Donnerstag, 25. Oktober 2018

Zwischen den Zeilen




Wir haben Mitte Oktober, das Jahr neigt sich rasend schnell dem Ende zu. Eigentlich nichts außergewöhnliches, doch dieses Mal bringt der Jahreswechsel für die Sportler eine große Änderung mit sich, eine neue Prüfungsordnung.
Ich gehöre eigentlich nicht zu den Leuten, die aus Prinzip über Neuerungen meckern und jammern und alles doof finden, doch dieses Mal kann ich mir einen Kommentar und ein paar Gedanken nicht verkneifen. Vorab hätte ich aber eine kleine Frage. Welcher Vollpfosten ist bitte schön für das Layout und die Einteilung der Druckform der neuen Prüfungsordnung verantwortlich? Ich habe selten etwas so Unstrukturiertes und Verwirrendes gesehen. Wer immer sich diese Katastrophe auf die Fahnen schreiben darf, sollte bitte dringendst Nachhilfe in Didaktik nehmen, bevor er auch nur einen weiteren Handzettel erstellt.
Ich möchte gar nicht auf das Hin und Her, mal ja dann doch wieder nicht der Pendelhürde eingehen und auf keinen Fall werde ich in die Diskussion über die erneute Umbenennung der Sportart einsteigen. Aber werfen wir doch einmal einen Blick in die Internationale Gebrauchshunde Prüfungsordnung (IGP) und sehen uns die Änderungen an.
Fangen wir mit der Begleithundeprüfung an. Ein großer Kritikpunkt vieler Starter war stets, dass die Fußstrecke in der BH/VT unverhältnismäßig lang sei. Doppelt so lange, wie in den IPO Sparten, einmal mit, einmal ohne Leine hieß es bisher „Fuß“ für Hund und Hundeführer. Hier wird die neue IGP vielen Prüflingen entgegenkommen. Es wird zwar immer noch mehr Fuß gelaufen, als in weiterführenden Prüfungen, doch die Freifolge wurde auf die Hälfte eingekürzt. Keine Winkel mehr und keine zweite Kehrtwende ohne Leine. Bereits hier taucht die kleine Stimme in meinem Hinterkopf auf und flüstert leise: Wieso die Freifolge?
Wieso wurde der Teil nicht in der Leinenführigkeit gekürzt? Wenn es nur darum geht, die Strecke zu kürzen, wieso nicht die Leinenführigkeit um zwei Winkel und eine Kehrt erleichtern? Der kleine Kritiker in meinem Ohr flüstert mir zu, dass es vom Ablauf wesentlich logischer und flüssiger gewesen wäre, den Teil aus der Leinenführigkeit zu streichen und nach der langen Geraden mit Schrittwechsel im Linkswinkel direkt in de Gruppe abzubiegen, anstatt nach der Freifolge mit dem Rücken zum Laufweg stehen zu bleiben, irgendwie umzudrehen und dann zu den technischen Übungen zu gehen.
Wieso man es trotzdem gemacht hat? Der Schuft in mir, der Böses dabei denkt, flüstert leise, man habe halt die anspruchsvollere Übung gestrichen.
Dass der Prüfling sich aussuchen darf, ob er die technischen Übungen aus der Bewegung oder der Grundstellung macht, ist nett, mehr aber auch nicht.
Mit den BGHs habe ich mich nicht weiter beschäftigt. Da bekomme ich schon die aktuelle PO nicht so recht auf die Reihe, weil einfach das Interesse fehlt. Deshalb schauen wir uns doch gleich mal die IGP Fährten an. Die IGP 3 können wir bei der Diskussion in allen Bereichen ausklammern, mir wäre keine erkennbare Änderung zur IPO 3 aufgefallen. Bei der Fährte der IGP 1 und 2 fällt nur eine Änderung auf, ein zusätzlicher Gegenstand in beiden Prüfungsstufen – ach ja und man darf den Hund jetzt auch während des Suchens zu labern, was für ein guter Hund er doch ist. Einmal mehr verweisen, einmal mehr wieder ansetzen, einmal mehr die Gefahr, dass Punkte flöten gehen, wenn überlaufen wird. Da wird der Einstieg doch anspruchsvoller.
Oder doch nicht? Erhöht ein dritter Gegenstand die Schwierigkeit oder doch eher die Chance noch ordentlich Punkte zu sammeln, auch wenn ein Gegenstand verschlampt wird? Macht die Verkürzung der einzelnen Fährtenabschnitte in denen Hund auf sich allein gestellt ist, ohne Bestätigung vom Hundeführer zu bekommen nicht doch auch einfacher? Ich schätze mal, die Frage muss sich jeder selbst beantworten.
Aber weiter zu Unterordnung. In der IPO Verzeihung IGP 1 hat sich nicht viel geändert, man hat den Apport über die Schrägwand verstümmelt, das war es aber auch schon. In den anderen beiden Prüfungsstufen ändert sich nichts außer das bescheidene Layout in der Prüfungsordnung.
Und dann kommt der Schutzdienst der IGP 1 und nein, ich bin niemand der aus Prinzip meckert, aber an dieser Stelle frage ich mich, ob die Prüfung überhaupt noch eine Prüfung ist. Es gibt kein wirkliches Revieren mehr, der Hund wird direkt zum Helfer ins Sechser geschickt, wozu unnötigen Gehorsam verlangen, reicht ja, wenn der Hund in der IGP 1 schön läuft und bellt. Auch am Versteck braucht muss der Fiffi nicht hören, denn man darf ab sofort anleinen und den Hund vom Versteck wegführen. Auch zur kurzen Flucht darf der Hund mit der Leine geführt werden und auch den Weg zur langen Flucht darf man zur Sicherheit mit der Leine am Hund zurücklegen, gleiches gilt für den Seitentransport.
Auch wenn der Titel dieses Beitrages es besagt, zwischen den Zeilen lesen muss man bei der neuen Prüfungsordnung gar nicht. Die ganzen Änderungen schreien geradezu hinaus, dass die „Erleichterung für den Einzug in den Sport“ in erster Linie über das Herunterfahren des geforderten Gehorsams zustande kommen soll.
Vor allem im Schutzdienst haben die Neuerungen einen sehr schalen Beigeschmack. Bisher hieß es immer, der Gehorsam gehört zum Schutzdienst, es geht nicht nur ums Beißen. Doch in der IGP 1 sieht das nun irgendwie anders aus. Man wollte den Einstieg in den Sport erleichtern, wollte wieder mehr Leute dafür begeistern, aber mich beschleicht das ungute Gefühl, dass man mit diesen Änderungen dem IPO Sport einen Bärendienst erwiesen hat.
Vielleicht sehe ich es ja zu schwarz und die meisten Sportler werden sich nicht dazu herablassen den Hund im Schutzdienst an der Leine zu führen und gleich für die weiteren Prüfungsstufen richtig ausbilden. Die Zeit wird es zeigen.

Mittwoch, 10. Oktober 2018

Spieglein, Spieglein




Auf unserem Trainingsplatz und auch auf vielen anderen steht ein Spiegel. Er soll den Hundeführern beim Training helfen, einen genauen Blick auf sich und ihren Hund zu werfen. Manche Sportler nehmen das Hilfsmittel gerne an, manche belächeln es als überflüssigen Schnickschnack und einige meiden den Spiegel wie die Pest. Dabei muss es kein echter Spiegel aus Glas oder Kunststoff sein. Auch den metaphorischen Spiegel, den einem ein guter Trainingspartner regelmäßig vorhält, umgehen immer noch viele Sportler mit aller Kraft.
Die Prüfungssaison biegt in die Zielgerade ein und es zeichnet sich langsam ab, wer im Training für dieses Jahr einen guten Job gemacht hat, wer Fortschritte und Erfolge erarbeitet hat – was nicht bedeutet, dass es nicht auch Zwischentiefs und Enttäuschungen gab – und wer offenbar einfach nur Zeit auf dem Hundeplatz verbachte, ohne wirklich zu trainieren.
Die wenigsten Sportler besitzen einen Hund, der komplett ausgebildet ist. So gut wie jeder hat Baustellen an denen er weiterfeilen muss und noch fehlende Ausbildungsinhalte, die es zu erarbeiten gilt. Hundesport sollte eine stetige Entwicklung sein. Allerdings muss man diese auch regelmäßig überprüfen und hinterfragen und hier lehrt uns die Erfahrung, dass man selbst da gerne die rosarote Brille aufhat.
Das ist der Moment an dem der Spiegel ins Spiel kommt. Ein klarer Blick auf das, was gerade den Ist-Zustand darstellt, ist in regelmäßigen Abständen einfach ein Muss. Wieso scheuen so viele Sportler diesen notwendigen Schritt?
Weil es nicht immer schön ist, was man sieht. Man sieht seine eigenen Fehler, seine Irrtümer und bisweilen auch sein eigenes Versagen. All das will niemand gerne vor Augen geführt kommen, denn selbst wenn es sachlich und neutral aufgearbeitet wird, hinterlässt es immer ein ungutes Gefühl. Dabei ist nichts von dem, was man dort sieht endgültig. Zumindest noch nicht.
Der Spiegel ist der Dreh- und Angelpunkt, der am ende darüber entscheidet, ob man Fehler erkennen, gegenarbeiten und sich weiter entwickeln kann oder ob man sich hoffnungslos verrennt und das Training irgendwann zur ziellosen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Hund, Hundeführer und Trainer verkommt.
Viele sehen keine Notwendigkeit darin sich selbst und ihre Arbeitsweise immer und immer wieder zu hinterfragen, nachzuprüfen, ob ihr Ausbildungsweg in die gewünschte Richtung führt und ob Hund und Hundeführer sich weiterentwickeln. Viele schummeln sich lieber durch den Trainingsalltag, lassen sich und ihren Hund auf dem Platz durch allerlei Hilfsmittel und kleine Tricks beim Training halbwegs gut aussehen und belügen sich selbst dabei. Hilfe und Korrektur werden nicht angenommen, reales Training findet kaum mehr statt, man spielt nur jede Woche auf dem Hundeplatz dasselbe Theaterstück zur eigenen Unterhaltung.
Bis dann der Tag kommt, an dem man vor dem Richter steht. Die Quittung sieht immer gleich aus: Durchgefallen.
Doch selbst zu diesem Zeitpunkt verweigert man den Blick in den Spiegel und findet unzählige Erklärungen für das Prüfungspech. Die Schuld lag beim Wetter, der Richter war unfair, der Hund fühlte sich nicht wohl, der Saturn stand im 5. Haus und irgendwo auf einem Baum hat ein Schwarzspecht an der falschen Stelle geklopft. Man selbst ist nie schuld, man war ja immer beim Training und hat jede Woche eine gute Figur gemacht. Wenn die Erkenntnis so weit reicht, dass keine externen Einflüsse einem den Prüfungserfolg verdorben haben, dann liegt die Schuld meistens beim Hund. Der hat nur darauf gewartet, seinen harttrainierenden Hundeführer an der Nase herum zu führen und daran wird man bis zur nächsten Prüfung etwas ändern.
Jedoch nicht mit überdenken der Trainingsmethode, sondern wenn der Vorsatz wirklich vom Prüfungstag bis zur nächsten Trainingseinheit hält, im Hauruckverfahren, über Strafe. Man straft den Hund ein paar Mal ab und dann begibt man sich wieder auf die Trainingsbühne und zieht Woche um Woche die immer gleiche Show ab, während die anderen um einen herum trainieren.
Dabei hält man gebührenden Abstand zu den Spiegeln und ehrlichen Trainern und Trainingskollegen und redet sich voller Überzeugung ein, dass alles genau so passt, wie man es gerade und seit immer schon macht, bis am nächsten Prüfungstag der nächste Richter den Kopf schüttelt.