Sie taucht immer wieder auf, die Frage nach den Papieren
und wofür man diese überhaupt braucht. An allen Ecken und Enden schießen dann
sofort Leute aus dem Boden, die natürlich Stein und Bein schwören, dass man die
Papiere nur zum Züchten braucht, sie für den normalen Hundehalter absolut
nutzlos sind und das Ganze ohnehin nur Abzocke vom Züchter sei, um mehr Geld
verlangen zu können. Natürlich kennt jeder sofort eine Geschichte zu einem
absolut kranken Rassehund, dem die Papiere auch nichts genutzt haben und von
einem total tollen, garantiert gesundem (weil nicht geröntgtem) Hund der auf
dem Bauernhof aus dem „Liebesleben“ (!) der Hofhunde entstanden ist. Ja diese
Leute sprechen von Liebesleben und anscheinend spielen sich unter den Hunden
auf deutschen Bauernhöfen wahre Romeo und Julia Geschichten ab, wenn man diesen
Romantikern glauben darf.
Gründe warum die Welpen keine Papiere haben gibt es
viele. Immer wieder gern genommen um im selben Atemzug mit der Wertlosigkeit
der Papiere auch gleich die Bösartigkeit der Züchter in den Vordergrund zu
rücken, ist der so genannte „Überwurf“. Angeblich bekommen nur sechs Welpen
Papiere und alle anderen werden ertränkt oder ohne Papiere verkauft. Auch
bekommen Welpen mit Fehlern wie einem weißen Fleck keine Papiere und generell
muss man für Papiere extra zahlen…
Hier an dieser Stelle also für alle nochmal zum
Mitschreiben: Ein Hund aus einem regulären Wurf eines seriösen Züchters bekommt
IMMER Papiere. Egal ob er der 17. Welpe ist, blaue Streifen, zwei Ruten, drei
Ohren und fünf Beine hat, er bekommt IMMER Papiere. Im Fall von Streifen und
drei Ohren steht dann vermutlich „zuchtuntauglich“ drauf von Anfang an, aber er
bekommt sie.
Und wer meint, Geld sparen zu können, weil er den Welpen
ohne Papiere kaufen möchte, wird vermutlich sehr viel Geld sparen, weil ihm ein
seriöser Züchter noch einen Kaffee für die Fahrt mitgibt du ihn vor die Tür
setzt. Ohne Papiere und ohne Welpen.
Dann gibt es auch noch jene Verkäufer die generell stolz
darauf zu sein scheinen, papierlos zu vermehren und sich erst gar nicht damit
schmücken wollen, dass zumindest ein Teil der Welpen angeblich Papiere bekommt,
nur eben der eine, den man gerade kaufen möchte dummerweise nicht. Auch da gibt
es interessante Ausreden. Bei den Gebrauchsrassen immer gern genommen: Man
wollte nicht mit Hunden züchten, die darauf selektiert wurden, wie gut sie
Menschen beißen können. Bei anderen will man sich nicht durch einen Verband
kontrollieren und bevormunden lassen, wieder andere haben Hunde die genau so
toll, so ausgebildet und so durchuntersucht sind, wie die Hunde mit Papieren,
aber man will keine offizielle Zucht beantragen, denn dann müsse man die Welpen
viel teurer verkaufen und man ist ja schließlich auch Menschenfreund und will
jedem zu einem netten Hund verhelfen, auch für kleines Geld. Die
Untersuchungsergebnisse und das Leistungsheft sind in diesen Fällen auch immer
leider beim letzten Umzug/Einbruch/Brand verloren gegangen oder die Katze hat
sie gefressen, um die Hunde zu ärgern.
Die „wir wollen einmal Welpen kriegen, weil unsere Hündin
so lieb und das gut für ihre Gesundheit ist“ Vermehrer haben auch keine
Papiere. Man hat ja die Welpen aus Tierliebe produziert und nicht um Geld zu
verdienen.
Das Argument „wir wollen kein Geld verdienen“ taucht
immer wieder auf. Bei Rassen bei denen zwischen seriöser Zucht und den
papierlosen Vermehrern eine Preisspanne von gut 1000€ liegt, kann man sich noch
vorstellen, dass die Leute das ungeprüft glauben. Wo es unglaubwürdig wird,
sind die unzähligen DSH Würfe ohne Papiere die über die Kleinanzeigen
feilgeboten werden für 400 bis 500€.
Wenn man bedenkt, dass ein DSH aus seriöser Zucht in
Deutschland zwischen 600 und 900€ kostet, sollte man hellhörig werden. Bedenkt
man die wenigen Ausgaben, die der Hobbyvermehrer reell hatte, dürfte er selbst
bei halbem Welpenpreis die höhere Gewinnspanne haben.
Bleiben wir bei der DSH Zucht, weil sich das Beispiel so
schön anbietet.
Wozu braucht man als ganz normaler Hundehalter Papiere,
was hat es mit den hübschen bunten Zetteln vom Rassehundezuchtverein also auf
sich?
Als erstes garantieren einem diese hübschen Zettelchen,
dass der Wurf nach mindestens den Anforderungen an Gesundheit, Optik und Arbeitsleistung,
die als Basisvoraussetzung in der Zuchtordnung festgelegt wurden. Dazu gehören
neben der optischen Beurteilung des Hundes bei einer Zuchtschau, eine
Arbeitsprüfung mit Körung, die Untersuchung auf HD und ED und die DNA Probe. An
dieser Stelle grätschen dann meist die ersten „Papiere braucht man nicht“
Schreier in die Diskussion. Die Optik der Eltern sieht man ja, da braucht man
keinen Richter, der einem das sagt. Man will ja keine Hunde die Menschen
beißen, sondern einen Familienhund, also braucht man auch keine Prüfung und
röntgen kann jeder seinen Hund lassen, dafür braucht man auch keine Papiere.
Zum Thema „beißen Menschen“ kommen wir etwas später
gesondert. Fangen wir also an bei „man sieht ja, dass es wie ein Schäferhund
aussieht“.
Ich bezweifle hier jetzt mal ganz offen und lautstark,
dass der wohlwollende Laie die Winkelung eines Hundes beurteilen kann. Mit
bloßem Auge festzustellen, ob der Hund die richtige Größe hat, ist auch immer
so eine Sache, vor allem wenn man nicht einmal weiß, wie groß der Hund laut
Standard sein soll. Seltsamerweise trifft man bei den Papierlosen extrem viele
übergroße Hunde. Sieht imposant aus und verkauft sich gut, entfernt sich aber
immer weiter von der DSH Optik. Dann gibt es noch Dinge die man sehen könnte,
würde man nachsehen. Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass der
durchschnittliche Käufer bei der Mutterhündin mal kurz den Zahnstatus
kontrolliert, ob alles vollzählig in der Schnauze ist, geschweige denn
Hodenkontrolle beim Rüden macht, falls dieser mit im Haus lebt. Auch werden
interessanterweise Standardfehler wie weiche Ohren oder Fehlfarben oft als
besonders toll oder liebenswürdig eingestuft. Somit ist schon einmal die Optik
nicht gesichert. Es sieht irgendwie aus wie ein DSH, aber dann doch wieder
nicht.
Röntgen kann jeder Tierarzt, dazu braucht man keine
Papiere. Richtig röntgen kann so gut wie jeder Tierarzt, ob aber auch jeder
weiß, wie man den Hund richtig lagert und die Röntgenbilder richtig auswertet,
wage ich zu bezweifeln. Immer wieder tauchen Hundehalter auf, die vollkommen
verwundert sind, wenn erzählt wird, dass der Hund eigentlich in Narkose
geröntgt wird, ihr Tierarzt hat es natürlich im Wachzustand gemacht. Lagerung
ist auch Nebensache, immerhin hört man immer wieder davon, dass die schlafenden
Hunde einfach mal kurz zwischen zwei Futtersäcke aus dem hauseigenen Sortiment
geklemmt werden, wenn gerade kein Helferlein zur Hand ist, um ihn richtig in
Position zu bringen. Von der Bewertung so entstandener Aufnahmen will ich dann
gar nicht erst anfangen.
Mein persönliches Lieblingsthema…. Man will keinen Hund
der darauf selektiert ist wie gut er Leute beißen kann. Erstmal voraus die
Belehrung, IPO Sport besteht aus deutlich mehr als nur „Beißen“, wer sich auch
nur ein Wochenende die Mühe gemacht hat, sich mit der Ausbildung zu beschäftigen,
weiß das und verbreitet nicht solchen hanebüchenen Unsinn. Punkt zwei, sollte
man sich wieder in Erinnerung rufen, welchen Hund man möchte. Der DSH ist ein
Gebrauchshund. Entweder ich möchte einen DSH, dann möchte ich einen Hund, der
auf seine Gebrauchshundeigenschaften selektiert wurde oder ich möchte keinen
Gebrauchshund, dann kaufe ich irgendetwas aber eben keinen DSH.
Hier sind wir wieder bei dem Thema, das ich bereits in
„Die Lüge vom Charakter“ lang und breit behandelt habe. Papiere braucht man, wenn
man möglichst sicher gehen will, dass man einen Hund kauft, der aussieht und
sich benimmt, wie für seine Rasse typisch. Und nicht nur möglichst günstig an
einen Hund kommen möchte, der irgendwie halbwegs aussieht wie Rasse X.
Also nochmal kurz zusammengefasst, sagen einem die
Papiere welche Kontrollen Zuchthunde, Züchter und Welpen durchlaufen haben. Wer
die Elterntiere sind (und nein in Zeiten des DANN Tests kann man da nicht mehr
schummeln) und wie es um die Gesundheit der Ahnen und um ihre Leistungen stand
und garantiert, dass das Nötige getan wurde, um sicher zu stellen, dass der
Welpe aussieht wie die Rasse, der er angehören soll und sich auch so benimmt.
Während ich beim papierlosen Hund einfach darauf vertrauen muss, was mir der
freundliche Verkäufer erzählt. Ob der präsentierte Vater wirklich der Vater
ist, ob er vielleicht der Halbbruder der Mutter ist oder die Großmutter der
Mutter ein Husky mit schwerer HD und der Großvater des Vaters ein erblich bedingt
erblindeter Kurzhaarcollie war, kann ich nicht nachprüfen.
Selbstverständlich hüpfen jetzt die ersten Leser entsetzt
auf und brüllen im Brustton der Überzeugung, dass es auch unter den Züchtern
mit Papieren schwarze Schafe gibt. Natürlich gibt es die, die gibt es überall
und in jeder Branche. Deshalb darf man auch beim Welpenkauf in der FCI sein
Gehirn nicht zuhause lassen und beim Anblick von flauschigen kleinen Welpen
durchdrehen. Aber die Logik, bei jemandem zu kaufen, bei dem es keine
Kontrollinstanz und keine Zuchtvoraussetzungen gibt, weil ein anderer versucht
haben könnte, diese zu umgehen, wird sich mir wohl nie erschließen. Den selbst
das schwarze Schaf unter den Züchtern wird es nicht schaffen, sich so
vollständig und gesamt den Kontrollen und Tests zu entziehen, wie der „wir
brauchen keine Papiere“ Verkäufer.
Aber am Ende ist auch das egal, denn wenn den
Welpenkäufern nichts mehr einfällt, wird das Totschlagargument hervorgezogen.
Es sei einfach nur arrogant, man tue ja so, als seien die papierlosen Hunde
weniger (oder gleich nichts) wert. Erstmal ganz nüchtern betrachtet, ist es
nach allgemeiner Rechtsprechung tatsächlich so, dass ein Rassehund mit
beglaubigten Abstammungsnachweis einen höheren Vermögenswert darstellt, als der
Bauernhofmischling oder der papierlose Hund vom freundlichen Hobbyvermehrer von
nebenan. Vom emotionalen Standpunkt aus hat das in all den Diskussionen, die
ich miterlebt habe noch nie jemand behauptet. Ich kann mich nicht daran
erinnern, dass ein Rassehundehalter behauptet hätten, papierlose Hunde seien
minderwertig. Diese Einstellung wird nur gerne sofort unterstellt, wenn man
sich darauf beruft, dass man eben gerne sichergehen wolle, die
Rasseeigenschaften auch zu erhalten, die man beim Kauf erwartet hat.
Jeder Hund hat es verdient geliebt und seinen
Bedürfnissen entsprechend gehalten zu werden. Aber eine Frage sollte zum
Abschluss gestattet sein. Wenn mir mein Hund und Hunde im Allgemeinen doch so viel
bedeuten, wieso unterstütze ich dann zweifelhafte Welpenproduktionen, egal ob
das jetzt die Vermehrerfabrik für Kofferraumwelpen oder Tante Käthe mit den „nur
einmal Welpen aus Liebe und ohne Ahnung“ ist? Wieso sorge ich mit meinem Kauf
nicht dafür, dass solchen Produzenten das Wasser abgegraben wird und stelle
sicher, dass sie nicht durch meinen Kauf ermuntert werden, weiter zu machen?
Wieso unterstütze ich nicht nur seriöse Züchter und den seriösen Tierschutz mit
meinem Kauf? Hat denn nicht jeder Hund verdient, unter den bestmöglichen
Umständen aufgezogen zu werden und mit Sachverstand unter kontrollierten
Bedingungen heranwachsen zu können?
Oder geht es am Ende dann doch wieder um die eigene
Bequemlichkeit und den eigenen Geiz, der einen wieder zu den Kleinanzeigen mit
den süßen billigen Welpen und zu dem Produzenten zwei Dörfer weiter, der am
Ende alles liefern kann von Afghane bis Zwergpudel, zieht?