Es gibt so Sätze, bei denen steigt der Puls einfach unwillkürlich und man ballt die Faust in der Tasche, während man sich bemüht, ein möglichst neutrales Gesicht zu machen und die Beherrschung nicht zu verlieren, um danach noch ein klärendes Gespräch mit sachlichen Argumenten führen zu können. Im Alltag, beim Spazierengehen sind es die Klassiker „Der tut nix“ und natürlich „der will nur spielen“, auch immer wieder schön „der muss doch auch mal Hund sein dürfen“ und wenn es dann daneben geht, der Dauerbrenner „das hat er ja noch nie gemacht“.
Im Training und Hundesport trifft man auf inhaltlich andere Aussagen, aber auch hier gibt es den ein oder anderen Satz, der beim Gegenüber augenblicklich Hypertonie auslöst. Der Satz mag bei jedem nach persönlichem Geschmack variieren, beim absoluter Blutdruckpusher ist „Das muss er können!“
Ein Satz, der immer fällt, wenn etwas schief geht. Wenn der Hund ein Problem bei einem Kommando, einer exakten Ausführung oder der Konzentration hat. Irgendetwas funktioniert nicht so, wie der Hundeführer es gern hätte, man versucht es zwei-, dreimal, manch einer auch öfter und wenn man dann nachfragt, ob der Hund die Übung bereits beherrscht, ob er das Kommando überhaupt schon gelernt hat, dann kommt, sehr häufig in leicht patzigem Tonfall, die Aussage „Das muss er können!“.
Bohrt man dann etwas weiter nach, stellt sich schnell heraus, dass es für diese Erwartung keine Basis gibt. Man hat es nie aufgebaut, man hat es nie trainiert, aber weil man da auch nicht wirklich Lust dazu hat, soll der Hund das jetzt, da man es verlangt, auch können. Ist ja nichts dabei. Zumindest in der Vorstellung des Hundeführers.
Doch unsere Hunde sind keine Maschinen und sie können auch nicht Gedanken lesen. Gerade bei jungen Hunden, die Übungen zwar bereits gelernt, aber noch nicht generalisiert haben, trifft man sehr oft auf verständnislose Hundeführer. Was zuhause ohne jegliche Ablenkung funktioniert, muss doch auch auf einem komplett fremden Platz unter der Autobahnbrücke neben einem viel genutzten Radweg probieren. Der Hund hat im Garten zweimal fehlerfrei die selbstgebastelte Holzhürde überwunden, dann darf er bei der leuchtend gelben Planenhürde die leicht im Wind zuckt jetzt auch nicht guckig werden. Das muss er halt können!
Auch immer wieder schön, wenn diese Forderung von außen kommt. Man wird immer abweichende Schwerpunktsetzungen im Aufbau und bei der Ausbildung haben. Der fünf Monate alte Hund kann noch nicht frei sicher sitzen, ohne dass ihn jemand hält? Der zwölf Monate alte Hund kann noch nicht revieren? Es findet sich immer jemand, der sich dann berufen fühlt, einen darüber aufklären zu müssen, dass der Hund das doch (schon) können muss.
Nicht zu verwechseln mit dem Hinweis, dass ein Hund gewisse Dinge bereits können muss, bevor man andere Punkte und Schritte in der Ausbildung angehen kann. Ich spreche hier wirklich von dem Vorwurf, der einem ein schlechtes Gewissen machen, oder zeigen soll, wie viel besser und weiter doch der Kommentator doch in der Ausbildung seines Hundes ist.
Darum hier einfach mal der Appell: Spart euch diesen Satz, egal in welchem Zusammenhang. Wenn euer Hund die von ihm geforderte Aufgabe nicht erfüllt, sollte die Reaktion nicht sein „Das muss er können“, sondern schlicht die Frage „wieso kann er da gerade nicht?“ In 90% der Fälle wird die Antwort lauten: Weil er es nicht gelernt hat. Hier ist die Lösung dann relativ simpel: Im Training vernünftig aufbauen und festigen was man haben will. Wenn man meint, damit den Ausbildungsstand eines anderen Hundes kommentieren zu müssen, knickt es euch einfach. Hundesport lebt von Teamwork und Gemeinschaft. Wer es da nötig hat, sich das Ego zu polieren, in dem er einem Mitsportler unter die Nase reibt, dass dieser, seiner Meinung nach, in der Ausbildung hinterherhinkt, sollte sich erstmal auf die stille Treppe setzten und darüber nachdenken, ob er nicht etwas konstruktiveres zum gemeinsamen Training beizutragen hat.