Freitag, 24. Juni 2016

Kritik, Neid und Paranoia





Kritik war schon immer eine heikle Sache, gerade in so hochemotionalen Bereichen wie den Themen rund um den Hund, glich es auch schon früher einem Ausdruckstanz rund um die Fettnäpfchen, jemanden konstruktive Kritik vermitteln zu wollen. Doch in jüngster Zeit scheint dieses Problem einen Wachstumsbeschleuniger zu sich genommen zu haben. Nicht nur die mangelnde Kritikfähigkeit der Menschen wächst ins Unendliche, auch die Zahl derer, die noch fähig sind, vernünftige und fundierte Kritik zu äußern, befindet sich im freien Fall.

Sieht man sich etwas um, findet man sie überall, jene Leute die meinen Beschimpfungen unter der Gürtellinie und persönliche Angriffe in schlechtem Deutsch wären das Herzstück einer anständigen Kritik. Dabei spielt es keine Rolle, ob man sich in Facebookgruppen, Internetforen oder den Kommentaren unter den Artikeln in den online Portalen der Tageszeitungen umsieht. In der vermeintlichen Anonymität des Netzes, vergisst man gern alles, was man an guten Manieren von Zuhause mitbekommen hat und haut richtig auf den Putz. Argumente braucht man nicht, es reicht vollständig aus, das Gewicht des Gegenübers zu verhöhnen, auf seine Mutter zu schimpfen oder ihn generell mit den aktuell angesagten Schimpfwörtern zu betiteln. Hält der Beleidigte dagegen, sinkt das Niveau der „Kritik“ in der Regel deutlich unter den Grundwasserspiegel bis jemand regulierend eingreift und den „Kritiker“ ermahnt und seine Beiträge löscht.
In der Regel sind solche Leute jedoch genau so wenig lernfähig, wie sie im Stande sind, eine vernünftige Meinung geschweige denn eine Kritik zu formulieren. Daher wird sich der Gemaßregelte nicht entschuldigen und seine Wortwahl überdenken, sondern fröhlich gegen Moderator und/oder Administrator wettern, bis er entweder gesperrt wird oder sich von selbst zurückzieht, weil man unter solchen Voraussetzungen ja nicht vernünftig diskutieren könne, wenn man ständig in seiner Meinung zensiert wird.

Auch verstehen viele nicht, wann Kritik angebracht ist und wann man einfach einmal die Klappe halten sollte. Tausendmal gesehen und tausendmal den Kopf in Unverständnis geschüttelt: Jemand postet ein einfaches Foto seines Hundes, vielleicht um sich vorzustellen, vielleicht um einfach nur zu zeigen, was man an diesem Nachmittag mit seinem Hund unternommen hat und schon läuft die Kritikerfront auf Hochtouren. Der Hund trägt ein Gliederhalsband, wie kann man nur, die sollten verboten werden, wieso darf so ein elender Tierquäler einen Hund besitzen… Der Hund sieht unterernährt aus, welchen billigen Müll füttert man denn, da muss unbedingt vernünftiges Futter gekauft werden, man sollte den Tierschutz verständigen… Der Hund steht komisch, wieso war man nicht schon längst beim Tierarzt um ihn röntgen zu lassen, der hat bestimmt HD oder schlimmeres, wie kann man nur so nachlässig sein…
Wer es wagt, darauf hinzuweisen, dass solche Kommentare und Anschuldigungen vielleicht doch etwas über das Ziel hinausschießt, öffnet die Falltür für den Absturz des Niveaus und die Beleidigungen gehen los. Diese Dauermeckerer sind lästig und vor allem kennt man ganz genau die Trigger auf die sie anspringen. Jemand muss nur das richtige Stichwort nennen oder ein entsprechendes Bild veröffentlichen, schon kann man die Sekunden zählen, bis diese selbsternannten Kritiker auftauchen und bei einem harmlosen Bild namens „Unser Sonntagsspaziergang“ ein wahres Höllenfeuer über den Erstellern entfachen.

Doch auch Kritikfähigkeit ist nicht jedem gegeben, nicht einmal dann, wenn er explizit danach fragt. Ich möchte nicht falsch verstanden werden, wer auf die oben genannten Varianten ungehalten reagiert, zählt für mich nicht in die Kategorie „nicht kritikfähig“, sondern hat nur keine Lust sich beleidigen oder ungefragt bevormunden zu lassen. Nur leider wird immer öfter auch auf sachliche und fundierte Kritik sehr verbissen und beleidigt reagiert.
Meine persönliche Lieblingsreaktion auf berechtigte Kritik ist hierbei das meist sehr patzig vorgetragene „Mach es erstmal besser“. Gerne benutzt von Leuten, die einen Namen haben, oder zumindest der Meinung sind, sie wären jemand besonderes. An dieser Stelle sei allen Profis und Möchtegern Profis gesagt: Man muss nicht auf fünf WMs geführt haben, um sagen zu dürfen, dass einem kein Bauer mehr seine Wiese zum Fährten zur Verfügung stellen wird, wenn man beim Fährtenaufbau nach XY nur Flurschäden hinterlässt und man muss nicht mit drei Hunden auf der BSP gewesen sein, um zu erkennen, dass der Hund hörbar gegen die Meterhürde schlägt und vor der langen Flucht kläffend im Halsband hängt und nur deshalb keinen Frühstart hinlegt, weil der Hundeführer in gut festhält. Leider glauben viele Leute, die etwas erreicht haben – und sei es nur eine Dorf IPO I – dass sie über die Kritik des gemeinen Pöbels erhaben seien. Manche lassen sich selbst offensichtliche Fehler nur von bestimmten Personen aufzeigen, andere sind bereits derart abgehoben, dass niemand es mehr wagen darf, ein Wort gegen sie und ihre Arbeit zu sagen. Wer es trotzdem wagt, am letzten Video des großen Meisters zu bemängeln, dass der Hund die halbe Unterordnung auf drei Beinen humpelt, muss sich auf eine schnippische Antwort des Meisters und auf ein paar böse Kommentare seiner Fanboys gefasst machen.

Eine andere gern genommene Variante, wenn man an einer konstruktiven Kritik kein Interesse hat und das Gegenüber nur möglichst schnell mundtot machen will, ist die Antwort „Du bist doch nur neidisch“. Eine Aussage, die den Kritiker in eine Lage bringt, aus der es keinen vernünftigen Ausweg mehr gibt. Denn egal was er jetzt vorbringt, ob er leugnet oder nicht, der Neidvorwurf lässt sich in den wenigsten Fällen einfach wieder abschütteln. Einmal ausgesprochen ist dies das Totschlagargument für jede Diskussion. Natürlich erkennt man in einigen Situationen sehr schnell, dass sich der Kritisierte nur aus der Situation ziehen möchte. Wenn der Hund wie dumm das Bringholz rollt, dass die Späne nur so fliegen und dann auf Trainingstipps, wie man etwas mehr Ruhe reinbringen könnte, die Aussage kommt, man sei nur neidisch auf den Trieb des Hundes, durchschaut auch der Dümmste meist, dass sich da nur jemand rausreden will.
Kniffliger wird es da schon in anderen Bereichen. Ein klassisches Beispiel ist hier der unbekannte Rüde, der nie besondere Erfolge zu verzeichnen hatte und auch keine außergewöhnlichen Leistungen oder sonstige Anlagen mitbringt, aber im näheren Umfeld fröhlich decken darf, weil er einen namhaften Vater hat. Hier Kritik zu üben, ob es besonders klug ist, bei jeder Deckanfrage ja zu sagen, egal wie eng die Verpaarung von der Linie her wird, die Hündin mehr schlecht als recht ausgebildet ist oder die Gesundheitsuntersuchungsergebnisse gerade noch so im tolerierbaren Bereich sind, ist sehr heikel. An diesem Punkt wird sofort die Neidkarte ausgespielt. Jeder der hier wagt Kritik zu üben, tut dies rein aus Missgunst, weil man dem Besitzer den erfolgreichen Deckrüden nicht gönnt und dessen Klasse einfach nicht sehen will.

Generell scheint die Paranoia immer mehr um sich zu greifen unter den Hundehaltern. Denn immer Wenigeren kommt auch nur der Gedanke, dass ihnen die Kritiker helfen möchten. Mit Hilfe von konstruktiver Kritik Fehler aufarbeiten und sich dadurch weiterentwickeln, scheint aus der Mode gekommen zu sein. Immer mehr sind schon bei der leisesten Kritik der festen Überzeugung man wolle sie persönlich fertigmachen, ihren Ruf in den Dreck ziehen und ihren Hund schlechtreden. Selbstreflexion und eine objektive Betrachtung des eigenen Handelns kann man nur noch selten erwarten.
Jeder, der nicht jeden einzelnen Schritt und jede einzelne Handlung frenetisch bejubelt, ist der Feind, der einen nur scheitern sehen will. Es ist traurig, dass solche Leute nicht mehr sehen können, dass es vielmehr die unkritischen Jubelbuben sind, die einen blindlings ins Verderben laufen lassen, weil man sich immer tiefer in seinen eigenen Fehlern verstrickt. Doch die Dauerberieselung mit Lobeshymnen, egal welchen Mist man gerade treibt, sind schmeichelhaft fürs eigene Ego und wenn am Ende dann doch der erhoffte Erfolg dauerhaft ausbleibt, kann man immer noch auf den Figuranten schimpfen, der den Hund in der Prüfung schlecht ausschauen ließ, weil er neidisch auf dessen Potential war und auf der Fährte über den Richter schimpfen, der ja auch keine Ahnung hat, weil er nie auf der FH WM gestartet ist.


Mittwoch, 15. Juni 2016

Nina Miodragovic - So denkt ihr Hund mit



Unser 13. Buch

Das Buch von Nina Miodragovic wird gerne empfohlen, wenn interessierte Hundehalter etwas an der Unterordnung des Hundes ändern wollen. Wenn die Freude fehlt oder sich Fehler eingeschlichen haben, soll der „neue“ Weg der Autorin eine passable Lösung bieten. Gerade bei einigen „nur positiv“ Leuten aus dem Obedience Bereich hat man, wenn sie über das Buch sprechen, bisweilen fast den Eindruck, es sei ihre Heilige Schrift. Immerhin verspricht der Untertitel einen „neuen Weg zu Freude und Präzision im Hundesport“.

Der neue Weg zum freudig mitarbeitenden Sporthund führt in diesem Buch ausschließlich über die Arbeit mit dem Clicker. Der Beginn beschreibt die grundlegende Philosophie der Autorin und bietet eine kleine Einführung in die Grundlagen der Lerntheorie. Dieser kleine Exkurs gerät jedoch etwas verwirrend, weil nicht die wissenschaftlich festgelegte Terminologie für das operante Konditionieren durchgängig genutzt wird, sondern die Begriffe positiv und negativ auf dem Lernweg in ihrem ethisch-moralischen Sinn von gut und schlecht verwendet werden. Ob es ein Übersetzungsfehler ist oder mal wieder die mangelnde Kenntnis der korrekten Verwendung der Begriffe dahintersteht, möchte ich an dieser Stelle nicht beurteilen.

Die Autorin betont bei jeder Gelegenheit, dass nur der freiwillig arbeitende Hund eine zuverlässige, konstante und vor allem stets freudige Arbeit leisten wird. Um dies zu erreichen geht sie jedoch einen sehr extremen Weg und schränkt die Ausbildungsmittel stark ein. So wird ausschließlich mittels Futter und Clicker über das Shapen des Verhaltens gearbeitet. Den Hunden mithilfe des Futters in die gewünschte Position zu helfen, lehnt sie ab.
Ebenso wird wiederholt darauf hingewiesen, dass die Belohnung mittels Spiel kontraproduktiv sei und sogar bereits erreichte Lernziele durch Spielen gelöscht werden. Eine Grundlage für diese Aussage oder eine wissenschaftliche Quelle hierfür nennt die Autorin jedoch nicht. Die Angabe, dass auch das körperliche Lob durch Streicheln dem Hund bei der Arbeit generell zuwider ist und deshalb unterbleiben muss, begründet sie aus den Beobachtungen die sie an ihren eigenen Hunden gemacht hat. Ob diese Abneigung von Körperkontakt bei der Arbeit jedoch pauschalisiert werden kann, bleibt fraglich, ebenso wie ihre sehr eigene Meinung zur Ausbildung über Spielzeug.

Sehr positiv ist zu erwähnen, dass Miodragovic darauf hinweist, dass solche Arbeit mit dem Hund Geduld und Zeit brauchen und man viel mit Gefühl vorgehen muss, um eine Überforderung und ein zu hohes Stresslevel beim Hund zu vermeiden. Jedoch fällt sehr negativ auf, dass es neben dem Clicker Aufbau über Futter keinen Plan B gibt, für Tiere die sich nicht über Futter motivieren lassen. Die Autorin rät hier ausschließlich dazu, die Wertigkeit des Futters zu steigern – von einfachem Trockenfutter bis hin zu Wurst oder gekochtem Herz. Zeigt dies keinen Erfolg, rät sie nicht dazu, andere Belohnungswege zu testen, sondern erklärt solche Hunde für zu diesem Zeitpunkt nicht weiter trainierbar. Eine Aussage die für Hilfesuchende an dieser Stelle höchst frustrierend ist.

„So denkt ihr Hund mit“ ist ein durchaus gut lesbares Buch mit manch wertvollem Tipp, jedoch nur für absolute Clickerfans zu empfehlen. Wer sich über Alternativen im Training informieren möchte oder nicht wirklich gut und/oder gern mit dem Clicker arbeitet, wird von dem Buch sehr enttäuscht werden und nur wenig Verwendbares für den eigenen Trainingsaufbau finden, weil Miodragovic sich und ihre Leser in der Auswahl der Trainingsmittel in diesem Buch extrem einschränkt.

Als nächstes auf der Leseliste
Beate Zimmermann – „Schilddrüse und Verhalten"