…oder „Ein Plädoyer für die Hündin“.
Wir leben in einer Männerwelt und interessanter Weise,
sieht es in der Hundezucht nicht anders aus. Die ganze Hundewelt scheint einen
riesigen Vaterkomplex zu haben. Beworben
wird ein Wurf fast immer über den (oft namhaften) Vater, wenn man sich über
einen Hund erkundigt, fragt man zuerst nach dem Vater, immer nur Vater, Vater,
Vater….
Auf die Spitze getrieben hat diesen Vaterkomplex die
Pferdezucht. Wer einmal Verlaufsanzeigen für Pferde gelesen hat, den
beschleicht sehr schnell das Gefühl, dass man hier die Mutter komplett
abgeschafft hat. Beworben wird ein Pferd mit dem Vater, dem MV (Muttervater)
als dem Großvater mütterlicherseits und auch noch dem MMV, dem Vater der Großmutter
mütterlicherseits. Manchmal stößt man noch auf die Werbung mit dem „Mutterstamm“.
Aber anders als bei den Hengsten zählen hier nicht die einzelnen großen Namen
und Leistungen, sondern das genetische Kollektiv, das dahintersteht.
Ganz so extrem ist die Lage in der Hundezucht noch nicht,
aber es beschleicht einen auch hier immer wieder das Gefühl, als sei die Hündin
nur notwendiges Übel zur Zucht, auf das man keinen besonderen Wert bei der
Auswahl legen muss. Oftmals beschleicht einen das Gefühl, dass mit dem
gezüchtet wird, was man eben gerade hat und da auch schlicht bereit ist, bei
der Hündin Abstriche zu machen, während die Anforderungen an den Rüden umso
höher sind.
Auch auf die Ausbildung legt man bei der Zuchthündin
nicht denselben Wert, wie beim Deckrüden. Ich habe mir einmal die Zeit genommen
und diesen Sachverhalt in einer kleinen Statistik zusammengefasst.
Ein Wort vorweg: Mir ist bewusst, dass diese kleine
Erhebung nicht wissenschaftlich valide ist und dass der ein oder andere auch an
der Vorgehensweise herummeckern wird. Ich habe mich an Tag X (genau genommen
dem 15.04.2016) hingesetzt und habe in der Zuchtdatenbank von Working Dog die ersten
hundert eingetragenen FCI Zuchten für die drei betrachteten Rassen (DSH,
Dobermann, Malinois) genommen und die vorhandenen AKZ von Rüde und Hündin
gezählt. Berücksichtigt habe ich hierbei nur IPO, Ringsport und KNPV – man möge
mir verzeihen, dass ich französisch, belgisch Ring und Mondio einfach zusammengezählt
habe. Nicht miteingerechnet habe ich nationale Zuchttests, Wesenstests,
Teilprüfungen der IPO oder auch die IPO VO, ebenso wenig die Talentsichtung.
Des Weiteren fielen Hunde unter die Rubrik „ohne weiterführendes AKZ“ die als
„Security Dog“ oder „Diensthund im Wachschutz“ betitelt wurden oder als
„geführt in XY“ oder „in Vorbereitung auf XY“ – meist mit dem Hinweis auf die
unglaubliche Härte des Hundes und des Problems ihn auf Prüfungen zu führen –
beworben werden, ohne dass ein AKZ jenseits der BH/VT oder einer BGH
eingetragen ist. Und man möge mir verzeihen, dass ich bei den vier KNPV Hunden
auf eine genauere Unterscheidung verzichtet habe.
Beim Deutschen Schäferhund zeigte sich die Kluft zwischen
Rüde und Hündin am Deutlichsten. 78 der Deckrüden hatten eine IPO III, während
nur 26 Hündinnen soweit ausgebildet waren. 37 Hündinnen waren mit IPO I in der
Zucht, acht Stück hatten die IPO II und 29 hatten kein weiterführendes
Ausbildungskennzeichen. Zum Vergleich waren nur zehn Rüden ohne AKZ als
Deckrüden eingesetzt worden, acht hatten eine IPO I und vier die IPO II. Bevor
an dieser Stelle schon die ersten Beschwerden kommen, sei an dieser Stelle
darauf hingewiesen, dass in Deutschland und Österreich die IPO I zur
Zuchtzulassung gehört, in anderen FCI Ländern aber auch der DSH nicht zwingend
ein AKZ für die Zucht benötigt.
Beim Dobermann zeigt sich ein ähnliches Bild, allerdings
mit einer – für einen Gebrauchshund – erschreckenden Entwicklung bei den
Hündinnen. Hier waren insgesamt 56 ohne weiterführendes AKZ in der Zucht. Bei
den Rüden waren es immer noch 24, allerdings hatte man auch bei immerhin 55
Rüden die IPO III in der Leistungsurkunde stehen, während nur 24 Hündinnen soweit
ausgebildet waren. Zwölf Rüden und elf Hündinnen hatten eine IPO I, je acht
Tiere beiderlei Geschlechts hatten die IPO II und je ein Hund beiderlei
Geschlechts hatte Ring/Mondio Kat.2.
Der traurige Spitzenreiter in Sachen „schlechtere
Ausbildung für die Zuchthündin“ belegte in dieser kleinen Stichprobe der
Malinois mit 62 Hündinnen ohne weiterführendes AKZ. Bei den Rüden waren es 29
Stück, während 41 Deckrüden eine IPO III aufwiesen. Bei den Hündinnen waren es
nur 23. Je vier Hunde beiderlei Geschlechts hatten die IPO I und je sechs die
IPO II. Ein Rüde wurde mit Ring/Mondio Kat.1 und drei mit Ring/Mondio Kat.2
aufgeführt. In Ring/Mondio Kat.3 waren 13 Deckrüden und vier Hündinnen
vertreten, sowie drei Rüden und eine Hündin mit KNPV.
Eine Menge Zahlen, die leider den Eindruck erhärten, dass
man bei der Hündin leider oftmals nur das Allernötigste für die Zuchtzulassung erarbeitet
und man sie dann in der Zucht verschwinden lässt.
Es ist schade, dass man immer noch so wenigen Hündinnen
die Chance gibt, ihr wahres Potential zu zeigen. Leider legen aber auch viel zu
wenige Welpenkäufer wirklich wert auf die Mutterhündin. Gesucht wird immer nach
dem nächsten Wurf des einen oder anderen Rüden, manchmal driftet man auch schon
in Richtung der Pferdezüchter ab und sucht auch die Mutter nach ihrem (möglichst)
namhaften Vater.
Wie uns schon der Biologieunterricht der 9. Klasse
lehrte, 50% des genetischen Materials steuert die Mutter bei. Nicht zu
vergessen, dass die Mutterhündin in der Regel das einzige Elternteil ist, das
direkten Einfluss auf die Entwicklung der Welpen nach der Geburt hat. Der
Deckrüde ist meist nicht vor Ort und so kann sich die Nachzucht nur am
Verhalten der Mutter orientieren. Eine unsichere und gestresste Hündin ist eine
denkbar schlechte Begleitung für den Nachwuchs bei seinen ersten Schritten ins
neue Leben. Daher sollte man sich ebenso
viel Mühe bei der Auswahl und Ausbildung der Zuchthündin geben, wie bei der des
Deckrüden.
Bleibt zu hoffen, dass sich wieder mehr Züchter und
Welpenkäufer darauf besinnen, dass es bei der Zucht nicht nur auf den Deckrüden
ankommt und man sich nach und nach vom herrschenden Vaterkomplex lösen kann.