Freitag, 24. Juli 2020

Doch, das ist noch Barf!



Barfen ist so angesagt wie nie. Für viele Hundehalter ist es zwar immer noch eine Modeerscheinung, doch es schwören in der Zwischenzeit genügend Hundehalter darauf, dass der Markt für Barfartikel und Zubehör immer weiterwächst und die seltsamsten Blüten treibt.
Ich persönlich bin sogar schon dazu übergegangen, das, was ich da betreibe im Futternapf meiner Hunde als „Rohfütterung“ zu bezeichnen, einfach um es von den modernen Auswüchsen der Barf Industrie abzugrenzen.

Sollte jemand mit der ursprünglichen Idee des Barfens nicht vertraut sein: In der Kurzfassung geht es darum für seinen Hund eine individuelle Futtermischung aus rohem Fleisch, rohen Innereien, Knochen, Knorpel, Obst Gemüse und wahlweise Getreideprodukten angepasst auf seine Bedürfnisse zusammenzustellen. Das war der Grundgedanke. Zu welchen Anteilen man die einzelnen Komponenten in der Futtermischung nutzt, variierte da von Lehrmeister zu Lehrmeister, doch das war das angedachte Grundprinzip. Rohe tierische und pflanzliche Bestandteile und Getreide so weit verarbeitet, dass der Hund es verdauen konnte, abgestimmt auf den eigenen Hund.
Biologisch artgerechtes rohes Futter eben, natürlich, so wenig verarbeitet wie möglich, kein Massenprodukt.

So war es ursprünglich gedacht. Doch es ist wie immer, wenn etwas beginnt in Mode zu kommen.  Das Thema zieht immer mehr Leute an, die den Trend gerne mitmachen wollen, die aber nicht die entsprechende Vorarbeit leisten und sich über die Bedürfnisse und Bedarfswerte informieren. An diesem Punkt tritt dann die Industrie auf den Plan. Zu Beginn gab es Zusatzstoffe und Pülverchen für die selbstgestalteten Rationen und als Ersatz für Bestandteile, die man nicht füttern konnte oder wollte.
Als erstes trat dann das Fertig Barf auf den Plan. Im Grunde genommen handelte es sich dabei um die Rohvariante des Fertigfutters. Abgepackte Portionen aus rohem Fleisch und Innereien, je nach Vertriebsmodell sind auch bereits Obst und Gemüse, sowie Knochenmehl, Öl und manchmal auch Nudeln mit untergemischt. Manchmal gibt es die Nicht-Fleisch-Anteile auch als gesonderte Packungen zu kaufen, die man dann nach Belieben – oder Anleitung des Verkäufers – untermischen kann. Die individuelle Note, das exakt auf den eigenen Hund abstimmen können, geht bei dieser Variante zwar verloren, aber es ist dem Grundgedanken noch sehr nahe. Rohe Bestandteile, schon mehr verarbeitet, als in der Ausgangsform der Fütterungsart, aber eben immer noch roh.
Doch wie immer beim Fertigfutter reicht auch beim Fertig Barf die Spanne von qualitativ gutem Futter bis zu Abfall in Verpackung, der weder bedarfsdeckend noch annähernd gesund ist.

Aber es gibt noch andere Auswüchse. Seit Neustem findet man auch Trocken Barf, Nass Barf und Dosen Barf in diversen Shops. Beim Trocken Barf variiert es dabei von getrockneten Fleischstücken und Gemüseflocken, die man mit diversen Mineralpulvern dann vor der Fütterung einweichen soll, bis hin zu schnöden Trockenfutterpellets. Bei Letzteren wird die Bezeichnung Barf dann damit begründet, dass das Trockenfutter ja mit besonders natürlichen Zutaten, ohne künstliche Zusätze und absolut schonend und speziell zubereitet wird und eben nicht nur einfach Trockenfutter sei. Liebe Industrie, zum Mitschreiben: Wenn es zermahlen, vermischt, erhitzt und in kleine Bröckchen gepresst wird, doch dann ist es einfach Trockenfutter. Egal wie sehr ihr und ihre Marketingabteilung euch windet, es ist einfach Trockenfutter, aus.
Das selbe Spielchen hat man bei Nass Barf und Dosen Barf. Die Bildchen auf den Dosen zeigen schöne große Fleischstücke, daneben meist irgendetwas exotisches wie eine Süßkartoffel oder Pastinake, denn normales Getreide ist zu ordinär für solch exquisites Barf, aber macht man die Dose dann auf, findet man genau das, was man in den anderen Dosen auch findet… Dosenfutter eben. Manchmal auch mit weniger Flüssigkeit eingekocht und als Wurst in Folie abgepackt, aber unterm Strich hat es mit Barf noch so viel zu tun, wie der abgepackte Apfelkuchen mit dem Apfel. Aus dem Naturprodukt ist industriell verarbeitetes Fertigfutter geworden.
Was ja auch prinzipiell nichts Schlechtes ist. Mag sein, dass Fertigfutter für den ein oder anderen in der Achse des Bösen nur knapp unterhalb des Anitchristen einzuordnen ist, aber generell hat qualitativ hochwertiges Fertigfutter seine Vorteile.
Nur sollte man eben aufhören, Label auf sein Futter zu kleben, das ihm nicht zusteht. Ist es getrocknet, ist es kein Barf, ist es gekocht, ist es kein Barf, ist es sonst auf irgendeine Weise erhitzt worden, ist es kein Barf. Zur Erinnerung, das „R“ steht immer noch für „roh“, was Kombinationen wie Trocken Barf einfach ad absurdum führt.
Aus Sicht der Marketingabteilungen macht es selbstverständlich Sinn, über die nicht geschützte Bezeichnung zu versuchen, einen weiteren Kundenkreis anzusprechen und vielleicht den ein oder anderen Käufer abzugreifen. Wieso die Hundebesitzer jedoch darauf bestehen, ihr Fertigfutter Barf zu nennen, wird sich mir nie erschließen. Denn mit Vehemenz wird darauf beharrt, dass es sich bei dem neuen Dosenfutter eben nicht einfach nur um Nassfutter handelt, sondern dass es eben Dosen Barf sei. Es macht auch wenig Sinn dann eine Diskussion über die Bedeutung und Herkunft des Begriffs Barf zu führen und aufzuklären, was damit eigentlich gemeint ist.
Vielen Leuten ist das Etikett, dass sie auf die Ernährung ihrer Hunde kleben immer noch wichtiger, als der tatsächliche Inhalt seines Napfes.