Kritik war schon immer eine heikle Sache, gerade in so
hochemotionalen Bereichen wie den Themen rund um den Hund, glich es auch schon
früher einem Ausdruckstanz rund um die Fettnäpfchen, jemanden konstruktive
Kritik vermitteln zu wollen. Doch in jüngster Zeit scheint dieses Problem einen
Wachstumsbeschleuniger zu sich genommen zu haben. Nicht nur die mangelnde
Kritikfähigkeit der Menschen wächst ins Unendliche, auch die Zahl derer, die
noch fähig sind, vernünftige und fundierte Kritik zu äußern, befindet sich im
freien Fall.
Sieht man sich etwas um, findet man sie überall, jene
Leute die meinen Beschimpfungen unter der Gürtellinie und persönliche Angriffe
in schlechtem Deutsch wären das Herzstück einer anständigen Kritik. Dabei
spielt es keine Rolle, ob man sich in Facebookgruppen, Internetforen oder den
Kommentaren unter den Artikeln in den online Portalen der Tageszeitungen
umsieht. In der vermeintlichen Anonymität des Netzes, vergisst man gern alles,
was man an guten Manieren von Zuhause mitbekommen hat und haut richtig auf den
Putz. Argumente braucht man nicht, es reicht vollständig aus, das Gewicht des
Gegenübers zu verhöhnen, auf seine Mutter zu schimpfen oder ihn generell mit
den aktuell angesagten Schimpfwörtern zu betiteln. Hält der Beleidigte dagegen,
sinkt das Niveau der „Kritik“ in der Regel deutlich unter den
Grundwasserspiegel bis jemand regulierend eingreift und den „Kritiker“ ermahnt
und seine Beiträge löscht.
In der Regel sind solche Leute jedoch genau so wenig
lernfähig, wie sie im Stande sind, eine vernünftige Meinung geschweige denn
eine Kritik zu formulieren. Daher wird sich der Gemaßregelte nicht
entschuldigen und seine Wortwahl überdenken, sondern fröhlich gegen Moderator
und/oder Administrator wettern, bis er entweder gesperrt wird oder sich von
selbst zurückzieht, weil man unter solchen Voraussetzungen ja nicht vernünftig
diskutieren könne, wenn man ständig in seiner Meinung zensiert wird.
Auch verstehen viele nicht, wann Kritik angebracht ist
und wann man einfach einmal die Klappe halten sollte. Tausendmal gesehen und
tausendmal den Kopf in Unverständnis geschüttelt: Jemand postet ein einfaches
Foto seines Hundes, vielleicht um sich vorzustellen, vielleicht um einfach nur
zu zeigen, was man an diesem Nachmittag mit seinem Hund unternommen hat und
schon läuft die Kritikerfront auf Hochtouren. Der Hund trägt ein
Gliederhalsband, wie kann man nur, die sollten verboten werden, wieso darf so
ein elender Tierquäler einen Hund besitzen… Der Hund sieht unterernährt aus,
welchen billigen Müll füttert man denn, da muss unbedingt vernünftiges Futter
gekauft werden, man sollte den Tierschutz verständigen… Der Hund steht komisch,
wieso war man nicht schon längst beim Tierarzt um ihn röntgen zu lassen, der
hat bestimmt HD oder schlimmeres, wie kann man nur so nachlässig sein…
Wer es wagt, darauf hinzuweisen, dass solche Kommentare
und Anschuldigungen vielleicht doch etwas über das Ziel hinausschießt, öffnet
die Falltür für den Absturz des Niveaus und die Beleidigungen gehen los. Diese
Dauermeckerer sind lästig und vor allem kennt man ganz genau die Trigger auf
die sie anspringen. Jemand muss nur das richtige Stichwort nennen oder ein
entsprechendes Bild veröffentlichen, schon kann man die Sekunden zählen, bis
diese selbsternannten Kritiker auftauchen und bei einem harmlosen Bild namens
„Unser Sonntagsspaziergang“ ein wahres Höllenfeuer über den Erstellern
entfachen.
Doch auch Kritikfähigkeit ist nicht jedem gegeben, nicht
einmal dann, wenn er explizit danach fragt. Ich möchte nicht falsch verstanden
werden, wer auf die oben genannten Varianten ungehalten reagiert, zählt für
mich nicht in die Kategorie „nicht kritikfähig“, sondern hat nur keine Lust
sich beleidigen oder ungefragt bevormunden zu lassen. Nur leider wird immer
öfter auch auf sachliche und fundierte Kritik sehr verbissen und beleidigt
reagiert.
Meine persönliche Lieblingsreaktion auf berechtigte
Kritik ist hierbei das meist sehr patzig vorgetragene „Mach es erstmal besser“.
Gerne benutzt von Leuten, die einen Namen haben, oder zumindest der Meinung sind,
sie wären jemand besonderes. An dieser Stelle sei allen Profis und Möchtegern
Profis gesagt: Man muss nicht auf fünf WMs geführt haben, um sagen zu dürfen,
dass einem kein Bauer mehr seine Wiese zum Fährten zur Verfügung stellen wird,
wenn man beim Fährtenaufbau nach XY nur Flurschäden hinterlässt und man muss
nicht mit drei Hunden auf der BSP gewesen sein, um zu erkennen, dass der Hund
hörbar gegen die Meterhürde schlägt und vor der langen Flucht kläffend im
Halsband hängt und nur deshalb keinen Frühstart hinlegt, weil der Hundeführer
in gut festhält. Leider glauben viele Leute, die etwas erreicht haben – und sei
es nur eine Dorf IPO I – dass sie über die Kritik des gemeinen Pöbels erhaben
seien. Manche lassen sich selbst offensichtliche Fehler nur von bestimmten
Personen aufzeigen, andere sind bereits derart abgehoben, dass niemand es mehr
wagen darf, ein Wort gegen sie und ihre Arbeit zu sagen. Wer es trotzdem wagt,
am letzten Video des großen Meisters zu bemängeln, dass der Hund die halbe
Unterordnung auf drei Beinen humpelt, muss sich auf eine schnippische Antwort
des Meisters und auf ein paar böse Kommentare seiner Fanboys gefasst machen.
Eine andere gern genommene Variante, wenn man an einer konstruktiven
Kritik kein Interesse hat und das Gegenüber nur möglichst schnell mundtot
machen will, ist die Antwort „Du bist doch nur neidisch“. Eine Aussage, die den
Kritiker in eine Lage bringt, aus der es keinen vernünftigen Ausweg mehr gibt.
Denn egal was er jetzt vorbringt, ob er leugnet oder nicht, der Neidvorwurf
lässt sich in den wenigsten Fällen einfach wieder abschütteln. Einmal
ausgesprochen ist dies das Totschlagargument für jede Diskussion. Natürlich erkennt
man in einigen Situationen sehr schnell, dass sich der Kritisierte nur aus der
Situation ziehen möchte. Wenn der Hund wie dumm das Bringholz rollt, dass die
Späne nur so fliegen und dann auf Trainingstipps, wie man etwas mehr Ruhe
reinbringen könnte, die Aussage kommt, man sei nur neidisch auf den Trieb des
Hundes, durchschaut auch der Dümmste meist, dass sich da nur jemand rausreden
will.
Kniffliger wird es da schon in anderen Bereichen. Ein
klassisches Beispiel ist hier der unbekannte Rüde, der nie besondere Erfolge zu
verzeichnen hatte und auch keine außergewöhnlichen Leistungen oder sonstige Anlagen
mitbringt, aber im näheren Umfeld fröhlich decken darf, weil er einen namhaften
Vater hat. Hier Kritik zu üben, ob es besonders klug ist, bei jeder Deckanfrage
ja zu sagen, egal wie eng die Verpaarung von der Linie her wird, die Hündin
mehr schlecht als recht ausgebildet ist oder die Gesundheitsuntersuchungsergebnisse
gerade noch so im tolerierbaren Bereich sind, ist sehr heikel. An diesem Punkt
wird sofort die Neidkarte ausgespielt. Jeder der hier wagt Kritik zu üben, tut
dies rein aus Missgunst, weil man dem Besitzer den erfolgreichen Deckrüden
nicht gönnt und dessen Klasse einfach nicht sehen will.
Generell scheint die Paranoia immer mehr um sich zu
greifen unter den Hundehaltern. Denn immer Wenigeren kommt auch nur der
Gedanke, dass ihnen die Kritiker helfen möchten. Mit Hilfe von konstruktiver
Kritik Fehler aufarbeiten und sich dadurch weiterentwickeln, scheint aus der
Mode gekommen zu sein. Immer mehr sind schon bei der leisesten Kritik der
festen Überzeugung man wolle sie persönlich fertigmachen, ihren Ruf in den
Dreck ziehen und ihren Hund schlechtreden. Selbstreflexion und eine objektive
Betrachtung des eigenen Handelns kann man nur noch selten erwarten.
Jeder, der nicht jeden einzelnen Schritt und jede
einzelne Handlung frenetisch bejubelt, ist der Feind, der einen nur scheitern
sehen will. Es ist traurig, dass solche Leute nicht mehr sehen können, dass es
vielmehr die unkritischen Jubelbuben sind, die einen blindlings ins Verderben
laufen lassen, weil man sich immer tiefer in seinen eigenen Fehlern verstrickt.
Doch die Dauerberieselung mit Lobeshymnen, egal welchen Mist man gerade treibt,
sind schmeichelhaft fürs eigene Ego und wenn am Ende dann doch der erhoffte
Erfolg dauerhaft ausbleibt, kann man immer noch auf den Figuranten schimpfen,
der den Hund in der Prüfung schlecht ausschauen ließ, weil er neidisch auf
dessen Potential war und auf der Fährte über den Richter schimpfen, der ja auch
keine Ahnung hat, weil er nie auf der FH WM gestartet ist.