Mittwoch, 20. März 2019

Willkommen in der wunderbaren Markenwelt





Ursprünglich komme ich ja aus der Reiterei und dort ist das Thema Werbung und Markenartikel ein ganz großes. Regelmäßig traf man dort vor allem auf Damen, die aus dem täglichen Training mit dem Pferd eine Werbeanzeige für die neueste Kollektion von irgendwem machten. Nie im Leben hätte man da billige No-Name Gamaschen zur neuesten Eskadron Schabracke ans Pferd gelassen und natürlich gab es zweimal im Jahr ein neues Komplettset für den Zossen, wenn die neue Kollektion auf den Markt kam und Zubehör und Kleidung konnten einfach nicht schön oder gar gut sein, wenn der falsche Hersteller draufstand oder noch schlimmer, wenn man gar kein Markenlabel finden konnte.

Unter Hundehaltern kannte ich das eher weniger und im Sportbereich lange Zeit gar nicht. Doch langsam drängt sich die schöne bunte Markenwelt mit aller Gewalt auch auf die Hundesportplätze. Ähnlich wie im Reitsport zogen im Hundesport mit den großen Erfolgen einzelner und dem aufkommenden Fankult um bestimmte Sportler und Trainer auch die großen Markennamen in die Szene ein. Auf der einen Seite gab es plötzlich überall spezielles Zubehör entwickelt für bestimmte Ausbildungsmethoden. Man muss sich nur durch die Shops klicken und findet einen großen Namen nach dem anderen. Fast jeder Ausbildungsgegenstand vom Apportierholz über die Leine bis hin Fährtengeschirr und Hetzarm gibt es als Spezialausgabe nach xy, extra entwickelt für ein ganz bestimmtes Problem oder eine ganz besondere Ausbildungsmethode.
In diesem Bereich macht der aufkommende Markenwahn zumindest noch in Teilen Sinn, denn einige dieser Produkte sind Sonderanfertigungen, die zumindest manchmal einen Ausbildungsvorteil in bestimmten Situationen mit sich bringen und ja, manche Hersteller haben sich bei bestimmten Produkten einen Namen für besonders gute Verarbeitung und Qualität gemacht, doch leider sieht man auch im Hundesport immer öfter den Fan Effekt:
Man hat keine Ahnung, was besonders an dem Teil ist und wofür man es überhaupt benutzt, aber der Weltmeister von 2017 war auf jedem Trainingsfoto damit zu sehen, also muss es gut sein und man braucht es unbedingt für guten Hundesport. So hat ein Besuch auf manchen Trainingsplätzen und auch das Betrachten von Fotos in den sozialen Medien immer einen gewissen Beigeschmack von forciertem Productplacement. Man weiß nicht so recht, was das Teil da soll, aber es wird schön plakativ möglichst mit dem Markennamen gut sichtbar an allen möglichen und unmöglichen Orten in Szene gesetzt.

Fast noch amüsanter wird es jedoch im Bereich der Sportkleidung. Hier bekommt das ganze schon fast Reitstallflair, wo die coole Clique hinter dem Rücken tuschelt und abschätzige Blicke zu wirft, wenn man sich nicht an die Marke der eignen Hose erinnern kann oder man es gar wagt – oh Schreck – eine Jacke vom Discounter trägt.
Ich habe zu Zeiten mit dem Sport begonnen, wo die alten Bergschuhe oder Turnschuhe in Kombination mit einer abgewetzten Trainingshose und dreckigem T-Shirt und der Vereinsjacke darüber ein absolut akzeptables Trainingsoutfit in allen Lebenslagen waren und für die Prüfung wurden dann einmal Shirt und Jacke gewaschen. Schuhe putzen und Hose waschen war eh vergebene Liebesmühe, die kam erst in die Maschine, wenn man vor Dreck die Farbe nicht mehr erahnen konnte.
Heutzutage undenkbar, denn für immer mehr Hundesportler steht gleich nach dem Trainingserfolg die Frage nach der passenden Optik ganz oben auf der Tagesordnung. Böse Zungen behaupten sogar, dass es schon haufenweise Sportler gibt, bei denen die Social media kompatible Optik sogar noch über dem Trainingsfortschritt steht. Sieht man sich um oder fragt sogar nach einer Empfehlung für ein paar Schuhe, Hosen, Jacken oder was auch immer fliegen einem binnen Sekunden die Markennamen nur so um die Ohren. Manche davon werden noch durch ihre Funktionalität begründet – Schuh xy ist absolut wasserdicht, Jacke abc hat alle Taschen mit Reißverschluss, Schuh z hat ein besonders schmales Fußbett – aber oftmals wird einfach nur der Markenname ins Rennen geworfen, eil es im Umfeld aktuell jeder trägt. Fragt man nach, kommt meist nichts außer „die ist so toll“ und „ja die sind absolut super“. Was genau da jetzt toll und super ist, darauf bekommt man auch bei mehrmaligen Nachfragen keine genaue Auskunft. Marke xyz ist einfach klasse, dafür braucht es keine rationale Begründung und wer daran zweifelt, ist einfach doof.
Natürlich hat jeder seine Vorlieben und wenn es manchmal vielleicht auch nur daran liegt, dass Hersteller A seine Hosen in ganz bestimmten Farbkombinationen anbietet und man da persönlich dann einfach bereit ist, dafür auch mal nen Zehner mehr hinzulegen. Nur sollte man sich als erwachsener Mensch einfach bewusst sein, dass man den Hersteller toll findet, weil man gern ein türkise Hose hätte oder weil man Fan von Sportler X ist, der die Marke auch ständig trägt und nicht, weil alle anderen Marken minderwertigen Rotz produzieren.
Denn leider hat man mancher Orts immer öfter das Gefühl, dass man sich mehr Gedanken um die offenbar stillschweigend vereinbarte Kleiderordnung denn das Training machen müsste. Wenn man sich unter Hundesportlern fühlt, wie unter gehässigen zwölfjährigen Reitermädels, die sich auf Grund der falschen Kollektion niedermachen, ist etwas ganz gewaltig falsch gelaufen.