Unter den namhaften Psychologen ist den meisten, die nie
eine entsprechende Vorlesung besucht haben, meist nur Freud bekannt. Der ein
oder andere hat vielleicht noch von Pawlow und seinen sabbernden Hunden gehört
– auch wenn der darauf beharrte, kein Psychologe zu sein – oder ist durch die
Verfilmung mal mit Zimbardo und einem Gefängnisexperiment in Berührung
gekommen. Der Name Stanley Milgram ist jedoch den Wenigsten ein Begriff. Dabei
sollte man sich gerade mit ihm etwas auseinandersetzen.
Wer war Milgram und was hat er gemacht? Milgram war ein
amerikanischer Psychologe, dozierte in New York, schrieb ein paar Bücher,
entwickelte ein paar Thesen… doch wirklich bekannt wurde er für das Experiment,
das unter seinem Namen in die Psychologielehrbücher einging. Für alle, die
genauere Hintergründe und tiefere Informationen dazu wünschen, bietet das Netz
einen breiten Fundus an Beschreibungen und Aufarbeitungen, aber in der Kurzform
handelte das Milgram Experiment davon, dass Menschen schnell dazu bereit sind,
über ihre eigenen ethisch-moralischen Grenzen hinwegzugehen und anderen
Schmerzen und Schaden – auch permanent – zu zu fügen, wenn eine als Autorität
empfundene Person ihnen dies aufträgt bzw. befiehlt.
Jetzt könnte man meinen, dass psychologische Experimente
eines Amerikaners im letzten Jahrhundert nicht viel mit Hundeerziehung und
Ausbildung zu tun hat. Leider könnte man nicht falscher liegen.
Jeder stand schon einmal im Training und hatte ein
mulmiges Gefühl, bei einer Anweisung, die er erhielt. Macht das wirklich Sinn?
Ist es fair? Sicher hat man sich manchmal geweigert, doch ich stelle hier jetzt
einfach mal die Behauptung in den Raum, dass jeder einzelne dort draußen, der schon
einmal unter Anleitung eines anderen mit seinem Hund trainiert hat, über dieses
mulmige Gefühl hinweggegangen und den Anweisungen gefolgt ist.
Nein, ich rede hier nicht nur von den großen Verstößen,
von Gewalt am Hund, tierschutzrelevanten Trainingsmethoden und ähnlichem,
sondern auch von den kleinen Dingen. Von all den Momenten in denen man das
Gefühl hatte, der Hund braucht jetzt mehr Hilfe, als der Trainer zulässt, der
Hund braucht noch etwas mehr Zeit, der Hund braucht eine Pause und sich nicht
durchgesetzt hat, weil man darauf vertraute, dass der Trainer, als erfahrener
Profi schon weiß, was er tut.
Und ja, manchmal weiß er das auch. Manchmal traut man
seinem Hund zu wenig zu, vertraut ihm zu wenig und tut gut daran, auf das
Urteil eines anderen zu vertrauen. Doch leider ist das eben nicht immer der
Fall. Das ist der Punkt an dem es dann etwas kompliziert wird. Wie weit ist man
bereit, seinem Trainer zu vertrauen, wie weit sollte man ihm vertrauen? Auf
keinen Fall sollte man sich scheuen, Entscheidungen zu hinterfragen. Kann einem
sein Gegenüber keinen plausiblen Grund nennen, ist es vielleicht klüger auf
sein Bauchgefühl zu hören und Abstand zu nehmen. Gleiches gilt, wenn sich über
lange Zeit, kein Trainingserfolg und keine Veränderung einstellen. Training
braucht Zeit, aber wenn man auch nach Wochen und Monaten nach nicht einmal den
Ansatz einer Entwicklung erkennen kann, sollte man auch hier die Frage stellen
dürfen, welchen Sinn das Ganze macht. Auch wenn der Hundeführer mit der
Trainingsmethode nicht klarkommt, sollte man das offen ansprechen dürfen. Es
gibt gute, effiziente Methoden, aber sie nutzen nichts, wenn jemand sie nicht
umsetzen kann. Nicht jeder hat ein gutes Händchen fürs Clickern, nicht jeder
kann korrekt mit Futtertreiben arbeiten. Hier sollte nicht die Devise „da
musste halt durch“ gelten, sondern man sollte sich zusammen hinsetzen und einen
eigenen, individuell passenden Weg erarbeiten können. Manchmal passt die
Methode auch einfach nicht zum Hund.
In all diesen Fällen macht es einfach keinen Sinn, stur
den Anweisungen zu folgen, die man bekommt und dennoch tun es tagtäglich
unzählige Hundehalter in sturem Vertrauen. Schaden wird man in diesen Fällen
wenig anrichten. Meist tritt man nur auf der Stelle. Dennoch ist es
frustrierend und kann einem sehr schnell den Spaß an der Arbeit mit dem Hund
verderben und das sollte doch an erster Stelle stehen.
Schwerwiegender und weitgreifender wird das Problem, wenn
einem irgendwann klar wird, dass man schon vor längerer Zeit den falschen Weg
eingeschlagen hat. Wenn man nicht keinen Fortschritt erzielt hat, sondern immer
wieder und wieder einem Irrweg gefolgt ist, der nach anfänglichen,
vielversprechenden Ansätzen in der Sackgasse endete. In diesen Fällen fällt es
vielen Leuten oftmals noch schwerer, die eigenen Befehle zu hinterfragen. Man
hatte doch kleine Erfolge, es sah so aus, als könne es klappen und der Trainer
sagte einem, man müsse nur durchhalten und wenn etwas falsch lief, schob er es
auf die eigenen Unzulänglichkeiten. Hier bedarf es einer Menge mehr,
Entschlossenheit und Selbstreflektion, um zu erkennen, dass etwas schiefläuft.
Auch fällt es schwer, abzubrechen, wenn man bereits so viel Zeit und Arbeit
investiert hat. Es fühlt sich noch mehr, wie Versagen und Verlust an, nach all
dieser Zeit. Die Stimmen von außen helfen dabei auch selten. Die einen höhnen,
weil sie es ja angeblich gleich gesagt haben – oftmals aber nur hinter dem Rücken
des Hundeführers – und die anderen sehen in den Zweifeln nur den Grund für das
eigene Versagen, denn der Trainer ist gut, der Trainer weiß was er tut, man
muss nur vertrauen und folgen.
Auch wenn es hart ist an diesem Punkt den Absprung zu
finden, eines muss man sich immer vor Augen halten: Es ist nie zu spät, um noch
einmal neu zu beginnen, um einen neuen Weg einzuschlagen und vieles nochmals
gerade zu rücken. Es geht nicht darum, immer seinen eigenen Kopf durchzusetzen
und jeden, der mehr Erfahrung hat, als man selbst permanent in Frage zu
stellen. Es geht darum, zusammen zu arbeiten und gemeinsam einen Weg zu finden
und zu gehen, mit dem alle Beteiligten zurechtkommen und der am Ende ans Ziel
führt oder zumindest in die Nähe davon. Manchmal muss man sich
selbstverständlich auch eigestehen, dass manche Dinge einfach nicht machbar
sind, mit den Mitteln, die einem zur Verfügung stehen und dem, was man bereit
ist zu investieren. Aber auch das ist in Ordnung. Man wird oftmals ebenfalls
feststellen, dass man nicht immer beim ersten Anlauf den Trainer findet, dessen
Methoden mit dem eigenen Bauchgefühl und den eigenen Plänen harmonieren. An
diesem Punkt muss man eben Zeit investieren auch mal ein paar Kilometer weiterfahren
und sich mit verschiedenen Optionen auseinandersetzen, um den richtigen Weg zu
finden.
Doch eines wird immer gleichbleiben: Wir alle werden
Fehler machen. Wir alle werden uns auf dieser Reise zu Dingen bewegen lassen,
die uns im Nachhinein der Kopf schütteln lassen. Manche dieser Fehler werden später
amüsante Anekdoten werden, andere werden Konsequenzen nach sich ziehen mit
denen man oft lange leben muss. Wichtig ist dabei jedoch nur eines, dass wir
unsere Fehler erkennen und aus ihnen lernen und wieder ein besseres Gefühl
dafür entwickeln, wann wir mehr auf unsere Intuition hören sollten.