Freitag, 27. März 2015

Schluss mit lustig



 
Es ist in aller Munde und auf immer mehr Sportplätzen und bei fast jeder Hundeschule zu finden, das Just4Fun Training. Die IPOler scheinen hier mal wieder eine Sonderstellung zu haben. Vielleicht fehlt uns einfach der Humor, aber bis jetzt sind mir noch keine Just4Fun IPOler untergekommen, jeder hat das Training – mehr oder weniger – ernsthaft betrieben mit dem klaren Ziel, eine Prüfung abzulegen.

Doch wirft man einen Blick über den Tellerrand wird der „Fun“ ganz groß geschrieben. Just4Fun Agility, Just4Fun Disc Dogging, Fun Trailing, Fun Obedience, Fun, Fun, Fun til her daddy took… ach nein, das war ja etwas anderes.

Lange habe ich mich gefragt, wo der Unterschied zwischen den Just4Fun Sportlern und den anderen liegt. Keiner den ich kennen gelernt habe, hat seinen Sport unter Zwang gewählt und ohne Spaß an der Sache, wäre keiner durch die lange Ausbildung mit seinem Hund gegangen. Also habe ich mich umgehört, mit den Just4Fun Sportlern geplaudert und nach dem Unterschied gefragt. Es sei weniger Ehrgeiz im Spiel, man würde sich selbst nicht so unter Druck setzen, auch mal fünf gerade sein lassen und eben einfach nur Spaß an der gemeinsamen Aktivität haben. Um mich selbst von dem Spaß zu überzeugen, wurde ich zu einem „Agility Fun Turnier“ eingeladen. Dort könne ich sehen, wie es ist, wenn nicht verbissen auf Zeit gelaufen wird, wenn der Hund Sportkumpane und nicht Sportgerät sei. Der Besuch würde mir die Augen für den Unterschied öffnen.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich, bevor ich mit Cardassia wieder zum IPO Sport zurückgekehrt bin, einige Jahre mit Agility geliebäugelt habe und mit Freunden die diesen Sport sehr erfolgreich betrieben, auf mehr als einem Turnier Besucher war. Auf jeden Fall hatten mir die Veranstalter nicht zu viel versprochen, das Turnier machte mir ein für alle Mal klar, wo der Unterschied zwischen Just4Fun und „normal“ lag. Ich sah an diesem Tag etwas über 20 Starter. Hunde die eigentlich zu groß und zu schwer waren, um vernünftig durch den Parcours zu kommen, Hunde die zu klein und leicht waren, um die Wippe zu bewegen. Hunde die mit solcher Geschwindigkeit auf den Laufsteg rannten, dass sie von der schmalen Lauffläche stürzten. Hunde die ungebremst auf die Schrägwand bretterten, oben kurz nach dem Scheitelpunkt absprangen und denen bei der Landung am Boden alle Gelenke gestaucht wurden. Hunde sie sich im Tunnel überschlugen, weil sie unkontrolliert hindurchrasten und noch vieles mehr.

Ich versuchte mir einzureden, dass man daran noch arbeiten würde. Doch auf den Hinweis nach der ausbaufähigen Technik der meisten Hunde, wurde empört reagiert. Man mache doch den Sport Just4Fun, da würde man sich und den Hund nicht mit dem ganzen Technikunsinn belasten, man wolle ja schließlich Spaß haben. Egal wohin ich auch sah, in allen Just4Fun Sportarten bot sich mir das gleiche Bild. Just4Fun hatte überall dieselbe Bedeutung: schlampig ausgebildet. Bei Fährtenarbeit und Unterordnung mag das noch harmlos sein, bei allen Sportarten bei denen eine körperliche Belastung hinzukommt, ist das der Punkt an dem der Spaß aufhört.

Gerne wird den ernsthaften Sportler die höher führen vorgeworfen, der Hund wäre ein Sportgerät, ein Gegenstand der in den Prüfungen verheizt wird. Doch sehe ich mich im persönlichen Umfeld um, ergibt sich ein anderes Bild. Die Hunde der „ernsthaften“ Sportler egal ob IPO oder Agility beendeten ihre Sportkarriere mit etwa acht bis neun Jahren, geplagt vom Beginn der üblichen Alterszipperlein, aber im Grunde fit. Die Just4Fun Sporthunde waren in dem Alter schon längst Dauerpatient beim Physiotherapeuten und Frührentner. Bandscheibenvorfall, Kreuzbandriss, Arthrosen und wiederkehrende Lahmheit zwangen die Just4Fun Fraktion schon früh zum Rückzug vom Sport. Eine Ursache erkannte niemand, manchmal hat man einfach Pech mit der Gesundheit des Hundes, gerade beim Mischling aus dem Tierschutz weiß man nun mal einfach nicht, ob der nicht genetisch vorbelastet war oder durch Mangelernährung in der Welpenzeit vorgeschädigt wurde. Also nahm man mit dem nächsten Hund das Just4Fun Training wieder auf. Auf technische Übungen verschwendete man keine Zeit, exaktes Ausarbeiten der einzelnen Geräte muss auch nicht sein, schließlich will man ja Spaß haben und das so schnell und so viel wie möglich. Regeln beim Training stören da nur, ebenso wie diese seltsame Modeerscheinung des Warm-Up und Cool-Downs rund um die Trainingseinheiten. Vorsorgeuntersuchungen sind auch nur etwas für kranke Rassen und wieso man einen Physiotherapeuten aufsucht, wenn das Tier nicht verletzt ist, stößt auch auf breites Unverständnis. Immerhin macht man alles ja nur Just4Fun, Röntgenbilder von Hüfte und Ellbogen braucht man ja nur für Turnierstarts…. Oder wenn der Hund nach vier Jahren voll Spaß plötzlich nicht mehr laufen kann.

Just4Fun…. Eine Beschreibung die unzählige Leute anzieht und für mich in den letzten Jahren immer mehr zum Warnhinweis geworden ist. Denn in fast allen Fällen die mir begegnet sind, stand Just4Fun für schlecht qualifizierte Trainer und schlampige Ausbildung, die im schlimmsten Fall zu Lasten der Gesundheit der Vierbeiner ging. Ich bin sehr froh, dass diese Entwicklung bislang keinen Einzug in den IPO Sport gehalten hat und hoffe, dass es so bleibt und auch in den anderen Sportarten der Trend wieder weg von zu viel "Fun" geht.
Denn bei Just4Fun ist für mich Schluss mit lustig

Erzieh gewaltfrei... sonst knallt es!


 
 
 
 
Ich denke es hat keinen Sinn es zu leugnen, deshalb bekenne ich mich lieber gleich von Anfang an zu der Tatsache, dass ich definitiv nicht zur Fraktion der „alles durch positive Verstärkung und nur durch positive Verstärkung und nichts als positive Verstärkung“ Fraktion gehöre. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass ich in der Ausbildung Gewalt anwende, doch das Prinzip der körperlichen Korrektur ist meinen Hunden nicht fremd – weder den aktuellen noch den früheren.
Ich persönlich halte das Konzept der Erziehung und Ausbildung nur durch positive Bestärkung in meinem Lebensumfeld auch nicht für wirklich umsetzbar. Ist Cardassia gerade dabei unter den Nachbarshühnchen, die sich mal wieder in meinen Garten verirrt haben, ein Massaker anzurichten, überlege ich kein Alternativverhalten, das ich anbieten und positiv verstärken könnte und ich bin auch nicht gewillt das Ganze zu ignorieren in der Hoffnung, dass sie das Interesse verliert, wenn die Bestätigung von meiner Seite ausbleibt…. Nein, es gibt einen donnernden Befehl und Madame wird an dem Körperteil, das ich zuerst zu fassen bekomme nicht besonders sanft von ihrem auserwählten Opfer weggezerrt.
Aber um die Frage ob Erziehung und Ausbildung nur über positive Bestätigung überhaupt funktionieren kann, soll es hier nicht gehen. Die Thematik wurde bereits hunderte Male durchgekaut und dass eine Einigung der feindlichen Parteien nicht wahrscheinlich ist, war schon nach der ersten Behandlung der Frage absehbar. Wesentlich interessanter finde ich hingegen aktuell die extreme Diskrepanz die die „wir erziehen rein positiv“ Hundehalter (nennen wir sie doch einfachheitshalber WERP) in ihrem Verhalten gegenüber Mensch und Hund zeigen.
Ich wohne im direkten Einzugsgebiet einer der Vorreiterhundeschulen in der WERP Bewegung und habe somit zwangsläufig fast täglich Kontakt mit Vertretern dieser Philosophie. Doch auch in diversen online Foren trifft man sie immer häufiger. Menschen die in ihren Signaturen Phrasen wie „Gewalt beginnt, wo Wissen endet“ oder Schopenhauers „Solange Menschen denken, dass Tiere nicht fühlen, müssen Tiere fühlen, dass Menschen nicht denken.“ Auch Astrid Lindgren muss mit „Man kann in die Tiere nichts hineinprügeln, aber man kann manches aus ihnen herausstreicheln“ oftmals herhalten. Zitate die eine friedliche, liebevolle Grundeinstellung nach außen tragen sollen. Die Botschaft ist klar für alle zu erkennen und wird plakativ nach außen getragen: Wir sind gegen Gewalt, wir haben eine höhere Ebene erreicht und haben Auseinandersetzungen auf solch niedrigem Niveau nicht mehr nötig.
Es werden fleißig Artikel wie „Köpfchen statt Knöpfchen“ von C. v. Reinhart geteilt und Aktionen wie „Stachler gegen Trainingsstunde“ beworben. Alles wirkt friedlich und kultiviert, bis eines Tages einer daher kommt und es wagt den Vorstellungen der WERPs zu widersprechen oder noch schlimmer, gegen ihre Leitsätze zu verstoßen.
Plötzlich werden Weiber zu Hyänen und hinter den Masken der Pazifisten treten blutrünstige Berserker hervor, die nach Lynchjustiz plärren. Sehr schön zu sehen war dieser plötzliche Gewaltausbruch zuletzt anlässlich Herrn Grewes „Schüsselaffäre“. Plötzlich strömten User aus allen Himmelsrichtungen zusammen, die am Vortag noch gepredigt hatten, dass Gewalt zu verabscheuen sei und drohten einem Mann, den sie nie persönlich kennengelernt hatten öffentlich damit, ihn zusammenzuschlagen und schlimmeres, sollte er ihnen je begegnen.
Ein ähnliches Bild zeigte sich, als vor einigen Monaten die Falschmeldung über den Tod des amerikanischen Hundetrainers Cesar Millan durch Facebook geisterte. Statt Beileidsbekundungen klatschen die WERPs Applaus. Es wurde sich erleichtert darüber gezeigt, dass der „Dreckskerl endlich bekommen hat, was er verdient“. Nachdem der Hoax aufgeklärt worden war, zeigten sich viele enttäuscht. Eine Userin bedauerte es mit den Worten: „Schade, ich hätte es dem wirklich gegönnt.“ Eine Frau, die es am Tag zuvor aufs übelste verurteilt hatte, dass ein Hund für ein Fehlverhalten angeschrien wurde, wünschte einem Familienvater den Tod.
In Worten und dem Hund gegenüber predigen die WERPs den absoluten Gewaltverzicht und Gewalt beginnt bei ihnen sehr früh. Mit den Mitmenschen ist man jedoch lange nicht so zimperlich. Wer nicht für die WERPs ist, ist gegen sie und mit Feinden kennt man nun mal keine Gnade.
Beschimpfungen, Diffamierungen und Bedrohungen sind an der Tagesordnung und man steht oftmals fassungslos da angesichts der Tatsache wie aggressiv und gewaltbereit, sich die gewaltfreie Bewegung doch zeigt.
„Wenn ich je einen erwische, hau ich ihm in die Fresse“ ist ein gängiger Kommentar auf Facebook, wenn aversive Methoden gezeigt werden. Bei Bildern von verletzten Tieren folgen Androhungen von Selbstjustiz, Folter und Kastration. Online Hetzkampagnen gegen potentielle Tierquäler werden über die sozialen Netzwerke gestartet, Drohungen werden ausgestoßen und man versucht sich krampfhaft daran zu erinnern, dass diese Leute für Gewaltfreiheit in der Hundeausbildung stehen.
Egal wie man es dreht und wendet, dem normalen Menschenverstand will es einfach nicht einleuchten, wieso man dem Hund gegenüber so sanft ist und gegen die Mitmenschen mit unerbittlicher Härte vorgeht. Natürlich kommt dann sehr schnell das Argument, dass der Hund der bessere Mensch sei, die weniger korrumpierte Lebensform, der man mehr Respekt zollen muss.
Sei es wie es wolle. Am Ende bleibt einem nur eine Erkenntnis: Als Hundehalter sollte man immer auf der Hut und gut zu seinem Hund sein. Denn sonst kommt einmal der Tag an dem man einem Vertreter der gewaltfreien Hundeerziehung begegnet und herausfinden darf, ob die WERPs nur in der Anonymität des Internets gerne zur Gewalt aufrufen oder ob wirklich die Devise gilt: Erziehe gewaltlos, sonst hau ich dir eine aufs Maul…