Dienstag, 8. März 2016

Hund vs. Kind




Als ich aufgewachsen bin, war der Hund der beste Freund des Menschen und ganz speziell des Kindes. Ein glückliches Kind hatte als besten Freund einen Vierbeiner an seiner Seite und die Medien unterstützten dieses Bild, wo es nur ging. Timmy hatte seine Lassie, Old Jello verteidigte die Kinder seiner Familie bis zu seinem Tod und sowohl die Fünf Freunde als auch die kleinen Strolche wären ohne ihren vierbeinigen Begleiter nicht vollständig gewesen.

Sieht man sich heute um, ist der Hund entweder eine Bedrohung oder doch zumindest die direkte Konkurrenz, die Schuld am Kinderelend ist. Dabei ist es immer seltener die Gefahr, die durch potentielle Bissverletzungen und sonstige Übergriffe durch Hunde ausgeht. Fürchtete man nach dem Vorfall in Hamburg vor 16 Jahren vornehmlich die Aggression bei Hunden und sah in ihr eine Bedrohung für Kinder, ist es jetzt schon die bloße Existenz der Tiere, die angeblich die Kinder und ihre Bedürfnisse gefährden.

Erst heute bin ich in den Untiefen von Facebook wieder auf ein Statement gestoßen, dass mich etwas ratlos zurückließ. In einer Gruppe die sich die „Hundefreiheit Bayerns“ auf die Fahnen geschrieben hat – immerhin haben sich nur 50 Unterstützer in drei Jahren zusammengefunden – stellte eine Dame die Frage: „Wie soll ich meinem Kind erklären, dass dort draußen Leute Geld für Echtlederhalsbänder, Luxushundefutter und Hundespielzeug ausgeben, während wir am Monatsende das Essen nicht mehr bezahlen können?“
Ob es sich hier um eine reale Person handelt oder einen fiktiven Account, der nur die Denkungsweise der Gruppengründer stützen soll, sei mal dahingestellt, denn solche und ähnliche Argumente findet man immer wieder, auch im Alltag. Ich selbst habe es selbst schon ein dutzend Mal und mehr erlebt, man unterhält sich und das Thema kommt irgendwie auf eine Ausgabe, die man für die Hunde getätigt hat und sofort kommt als Reaktion „Findest du das nicht übertrieben? In Deutschland gibt es Kinder, die hungern müssen."
Ein Argument, das mit dem Ausgangsgespräch so viel zu tun hat, wie die Information, dass das Gras grün ist, wenn man nach der Uhrzeit gefragt hat und einen meist sprachlos zurücklässt. Natürlich gibt es Leid und Armut in Deutschland und der ganzen Welt, quer durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten, aber hat das wirklich etwas damit zu tun, dass irgendjemand seinem Hund ein neues Halsband gekauft hat?

Ich habe mir vor vier Jahren einen Dobermannwelpen als Zweithund gekauft. Seitdem habe ich immer noch den gleichen Beruf, wohne zusammen mit meinem langjährigen Lebensgefährten in einem Haus, betreibe Hundesport, treffe mich mit Freunden, gehe meinen Hobbies nach und natürlich gebe ich Geld für meine Hunde aus. Eine Bekannte wurde im gleichen Zeitraum ungewollt schwanger, hat zusammen mit dem Kindsvater einen Berg Schulden angehäuft, weil keiner von beiden einen Schulabschluss, eine abgeschlossene Berufsausbildung oder auch nur je in seinem Leben einen Job gehabt hätte, den er länger als die ersten paar Wochen Probezeit durchgestanden hätte, aber beide für das neue Familienleben ordentlich Geld ausgeben wollten. Heute ist sie alleinerziehend, der Vater zahlt keinen Unterhalt und der Schuldenberg sitzt der arbeitslosen Singlemutter drohend im Nacken.
Nach der Logik der Leute, die obigen Facebook Post konzipiert und für gut befunden haben, wäre das Leben meiner Bekannten und ihres Kindes besser, wenn ich damals vor vier Jahren nicht den Hund, sondern ein paar Versace Pumps gekauft hätte. Kann man so einen ausgemachten Blödsinn denn wirklich glauben?
Glaubt wirklich jemand, dass in Deutschland ein Kind mehr und/oder gesünder zu Essen bekommt, weil ein Hundehalter am anderen Ende der Republik seinem Fifi ab jetzt statt Bio Rinderhack nur noch Discounterfutter in den Napf kippt? Oder wird es Kindern, die häusliche Gewalt erleben, bessergehen, wenn Bello ab sofort jeden Tag einen Tritt in die Rippen bekommt und sein Herrchen sich nicht mehr über moderne Erziehungsmethoden informiert?

Trauriger Weise stürzen sich auch die Medien jenseits der sozialen Plattformen nur zu gerne auf dieses Thema und stellen dem Hund automatisch das Kind als direkten Konkurrenten gegenüber. Selbst in den Beiträgen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, gehört diese Kombination zur Standartausstattung. Wer es nicht glaubt, soll sich bei den „seriösen“ Sendeformaten einmal auf die Lauer legen. Früher oder später gibt es bei diesen „gehobenen“ Talkrunden immer wieder ein Haustierthema oder eine kleine Reportage, über die Deutschen und ihre Vierbeiner. Faszinierenderweise wird den Tierhaltern neben dem obligatorischen Tierhasser – der jedoch oftmals mehr Karikatur als ernstzunehmender Kritiker ist – immer ein Sprecher eines Kinderschutzvereins gegenübergesetzt. In allen Fällen hat Herr X oder Frau Y vom Kinderschutzbund der Diskussion nichts hinzuzufügen, außer gegen Ende, wenn er/sie vom Moderator direkt zu einem Statement aufgefordert wird, auf die vielen unterprivilegierten und vernachlässigten Kinder in unserem Land hinzuweißen. Man könnte auch einmal einen Sprecher der deutschen Krebshilfe einladen, einen Vertreter von „Würdevoll Leben im Pflegefall“ oder eine Kämpferin für die Gleichberechtigung für körperlich versehrte Menschen in der Arbeitswelt. Sie alle könnten von Spenden profitieren und Gutes tun. Doch nein, es muss immer und jedes Mal der Repräsentant der Rechte der Kinder sein. Zum Fisch serviert man Weißwein und zum Hundethema muss es das verarmte Kind sein.

Wer trotzdem verbissen an der Vorstellung festhalten möchte, dass es zwischen der Haustierhaltung und dem Lebensstandard deutscher Kinder einen feststehenden kausalen Zusammenhang gibt, sollte bedenken: Auch in der Industrie die ihr Dasein auf der Existenz der deutschen Hunde gründet, arbeiten Menschen mit Kindern...



Sonntag, 6. März 2016

Diagnose: Alter



Wir leben in einer Zeit und einer Gesellschaft, in der Alter und Altern immer mehr als Makel gilt. Wer mit 45 nicht mehr genau so fit und schlank ist, wie mit 15, wird misstrauisch beäugt, graue Haare oder gar Falten gelten schon fast als ein Ausdruck von Charakterschwäche. Im Leben der Menschen herrscht vieler Orts der Jugendwahn und auch vor dem besten Freund des Menschen macht diese verschrobene Einstellung zum Altern nicht halt.

Wie sein zweibeiniger Begleiter, ist es auch für den Hund heutzutage unschicklich, alt zu werden. Machen sich mit neuen Jahren erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar oder entwickelt Hund mit zehn Jahren erste Anzeichen von Arthrose, wird oft gemutmaßt, was der Besitzer wohl falsch gemacht haben könnte oder es startet eine neue Runde Rassehundebashing. Denn mit gerade mal 10 Jahren geht es ja nicht an, dass Hund grau um die Schnauze wird und sich an nasskalten Tagen etwas schwerer mit dem Aufstehen tut. Da muss schon der Züchter etwas verbockt haben oder es um die Gesundheit der ganzen Rasse schon schlimm stehen, anders kann man sich so etwas nicht vorstellen.

Es wird schon misstrauisch beobachtet, wenn ein Hund erwachsen wird und sich nicht das dauerkindliche Wesen bewahrt, doch wenn er gar alt wird, ist es für viele Halter eine Katastrophe. Alt werden und alt sein hat die großen Hundeseuchen als Schreckgespenst abgelöst und muss mit aller Macht bekämpft werden. Klickt man sich durch die Gesundheitsecken und Futterratgeber online, findet man allerorten Hilfe suchende Hundehalter. Der 14jährige Labrador hat Krebs und man braucht dringend Tipps für Heilkräuter, die da noch helfen können, weil der dumme Tierarzt nichts mehr machen will und die 10jährige Dogge läuft unrund, also muss man jetzt schnell von Trockenfutter auf BARF umstellen, denn das ist ja gesünder. Sich damit abfinden, dass Hunde auch alt werden und damit auch viele Veränderungen einhergehen, ist für viele leider nicht denkbar.

Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Hundehalter, die das Alter ihres Vierbeiners glorifizieren. Von „weisen“ Hunden und „großen Seelen“ ist da dann oft die Rede, meist in Zusammenhang mit Tieren aus dem Tierschutz. Alles ist herrlich und wunderbar und von einer großen Seelenverwandtschaft getragen, die man angeblich nur bei alten Hunden finden kann. Die Tatsache, dass mit dem Alter oft veränderte Bedürfnisse und Krankheit einhergehen, wird, wenn überhaupt nur als kleine Fußnote angemerkt, denn die Weisheit der großen Seele neben sich, macht das alles wieder weg. Oftmals wäre jedoch praktisch, wenn der weise Begleiter einem sagen könnte, woher man das Geld für Dauermedikation, Physiotherapie und alternative Behandlungsmethoden nehmen soll, wenn die Tücken des Alters einen voll treffen.

Jeder, der schon einmal einen jungen Hund verloren hat, wird sich immer wünschen, das Leben mit dem Senior erleben zu dürfen. Dennoch sollte man auch diesen Lebensabschnitt nicht romantisch verklärt betrachten, sondern sich der Realität stellen. Das Leben mit einem alten Hund hat seine schönen Seiten und es ist auch nicht von einem Tag auf den nächsten alles teuer, trist und traurig. Doch mit der Zeit ändert sich vieles. Chronische Erkrankungen gehören in den meisten Fällen früher oder später mit zum Alltag und egal zu wie vielen Ärzten man läuft und wie viele überteuerte Wunderkräutermischungen man auf Anraten von Online-Experten gekauft hat, mit einigem wird man lernen müssen zu leben. Auch wird sich der Charakter nie wieder zurück zu dem überdrehten Junghund zurück ändern.
Veränderte Beschäftigung, veränderte Gewohnheiten, verändertes Futter, all das gehört in vielen Fällen zum Leben mit dem älter werdenden Hund und ist kein Grund zur Verunsicherung. Das Alter beim Hund ist weder eine grausame Erkrankung die man bekämpfen muss, so wie es die Jugendwahnanhänger tun, noch ist sie der allein seligmachende Zustand, zu dem es andere verklären. Die Seniorenzeit des Hundes ist, was sie ist, eine Lebensphase mit eigenen Bedürfnissen, die man akzeptieren muss und in der man, wie in allen anderen Lebensabschnitten, die individuellen Bedürfnisse seines Hundes respektieren sollte.