Es ist jetzt fast zwei Jahre her, dass die große
Aufklärungswelle rund um das Thema „DCM beim Dobermann“ startete, Zeit sich
einmal umzublicken und ein kleines Resümee zu ziehen.
Es begann im März 2013 mit dem DCM Film. Ich stehe dazu, dass ich dem Film bis heute zwiegespalten gegenüberstehe. Mir war
die große Geheimniskrämerei die im Vorfeld betrieben wurde, suspekt und auch
das Grundgerüst des Films gefällt mir bis heute nicht wirklich. Die
Gegenüberstellung von Züchter A als dem rücksichtslosen, schlechten Züchter auf
der einen Seite und Züchter B als positives Beispiel der voller
Verantwortungsbewusstsein der desolaten Lage trotzt, stößt mir immer noch auf.
Zumal die angeprangerte Züchterin nie die Möglichkeit bekam ihre Version der
Ereignisse und die Hintergründe einer derart großen Zuschauerschaft zu
präsentieren, wie es der Film mit den Anklagen gegen sie getan hat.
Sei es drum, mit dieser Meinung stand ich relativ alleine
da – ich denke nur Freunde und Familie der an den Pranger gestellten Züchterin
teilten sie vermutlich – und der Film wurde als großer Durchbruch in der DCM
Aufklärung gefeiert. Es folgten Interviews mit anerkannten Kardiologen, Flyer,
Homepages, der Aufruf zu einem Forschungsprojekt an der Uni Hannover, eine Petition und ein
weiterer Film. Das Thema breitete sich über die sozialen Netzwerke aus und
erreichte erstmals auch die Dobermannhalter jenseits der sehr begrenzten Welt
des Rasseforums. Das Thema erreichte zwar die oberen Ränge der Zuchtvereine
immer noch nicht, doch im Internet war es beim Thema Dobermann allgegenwärtig.
Die Frage nach der Herzuntersuchung und den Eltern eines Hundes wurde bei jeder
virtuellen Unterhaltung rund um den Dobermann schon fast obligatorisch. Heute
ist es beinahe nicht mehr möglich irgendetwas rund um den Dobermann zu
veröffentlichen, ohne dass das Thema DCM von irgendeiner Seite angesprochen
wird.
Einerseits eine sehr positive Entwicklung, einfach weil
der Alltag zeigt, dass Rasseinteressenten und sogar Erstzüchter immer noch viel
zu wenig Ahnung vom Ausmaß dieser Krankheit haben. Doch langsam zeigte sich
auch die Kehrseite der Medaille. Der Ton wurde immer rauer. Die Aufklärung
wandelte sich schleichend an vielen Stellen immer mehr zur Zwangsbelehrung und
die Geduld mit Unwissenden oder gar Andersdenkenden schwindet bis heute rapide.
Stand früher augenscheinlich die Aufklärung im Vordergrund, beschleicht einen
immer mehr das Gefühl, dass es heute mehr darum geht, einzelne Würfe und ganze
Zuchtstätten an den Pranger zu stellen. Die Wortwahl ist dabei sehr oft
deutlich unter der Gürtellinie und man merkt sehr schnell, dass es nicht nur
darum geht, potentielle Welpenkäufer auf Fehler hinzuweisen. Es geht darum sich
Luft zu machen. Viele Halter dort draußen sind wütend, wütend über den Verlust
ihres Hundes, wütend über das Leid, dass sie erdulden mussten und sie sind nun
fest entschlossen, diese Wut an jenen auszulassen, die ihrer Meinung nach gegen
das Wohl der Rasse verstoßen auszulassen. Dabei ist es egal, ob es einen
Züchter, einen Deckrüdenbesitzer oder einfach nur einen anderen
Dobermannliebhaber trifft, der das Pech hatte, gerade anderer Meinung zu sein.
Es gibt wenige Züchter, die noch Gnade in den Augen der
Aufklärer finden. Ein Schema nach dem man feststellen kann, wer in den
erlesenen Kreis aufgenommen wird, ist dabei nicht zu erkennen. Bizarrer Weise
scheinen gerade die Züchter, die durch sehr sorgsame Auswahl der Verbindungen
und lückenlose Untersuchungen auffallen, besonders in der Schusslinie zu
stehen. Jede Wurfankündigung wird unter die Lupe genommen und meist öffentlich
auf Facebook zerfleischt. Es beschleicht einen bisweilen der Eindruck, dass
manche der Personen erwarten, dass die Züchter wirklich um ihren Segen zur Wahl
des Deckpartners fragen. Mäßigende oder kritische Stimmen sind nicht erwünscht.
Wer es wagt, einzuschreiten, das Vorgehen zu kritisieren oder gar Partei für
einen angegriffenen Züchter zu ergreifen, hat sehr schnell den ganzen wütenden
Mob gegen sich. Nach der verbalen Dresche erfolgt in der Regel die Sperre und
der Block für Thema und Gruppe, denn Quertreiber, die das Projekt gefährden
könnten, sind nicht erwünscht.
Doch auch intern ist es mit dem Frieden längst vorbei.
Freund und Feind zu unterscheiden ist nicht mehr so einfach wie noch vor zwei
Jahren. Die Bündnisse wechseln schneller, als manch einer mitlesen kann. Wer
gestern noch zusammenmit spitzer Feder gegen die DCM Leugner ins Feld zog ist
sich heute spinnefeind und wer gestern noch Verbrüderung gefeiert hat, ist
bereits zerstritten bevor die Tinte auf dem Kooperationsvertrag getrocknet ist.
Die Revolution frisst ihre Kinder und man hat den Eindruck, dass der DV recht
daran tut, das Thema einfach zu ignorieren. Wenn der hauptverein noch ein
halbes Jahr durchhält ohne auf die Thematik zu reagieren, dürfte die
Aufklärungswelle von alleine abebben, weil sich die Protagonisten letztlich
gegenseitig zerfleischt haben.
Mir ist vollauf bewusst, dass ich hier gerade in einem
Minenfeld tanze und mir das Ganze um die Ohren fliegen wird, die kommenden
Tage. Die Empörung wird groß sein und viele werden ihr Luft machen und das
nicht immer auf die höflichste Arts und Weise. Dennoch ist es mir ein großes
Anliegen, dieses Problem anzusprechen. Die Thematik ist zu wichtig, als dass
man zusehen könnte, wie sie durch zwischenmenschliches Gezicke und verletzte
Eitelkeiten der Lächerlichkeit preisgegeben wird.
Der Dialog zu den Züchtern wird kaum noch gesucht,
sondern man ergeht sich in einem Schwall aus polemischen Angriffen und
Unterstellungen. Wundert sich aber im gleichen Atemzug darüber, dass sich die
Attackierten immer weiter zurückziehen und nicht mehr gewillt sind sich den
virtuellen Angriffswellen Tag für Tag entgegen zu stellen. Jede Woche ist ein
neuer Züchter an der Reihe um zerrissen zu werden. Wer das Pech hat einen
kranken Hund gezüchtet zu haben – und bei der heutigen Lage der Rasse ist das
so gut wie jeder Züchter – und nicht augenblicklich so zu reagieren, wie es
sich die online Inquisition gerade vorstellt, wird öffentlich zerfleischt.
Dabei ist es vollkommen egal, dass der gleiche Züchter noch vor kurzer Zeit von
denselben Menschen in den Himmel gelobt wurde. Wer sich der Aufklärungswelle in
den Weg stellt, wird gnadenlos in ihr ersäuft. Ein Privatleben ist nicht mehr
gestattet, denn wenn man die Unverschämtheit besitzt, ein paar Stunden am Tag
nicht online zu sein, um sofort jedem Rede und Antwort zu stehen, hat man etwas
zu verbergen, versucht etwas zu vertuschen oder läuft vor der Verantwortung
davon.
Auch normale Dobermannfreunde die es wagen Kritik zu
äußern, finden keine Gnade vor den Rettern der Rasse. Besonders auffällig wird
dies, wenn man die Retter auf ihre Rettungspläne anspricht. Die Ideen gehen von
einem neuen Zuchtverein, egal ob in der FCI oder außerhalb, der Kreation
eines Designerdogs Dobermann bis hin zur Rückzüchtung des Dobermannes aus
seinen (vermuteten) Ausgangsrassen. Möchte man die Schwachstellen dieser Pläne
und deren genaue Ausführung hinterfragen, merkt man sehr schnell, dass diese Ideen
nicht weiter als bis zur Formulierung des Vorhabens durchdacht sind.
Aussprechen sollte man diese Entdeckung jedoch nicht laut, denn dies gleicht
einem Stich ins Wespennest. Sofort stürzen sich wütende Aufklärer auf einen und
posaunen groß und aggressiv in die Welt hinaus, dass sie wenigstens etwas
ändern möchten. Hat dann nochmal jemand die Unverschämtheit, sie an die Realität zu
erinnern und anzumerken, dass ihre Pläne an selbiger meilenweit vorbeigehen,
kommt am Ende das Totschlagargument mit dem jede Diskussion abgewürgt wird:
DU kannst eigentlich gar nicht mitreden. DU hattest noch
nie einen DCM kranken Hund. DU kannst das nicht verstehen.
Es stimmt. Der Kelch ist bisher an mir vorbei gegangen
und ich hoffe auch weiterhin, dass meine Dobermänner die Statistik nicht lesen
können und auch Dobermann drei und Dobermann vier, der irgendwann einziehen
wird, ihr Leben lang DCM frei bleiben werden. Doch selbst wenn mich das Glück
eines Tages verlassen sollte, denke ich nicht, dass ich derartige Rettungspläne
als realistisch wahrnehmen könnte.
Gerüchten zu folge läuft die Spendenkampagne für den dritten DCM
Film, die Aufklärungswelle schwappt mit aller Gewalt weiter durch das Internet
und die internen Querelen toben weiter. Immer mehr Leute die zu Beginn Feuer und
Flamme waren, wurden verheizt oder sind ausgebrannt und haben sich distanziert,
die meisten Züchter wurden verprellt.
Quo Vadis DCM Aufklärung? Wohin geht die Fahrt, wohin die
Reise? Ich glaube, ich möchte es in diesem Moment nicht wirklich wissen, denn
ich habe das Gefühl, dass eine ursprünglich gute Idee dabei ist, in den Wellen
die sie selbst geschlagen hat zu ertrinken. Noch im Juni 2014 hatte ich
verkündet, dass ich die Nase voll habe von der Rasse, dass ich mich aus dem
ganzen Geschehen zurückziehen und zu einem anderen Hund wechseln werde. In den
darauffolgenden Monaten wurde mir klar, es ist nicht der Dobermann von dem ich
genug habe, sondern es ist der aggressive Umgangston unter den angeblichen
Rasseliebhabern, der mich in die Flucht getrieben hat. Dem Dobermann werde ich
treu bleiben und meinen Teil beitragen. Sei es durch die Bereitstellung meiner
gesunden Hündin für die Zucht, dem stetigen Dialog mit Züchtern und natürlich
auch der weiteren objektiven Aufklärung auf unemotionaler Ebene.