Samstag, 5. September 2015

Die Erben der Enigma




Arbeitszeugnisse haben einen eigenen nicht mehr ganz so geheimen Code, diese Tatsache ist hinlänglich bekannt. Gleiches gilt für Immobilienanzeigen und Hotelbeschreibungen in Reisekatalogen. Doch auch in der Hundewelt treiben sich die Erben der Enigma herum und tarnen die Inhalte ihrer Verkaufsanzeigen in kunstvollen Verschlüsselungen.

Darum lasst uns einen kleinen Ausflug in die Welt der Hundeverkaufs- und Vermittlungsanzeigen machen und mit Staunen die wahre Bedeutung hinter den Worten decodieren.

Anzeigentext:

Sehr triebstarker und selbstbewusster Charakterrüde mit hervorragendem Spiel- und Beutetrieb sucht neuen Wirkungskreis bei erfahrenem Hundesportler. In B und C vorgearbeitet. Kennt Kinder. Im Rudel sehr dominant.

Übersetzung:

Hysterischer Balljunkie, der alles jagt was nicht bei drei auf dem Baum ist, sucht jemanden der sich einbildet eine Arschkrampe wäre der richtige Sporthund. Der Rüde hat in erster Linie schlechte Charaktereigenschaften und wenig Interesse an der Zusammenarbeit mit dem Hundeführer. Wenn man Spielzeug in der Hand hat, sollte man in seiner Nähe aufpassen, wenn man alle Finger behalten will.

Wir haben ihn mal mit auf dem Hundeplatz gehabt, haben ihn an der Leine neben uns her gezerrt und unser Figurant hat mal versucht ihm die Beißwurst wegzunehmen, aber keiner hatte so richtig Lust sich mit dem unsympathischen Vieh zu beschäftigen.

Ab und an Laufen draußen auf der Straße mal Kinder vorbei, die sieht er von seinem Zwinger aus und bislang hat er noch nicht versucht herauszuklettern und sie zu zerfleischen.

Unverbesserlicher Raufer, den man lieber nicht zu anderen Hunden lassen sollte.

Anzeigentext:

Rarität! Wunderschöne typvolle  Frenschi Welpen in Sonderfarben abzugeben! Unsere Special Edition ist auf der Suche nach passenden Familien, die das Extravagante zu schätzen wissen. Fünf wundervolle Welpen in Sonderlackierung sind ab xx.xx.xxxx abgabebereit. Bei Auszug mit Welpenpaket und Papieren.

Übersetzung:

Alle hergesehen, wir versuchen hier mit ein paar sinnfreien Schlagworten Werbung zu betreiben und hoffen, damit ein paar uninformierte Trottel zu finden, die glauben mit irgendwelchem sinnlosen SchnickSchnack ihre Minderwertigkeitskomplexe zu bekämpfen.

Wir haben irgendwo gelesen, dass diese Rasse gerade modern ist, aber wir wissen nicht, wie sie richtig heißt und es ist uns auch egal. Reinrassig sind die Hunde sowie so nicht, denn die neue Farbe fällt ja nun nicht über Nacht vom Himmel. Aber ist egal, sie sehen halbwegs so aus, wie die Hunde die man unter dem Namen in der Google Bildersuche findet.

Wenn ihr sie abholt gibt es auch ein paar schöne bunte Probepackungen von einigen Futteranbietern dazu, die wir gratis abgestaubt haben. Ein 50 Cent Spielzeug Made in Taiwan aus dem Restpostenmarkt unten an der Hauptstraße und einen Impfpass haben sie auch noch mit.

Anzeigentext:

Rasselmops die gesunde Alternative! Ideal für alle, die einen fröhlichen und intelligenten Begleiter wollen! Beide Eltern können besichtig werden. Vater hat Papiere. Eltern gesund!

Übersetzung:

Mischlingswelpen aus eigener Produktion zu überteuerten Preisen, denn immerhin haben wir uns die Mühe gemacht, aus den Rassenamen der Elterntiere – bei denen wir von einem nicht einmal wissen, wie es richtig heißt – ganz lustig und kreativ eine neue Rassebezeichnung für unsere Welpen zu erfinden. Wir haben keine Ahnung, zu was diese Mischung gut sein soll, aber die Schlagworte ziehen ja fast immer, wenn jemand einen Hund in der Größe sucht. Es war nicht der erste Wurf und wird auch nicht der letzte gewesen sein und wirklich Gedanken über Genetik und so, haben wir uns auch nicht gemacht, Wir haben halt zwei Hunde, da gibt es eben regelmäßig Nachwuchs. Der Rüde hat Papiere, die Mutter und die Welpen selbstverständlich nicht. Die Eltern wurden schon mal geimpft und vom Tierarzt abgehört bevor wir die Wurmtabletten bekommen haben, dem ist damals nichts aufgefallen, dass die Hunde krank wären.

Anzeigentext:

Familienhund abzugeben. Leider haben wir nihct mehr genug Zeit für unsere Libling. Deshalb suchen wir neuen Platz für unser Welpe. Vater war Goldenretriver Mutter Bordercolli. Ist lib auch zu Kinder, fast stubenrein und sehr verschmusst. 10 wochen alt. Preis: Ausgaben ersetzen

Übersetzung:

Wir haben uns vor zwei Wochen im Nachbarort aus einer Laune heraus irgendeinen Welpen geholt, ohne so richtig zu wissen, welche Rassen da beteiligt waren, auch wenn der Verkäufer es irgendwie erwähnt hat und dummerweise hat sich jetzt herausgestellt, dass man sich ja auch irgendwie darum kümmern muss, weil das Vieh sonst in die Wohnung pinkelt. Auch wenn er schon recht lange durchhält, wenn man ihn ins Badezimmer sperrt.

Die Kinder haben ihn eine zeitlang rumgeschleppt, aber die haben jetzt auch schon das Interesse verloren und jetzt macht das Vieh die ganze Zeit in die Wohnung. Wir interessieren uns nicht mehr für den Hund, eigentlich haben wir nicht einmal Lust, diese Anzeige zu schreiben, aber von alleine verschwindet der Hund ja auch nicht. Wir haben kaum was dafür bezahlt, aber der Hund hat hier Futter bekommen, wir haben ein Halsband gekauft und die Schuhe die er kaputt gebissen müssen ebenso ersetzt werden wie der Badezimmerteppich, der jetzt nach Urin stinkt und das Geld darf der nächste Besitzer schön rausrücken.

Anzeigentext:

Mini-Schäfi- Hündin geboren 04/15 Die kleine X hat noch nicht viel Gutes erlebt und sucht nun einen Menschen der ihr zeigt wie schön das Leben sein kann. Sie ist sehr sanft und zurückhaltend und sucht geduldige Hundeliebhaber. Die Zeit drängt, X sitzt noch in Y, Tötungstermin ist bereits anberaumt.

Übersetzung:

Kleiner brauner Mischling mit Stehohren und halblangem Fell bei dem wir keine Ahnung haben, welche Rassen mitgemischt haben, aber Schäfi klingt süß und darunter kann sich jeder was vorstellen. Wir wissen auch nicht wann der Hund geboren wurde und was er erlebt hat, aber jung und gequält zieht immer. Der Hund hat Angst vor alles und jedem, da er aber nicht aggressiv reagiert, kann man das ja auch nett umschreiben und es wird ja auch jemand gesucht, der seinen ganzen Alltag um die Panikattacken des Hundes organisiert. Kennenlernen könnt ihr den Hund nicht, wenn ihr ihn wollt, bringen wir ihn direkt zu euch. Damit ihr nicht lange überlegt haben wir noch den Tötungstermin dazu geschrieben, denn sonst sucht ihr euch vielleicht doch noch einen anderen Hund.

Anzeigentext:

Hallo Frau/Mann, schon Hund, klein Familie kauf Kredit. Tibetan Dackel Puppi. Für Baunhof auf Hus. Sehr schon und sonders!

Übersetzung:

Ok ich gestehe, bei Manchem bin auch ich mit meinem Latein am Ende....
 
 
Und falls sich jemand fragt.... nein, diese Texte sind nicht frei erfunden sondern standen in dieser Form (inklusive der kreativen Rechtschreibung) in den Ebay-Kleinanzeigen und Verkaufs-/Vermittlungsgruppen auf Facebook.

Freitag, 4. September 2015

Drama Baby, Drama!


 
 
Eine neue Epidemie grassiert unter den Welpenbesitzern. Sie greift immer mehr um sich, füllt bereits diverse Themen in Hundeforen und wird auch in den sozialen Netzwerken angeregt diskutiert. Doch seltsamerweise wie heftig die Symptome auch ausfallen, allen Welpenbesitzern wird gesagt, dass was sie durchmachen sei vollkommen normal und gesund.

Die Rede ist vom Welpenblues.

Gut möglich, dass man selbst noch nie etwas davon gehört hat und auch ich war reichlich verwirrt, als ich das erste Mal davon las. Von den betroffenen Welpenbesitzern wird eine ganze Charge an Symptomen aufgezählt, beginnend bei Schlaflosigkeit, über Antriebs- und Appetitlosigkeit über Durchfall und Erbrechen, bis zu Existenz- und Versagensängste, begleitet von Heulkrämpfen und Nervenzusammenbrüchen. Nur fürs Protokoll, es geht hier um die Anschaffung eines netten, gesunden und normal geprägten Welpens und nicht einem totkranken Psychowrack vom Vermehrer.

Die Neu-Hundebesitzer erzählen von ihren Ängsten, den psychosomatischen körperlichen Symptomen, die diese Panik und der Stress bei ihnen auslöst und andere sitzen verständnisvoll nickend vor dem Bildschirm und bestätigen eifrig, dass eine solche Reaktion vollkommen normal sei, schließlich sei man unter großem Druck, alles richtig zu machen und da seien solche Reaktionen nichts ungewöhnliches. Immer mehr User stimmen in den Chorus ein, beschwichtigen die Welpenkäufer, sie hätten das ja alle durch und das sei nichts Außergewöhnliches und schon gar nichts, worüber man sich Sorgen machen müsse.

Auch ich erinnere mich noch gut an die Welpenzeit von Mr Ekko und Cardassia und ja, nach der vierten schlaflosen Nacht und dem zweiten Paar zerfetzter Lederreithandschuhe, gab es Momente in denen ich überlegt habe, wieso ich mir das antue und ob es nicht doch einen Versuch wert wäre, die kleine Kröte an den Welpenöhrchen einfach an die nächste Wand zu nageln. Aber depressive Anwandlungen, weil ein kleiner tapsiger Hund nun durch mein Leben läuft, habe ich nie auch nur im Ansatz verspürt.

So etwas habe es auch schon früher gegeben, verkünden die Vertreter des Welpenblues vollmundig. Nur sei es damals gesellschaftlich nicht so akzeptiert gewesen, über solche Dinge zu sprechen. Ich muss gestehen, mich beschleicht eher das Gefühl, dass es früher schlicht nicht üblich war, um Hunde ein solches Gewese zu machen. Früher hat man sich überlegt, wofür man den Hund haben möchte, wo es die passende Rasse gibt und hat sich einen Hund gekauft. Heutzutage machen manche aus dem Leben mit Hund eine Doktorarbeit. Noch bevor man weiß, welche Rasse es überhaupt sein soll, hat der durchschnittliche Welpenblues-Kandidat vierdutzend Ratgeber gelesen, fünf Trainingsmethoden in der Theorie durchprobiert, die Für-und-Wider von sechs verschiedenen Fütterungsmethoden durchdiskutiert und kann das Symptomverzeichnis der Schul- und Alternativmedizin aus dem FF aufsagen.

Schon vor dem Einzug wird der Hund zum überhöhten Wesen, mit dessen Perfektion das eigene Schicksal steht und fällt. Was für andere einfach eine alltägliche Sache ist, wird für diese Leute zum Prüfstein der eigenen Wertigkeit. Ist der Welpe am dritten Tag noch nicht stubenrein, wird an den eigenen Fähigkeiten gezweifelt. Lernt der Knirps nicht in der ersten Woche ordentlich an der Leine zu laufen, stürzt das Selbstbewusstsein ins bodenlose. Also sitzt man heulend vorm PC und holt sich Rat von Gleichgesinnten, die das Alles abnicken und als ganz natürliche Reaktion auf die Veränderung im Leben bezeichnen.

Auch wenn es in der heutigen Zeit schon fast sozial anerkannt ist, Probleme nicht zu behandeln, sondern sich mit ihnen anzufreunden und zum individuellen Lifestyle zu erheben, muss ich an dieser Stelle einfach einmal sagen:

NEIN, ES IST NICHT NORMAL!

Wenn mich eine solch kleine Veränderung wie der Einzug eines gesunden, freundlichen Welpens derart aus der Bahn werfen kann, dann habe ich ein anderes, schwerwiegenderes Problem in meinem Leben, mit dem ich mich auseinandersetzen sollte. Ein Welpe der auf seinem Deckchen einen Kauknochen knabbert, ist kein Grund für Panikattacken und wenn mich die kleinen Konflikte, die der Einzug des Vierbeiners mit sich bringt, in einen derartigen seelischen Abgrund stürzen kann, sollte ich mir – eventuell mit professioneller Hilfe – der Frage stellen, wie ich reagiere, wenn wirklich einschneidende Geschehnisse eintreten. Denn wenn mich schon ein eigentlich freudiges Ereignis an den Rande des Nervenzusammenbruches bringt, was passiert beim Tod eines Familienangehörigen, bei einer Kündigung oder einer schweren Erkrankung?

Der Welpenblues mag in die heutige Zeit passen, zeigt er doch die bisweilen sehr übertriebene Bedeutung, die der Hund im Leben mancher Menschen einnimmt. Als normal sollte man diese psychologische Entwicklung nicht hinnehmen.
 
 

Donnerstag, 3. September 2015

Der gebrauchte Gebrauchshund


 
Zu verkaufen: Opel Zafira Baujahr 2005, Laufleistung 90500km, nur an erfahrene Autofahrer, da das Fahrzeug ein Gaspedal und vier Reifen besitzt.

 
Ja so schaue ich auch immer drein, wenn ich die Anzeigen für dringend abzugebende Gebrauchshunde oder Gebrauchshunde im Tierheim, lese. Unverständlicherweise haben diese Exemplare sehr zur Überraschung der Vorbesitzer Schutztrieb, Jagdtrieb, kein Interesse am allgemeinen Hundekugeln auf der Gassiwiese und der Sonntagsnachmittagsbummel durch die Fußgängerzone wurde auch von dem seltsamen Hundevieh torpediert. Vor einem solch schwierigen Hund muss man nachfolgende Besitzer schon explizit warnen, denn normal ist so ein Verhalten ja nicht…

Ich sehe mich um, in diversen Internetportalen der Tierheime, den online Kleinanzeigenmärkten und den einschlägigen Gruppen in Facebook und komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Der Markt ist voll von gebrauchten Gebrauchshunden – meist ohne Papiere – die im Alter zwischen 18 Monaten und drei Jahren dringend ein neues Zuhause suchen. Dabei ist es nicht der böse Sportler, der sein Sportgerät hier austauscht, es ist die Familie von nebenan, die so schnell wie nur irgend möglich ihren Familienhund an den Mann bringen will.

Der Gebrauchshund für den Familien- und Hausgebrauch ist gerade schick. Jeder der Mittwochs 5km Joggen geht, am Samstag ein bisschen in den Bergen wandert und alle paar Wochen eine Radtour unternimmt ist plötzlich der Meinung, dass nur DSH, Malinois, Dobermann und Co mit diesem ausufernden Sportprogramm mithalten können. Damit man sich von der Masse abhebt, muss es am Liebsten auch noch ein besonderes Exemplar sein, egal ob der blaue Königsdobermann oder der darkline Malinois nur das Ausgefallenste aus den Kleinanzeigen ist gut genug. Beim seriösen Züchter bekommt man diese exotischen Exemplare nicht, deshalb führt der Weg über die Kleinanzeigen zum freundlichen Hobby- und Profivermehrer von nebenan. Selbst jene, die sich mit einem normalen Rassevertreter zufrieden geben, finden nur selten den Weg zum seriösen FCI-Züchter, denn immerhin will man schließlich einen Familienhund und keine Welpen die deren Eltern dadurch ausgesucht werden, wie gut sie Menschen auf dem Hundeplatz beißen können. Denn es hält sich immer noch hartnäckig das Gerücht, dass es ausreicht arbeitsunfähige Gebrauchshunde zu verpaaren, um taugliche Familienbegleithunde zu erhalten.

Nur als kleiner Hinweis…. Wenn man am Formel 1 Boliden den Heckspoiler abschraubt, taugt er nicht mehr für die Grand Prix Strecke, er wird dadurch aber auch nicht zum familientauglichen Minivan. Ähnlich verhält es sich beim Gebrauchshund.

Aber daran denkt man an diesem Punkt nicht. Man sucht sich einen Welpen aus, garantiert familientauglich wie der Verkäufer versichert und nimmt ihn mit nach Hause. Die meisten Käufer freuen sich noch darüber, wie viel sie im Vergleich zum Kauf beim überteuerten Profi Züchter doch gespart haben. Wenn man Glück hat, überlebt der Welpe auch die ersten Wochen und hat nicht auf Grund seiner zweifelhaften Herkunft eine ausgewachsene Parvovirose Infektion mit ihm Gepäck. Doch auch ohne Viren und Parasiten beginnt für viele mit ihrem vermeintlichen Familienhund bereits nach wenigen Tagen die Hölle. Je nach Abstammung können DSH, Mali und Co bereits im Alter von wenigen Wochen eigensinnige, spitzzahnige Monster sein, die nicht unbedingt die geeignetsten Spielkameraden für ein 5jähriges Kind sind, vor allem nicht wenn die Eltern wenig Erfahrung im Umgang mit diesem Typ Hund haben. Bereits in dieser frühen Phase finden viele der zukünftigen Familienhunde ihren Weg zurück in die Kleinanzeigenportale, wo sie „umständehalber“ dringend eine neue Familie suchen oder direkt im nächsten Tierheim landen.

Andere Besitzer halten länger durch und erleben die Entwicklung ihres Familienhundes mit. Sie sind da, wenn ihre Jungspunde den ihnen im Blut liegenden Beutetrieb entdecken und versuchen ihn zu befriedigen, egal ob das nun durch die Jagd auf Nachbars Katze oder den Ball der spielenden Kinder geschieht. Etwa zur selben Zeit beginnen die Hunde damit, territoriale Ansprüche zu erheben und Besucher am und im eigenen Haus sind plötzlich nicht mehr willkommen. Wer Glück hat, hat an dieser Stelle noch einen gesunden, wesensfesten Junghund, dem einfach nur die richtige Erziehung und Führung fehlen. Hat man Pech, hat die mangelnde Selektion auf die Wesensmerkmale und Leistungen der Gebrauchsrassen einen unsicheren, wesensschwachen Hund hervorgebracht, der im schlimmsten Fall auch noch mit Erbkrankheiten zu kämpfen hat.

An diesem Punkt gibt die nächste Welle auf. Zu riskant erscheint das Leben mit einem Hund der nicht kontrollierbar auf die Jagd geht und sich aggressiv gegen Menschen verhält. Hier finden sich dann die ersten Anzeigen und Vermittlungstexten in denen nach „Rassekennern und Sportlern“ gesucht wird und die Empörung ist groß, wenn das Interesse dieser Gruppen an einem unerzogenen, meist nicht untersuchtem Hund ohne gesicherte Abstammung gering ist.

Für alle andere führt der Weg zum Problemhundetrainer. Die wenigen, glücklichen Hundehalter werden einen Trainer finden, der sie darüber aufklärt, welche Art Hund sie an der Leine haben und was diese Rassen benötigen, um ein zufriedenes und unauffälliges Leben führen zu können. Hat der Hund dann auch noch besonders viel Glück, sind seine Halter bereit und fähig dies auch im Alltag umzusetzen. Für alle anderen beginnt ein Leben in dem sie von einem Hundetrainer zum Nächsten tingeln, dutzende Methoden und Modelle kennen lernen und ein Hundeleben lang Unsummen darauf verwenden gegen Probleme anzutrainieren und zu managen, die man nicht hätte, wäre man sich auch nur im Grundsatz über die Bedürfnisse und den Charakter der Rasse bewusst, die man an der Leine führt.

Manche Hundehalter sind standhaft und halten Training und Management durch, andere geben an irgendeinem Punkt der Strecke schließlich entnervt oder auch aus Angst auf. Für diese Hunde wird dann der Rassekenner gesucht, idealerweise Sportler um den Hund richtig auszulasten oder noch besser Diensthundeführer, denn Mali Rüde Fips hat ja bereits drei Mal Besuchern in die Beine gehackt. Ein wirkliches Happy-End gibt es für die wenigsten dieser Hunde. In den meisten Fällen findet sich früher oder später ein Tierfreund, der die nächste Runde aus Hundeschule und Management einläutet und versucht den Familiengebrauchshund irgendwie in sein Leben zu integrieren. Bei manchen kann es klappen, doch viele werden früher oder später die Grenzen der Leidensfähigkeit ihrer neuen Besitzer erreichen, wieder zurück ins Tierheim gehen und dort weiter warten, ob nicht doch eines Tages der erfahrene Sportler dort auftaucht, um dem 7jährigen ängstlichen DSH mit den kaputten Ellbogen doch endlich zur Gebrauchshundkarriere zu verhelfen.

Mir ist bewusst, dass nun gleich ein dutzend Hände in die Höhe schießen werden, um darauf aufmerksam zu machen, dass sie mindestens einen Gebrauchshund kennen, der ganz ohne alle Auslastung und Erziehung ein glückliches und zufriedenes Leben führen kann. Ja es gibt sie, die Gebrauchshunde die keine Ansprüche stellen, sich beim Welpenkauf darauf zu verlassen, dass man eines dieser Exemplare erwischt, ist leichtgläubig und führt meist zu den oben beschriebenen Problemen.

Natürlich können auch Mali, DSH, Dobermann und Co unauffällig in einer Familie leben und die meisten Rasseangehörigen tun dies auch. Allerdings unter der Bedingung, dass sich die Besitzer der Besonderheiten dieser Rassen bewusst sind und diese Hunde an erste Stelle das leben lassen, was sie sind. Wer sein Zuhause mit Mali, DSH und Co teilen möchte, sollte sich immer bewusst sein, dass diese Hunde Ansprüche haben und es entgegen aller Werbeversprechen den pflegeleichten Begleiter in Gebrauchshundoptik nicht gibt. Wer in seinem Leben keinen Platz für einen anspruchsvollen Hund mit schnellen Reflexen, ausgeprägten Jagd- und Schutztrieb hat und nicht gewillt ist, mit seinem Vierbeiner regelmäßig zu arbeiten, sollte sich einer anderen Rassegruppe zu wenden.