Du hast dir also einen Hund ins Haus geholt, hoffst nun
auf eine schöne Zeit mit deinem neuen besten Freund und neuen Bekanntschaften,
tollen Unterhaltungen und spannenden, sachlichen Diskussionen in der großen
Hundehalter Community, zu der du jetzt ja auch gehörst?
Ich muss euch leider herb enttäuschen. In dem Moment in
dem ihr eine Leine in die Hand genommen habt, habt ihr euch mitten in ein heißes
Krisengebiet begeben in dem Bürgerkrieg herrscht. Und nicht irgendein
Bürgerkrieg, nein einer der schlimmsten Sorte, nämlich ein Glaubenskrieg.
Ladies und Gentlemen, willkommen auf dem Schlachtfeld, auf dem ihr als Hundehalter
ab sofort täglich leben werdet.
Nein, ich mache keine Witze. Hundehalter sind in der Masse
vieles, tolerant gegenüber Andersdenkenden sind sie nicht. Da stehen sie in
etwa auf derselben Stufe, wie die christlichen Missionare im Mittelalter und
machen getreu dem Erlass Nummer 8 aus der Capitulatio de partibus Saxoniae „Sterben
soll, wer Heide bleiben will“ Jagd auf jene, die ihren Glauben zum Thema Hund
nicht teilen will.
Wer dies nicht glauben will, soll die Tage einmal einfach
die Sozialen Medien bemühen. Heute ist Silvester und überall werden von
Trainern und Tierärzten in allen möglichen Medien die unterschiedlichsten Tipps
gegeben, wie man den ängstlichen Hund sicher durch die letzte und erste Nacht
des Jahres bringen kann.
Und auch die Anhänger der einzelnen Denkungsrichtungen
haben Stellung bezogen. Doch nicht um ihre Erfahrungen mit Gleichgesinnten zu
teilen. Nein, sie sind hier, um ihren Glauben mit Axt, Schwert und Feuer zu
verteidigen, ihn den Ungläubigen aufzuzwingen und all jene zu brandmarken und
zu vertreiben, die nicht zu ihnen gehören und sich nicht bekehren lassen
wollen. Die eine Glaubensgruppierung schwört auf Alkohol und jeder, der das
ablehnt, hat keine Ahnung. Die nächste Gruppe bezichtigt die erste, ihre Hunde
zu vergiften und preist die Wirksamkeit von Bachblüten an. Die nächste
Fraktion, will die Bachblütenfans für Scharlatanerie aufs Rad flechten, die
Alkoholverfütterer mit einem neuen Prohibitionsgesetz in den Kerker werfen
lassen und preist die Segnungen der modernen Wissenschaft und die Wirksamkeit
von verschreibungspflichtigen Medikamenten an. Zwischendrin tummeln sich die
Anhänger der uralten Glaubensrichtung und predigen, dass diese ganze neumoderne
Hysterie doch Humbug sei, man den ganzen Blödsinn lassen und sich einen
Exorzisten für die eigene zerstörte Seele suchen soll.
Und bevor jemand fragt, nein, das geht nicht nur bei der
Frage nach der Angst des Hundes zu Silvester so. Der Glaubenskrieg unter
Hundehaltern tobt in allen Belangen rund um die geliebten Vierbeiner.
Das geht los bei der Anschaffung. Egal ob vom Züchter,
vom Hobbyvermehrer, aus dem deutschen Tierheim, dem Auslandstierschutz, vom
Bauern im nächsten Dorf oder aus den Kleinanzeigen, du wirst immer jemanden
finden, der dich dafür, wo du deinen Hund gekauft hast, verurteilt, dir die
Pest an die Hals wünscht, einen Platz im tiefsten Kreis der Hölle für dich
bucht, deine unsterbliche Seele dorthin verflucht und dir sagt, dass so jemand
wie du nicht einmal eine Zimmerpflanze besitzen darf.
Richtig blutig wird der Krieg bei Themen wie Futter und
Ausbildung. Auf diese Gespräche sollte man sich erst einlassen, wenn man
bereits Erfahrung im Nahkampf gesammelt und einen gut ausgestatteten
Verbandskasten bei sich hat. Denn auf diesen Hauptschauplätzen des großen
Kriegs werden nur selten Gefangene gemacht. Du fütterst Fertigfutter?
Erdenmörder, Tierquäler! Du fütterst roh, aber ohne wissenschaftlich
verifizierten, maschinell erstellten und wöchentlich bezahlten Futterplan?
Blasphemie, wie kannst du dir nur anmaßen, selbst etwas zu wissen? Du fütterst
ein Markenfutter, das nicht biologisch in Deutschland aus Insekten, die von
Windschutzscheiben gesammelt und mit Mehl aus handgepflücktem Bio Hafer, der
nur bei Neumond geerntet wurde, hergestellt ist? Du vergiftest dein Tier und
bist alleinig schuld an Klimawandel und dem Artensterben, du Monster!
Über die Erziehung, Ausbildung und Auslastung will ich
eigentlich gar nicht reden. Aber lass dir gesagt sein, lieber Neuhundehalter,
egal ob du mit deinem Hund einfach nur Gassi gehen willst oder zweimal in die
Woche zum Training für Sport und Spaß gehst, du bist ein seelenloses Monster,
dem PeTA nachts den Hund zu seiner Rettung entführen sollte und gehörst für
deine Verbrechen an der Kreatur Hund geteert und gefedert und zur Abschreckung
für alle auf dem Dorfplatz zur Schau gestellt.
In genau 9,5 Stunden beginnt das neue Jahr.
Was ich mir für 2020 wünsche? Dass in die Reihen der
Hundehalter wieder etwas mehr Toleranz einkehrt. Dass die Leute wieder beginnen
zu begreifen, dass anders nicht gleich falsch oder böse bedeutet. Wieder mehr
Miteinander statt Gegeneinander, mehr Verständnis, Rücksicht und auch mehr
Selbstreflexion.
Die Gesellschaft ist nicht immer ein friedlicher Ort für
Hundehalter. Vorurteile, Verbote und Sanktionen kommen auch so schon von allen
Seiten auf uns zu. Deshalb bliebe zu hoffen, dass die Hundehalter zumindest
untereinander ihre Grabenkämpfe beilegen könnten.
Doch leider wird das wohl auch im kommenden Jahr nur
ein schöner Traum bleiben, in der realen wie in der virtuellen Welt und es wird
auch in Zukunft für Neuhundebesitzer heißen: „Hier ist ihr neuer Hund, herzlich
willkommen im Krieg.“
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