geschichte ist eins zu eins so passiert. Die Entscheidung der Dame möchte ich jedoch offenlassen. Da kann sich jeder seine eigene „richtige“ Version denken.