Montag, 26. August 2019

Die "Adopt" Lüge



Der Slogan wird einem alle Nase lang um die Ohren gehauen. „Adopt don’t shop“ springt einem auf social Media bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten entgegen. Keine Ahnung wer diese Phrase geprägt hat, bekannt gemacht hat sie PeTA in riesigen Kampagnen und nun findet man sie überall, egal wie unpassend sie eigentlich ist.
Gemeint ist mit dem Spruch, man solle doch einen Hund aus dem Tierheim bei sich aufnehmen („adopt“) und nicht einen vom Züchter („shop“). Der Spruch ist eingängig klingt cool, lässt sich auch noch mit einem halben dutzend Ausrufezeichen unterstreichen oder je nach aktueller Situation mit Herzismilies oder weinenden Smilies ausschmücken, je nachdem ob man gerade jemandem zum neuen Hund beglückwünschen oder jemand anderem ein schlechtes Gewissen einreden will.
Der Spruch soll für die Aufnahme eines Tierschutzhundes werben. Doch seien wir mal ehrlich, liebe „Adopt don’t shop“ Jünger, unterm Strich betrachtet, ist die ganze Kampagne mit dem schicken Slogan doch nur eine Mischung aus Selbstbetrug und Selbstbeweihräucherung.

Vergleichen wir mal den Ablauf beim Züchter(„shop“) und beim Tierschutz („adopt“).

Beim Züchter:
Man entscheidet sich, dass man einen Hund haben möchte, sucht sich einen Züchter aus und nimmt Kontakt auf. Man unterhält sich über die Vorstellungen, die man von der Hundehaltung hat, was man vom Hund erwartet, der Züchter erzählt einem, was er von seinen Käufern erwartet und dann entscheiden beide Seiten, ob sie den Kauf abwickeln wollen. Fällt auf beiden Seiten die Entscheidung positiv aus, macht man einen Vertrag, bezahlt den Kaufpreis und an Tag X holt man den Hund beim Züchter ab.

Im Tierschutz:
Man entscheidet sich, dass man einen Hund haben möchte, sieht sich im Tierschutz um, sucht sich entweder einen bestimmten Hund aus und nimmt Kontakt zu der betreuenden Organisation auf oder geht zum örtlichen Tierheim. Man unterhält sich über die Vorstellungen, die man vom eigenen Hund und der Hundehaltung hat, der Tierschutz erklärt, was er von den Leuten im Allgemein und im Speziellen für Hund X erwartet und dann entscheiden beide Seiten, ob sie Hund X wollen bzw. ob sie Hund X an den Interessenten abgeben wollen. Fällt bei beiden die Entscheidung positiv aus, macht man einen Vertrag, bezahlt die „Schutzgebühr“ und man nimmt den Hund aus dem Tierheim mit, holt ihn aus der Pflegestelle ab oder bekommt ihn aus dem Ausland „geliefert“.

Natürlich werden jetzt einige aufjaulen, dass das gar nicht so schnell geht und man im Tierschutz doch viel mehr Kontrollen hat und der Züchter doch eh immer ja sagen wird, weil er seine Hunde ja zu Geld machen will… aber seien wir mal ehrlich. Das ist die Grundstruktur sowohl bei „shop“ wie auch bei „adopt“ und auch wenn es die Tierschützer nicht gerne hören, auch im Tierschutz kauft man sich schlicht und ergreifend einen Hund. Egal unter wie vielen Pseudonymen man das Geschäft verschleiert und welch blumige Umschreibungen man findet, man kauft den Hund. Man sucht sich einen aus, wenn der Verkäufer dem Geschäft zustimmt, wechseln Geld und Hund den Eigentümer (ungeachtet ungültiger Klauseln im „Schutzvertrag“) und der Kauf ist abgeschlossen.
Es wird kein Hund aus dem Tierschutz adoptiert, sie werden schlicht verkauft. Nicht kostendeckend und nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, doch diese Punkte machen aus einem Kauf noch lange keine Adoption.

Und dennoch laufen viele Tierschützer Amok, wenn man das Kind beim Namen nennt und ihre „Adopt don’t Shop“ Hymne als das entlarvt, was sie ist. Man reagiert hochemotional, denn es ist genau das, worum ist bei diesem Slogan geht. Es geht darum Emotionen zu schüren und sich selbst gut zu fühlen. Es besteht kein Interesse daran, sachlich pro Tierschutz zu argumentieren und sich mit Fakten auseinanderzusetzen. Es geht darum mitten in die Emotionen zu treffen und Stimmung zu machen. Denn „Adopt don’t shop“ sagt so viel mehr aus, als man auf den ersten Blick erkennen mag. Die Wortwahl verbirgt so viel mehr als nur ein einfaches „ich möchte den Tierschutz unterstützen“. Sie setzt dem Verwender, der sich im Tierschutz seine Tiere sucht gleich zum Nulltarif den Heiligenschein des moralisch besseren Menschen auf. Denn das „adopt“ impliziert schon die Intention dahinter. Man hat sich nicht einfach einen Hund geholt. Nein, man hat sich ein Familienmitglied ins Haus geholt, gleichberechtigt und gleichwertig und man ist bereit alle Strapazen im Vorfeld auf sich zu nehmen, denn die Prozedur des „adopt“ birgt wesentlich höhere Ansprüche als das schlichte „shop“. Beim „shop“ geht man den einfachen Weg. Man konsumiert einfach nur. Ein Welpe, ein fünftes Paar Schuhe, eine Dose Cola… kein Unterschied. Mit „shop“ erwirbt man unemotional und ungebunden die Rechte an einer Sache. Man holt sich kein gleichwertiges Familienmitglied ins Haus, sondern einen Konsumartikel, einen Sklaven.

Denn im Tierschutz geht es schon seit langem nicht mehr ausschließlich um das Wohlergehen der Hunde. Es geht um die großen Emotionen und auch wenn sich niemand dazu bekennen würde, auch die ganze Eigenmarketingmaschinerie ist darauf ausgelegt. Die Geschmacksrichtung läuft ins Bittersüße. Niedlich/hübsch mit einem Schuss Melodramatik verkauft sich am Besten. Und diese Masche zieht sich durch immer mehr Tierschutzseiten wie ein roter Faden. Die Bilder werden danach ausgesucht, teilweise auch gestellt, damit man diese Mischung zustande bringt und auch die Beschreibungen der Hunde quellen über vor Geschichten von den lieben und verschmusten Tieren, denen der Vorbesitzer das Herz gebrochen hat. Man nimmt sich auch mal die ein oder andere künstlerische Freiheit, um die Werbeaussage richtig rüber zu bringen. Denn wen interessiert schon die wahre Hintergrundgeschichte, wenn die leicht bearbeitete die Message besser auf den Punkt bringt und potentiellen Interessenten und Spendern das richtige Gefühl gibt und ihre Herzen, Türen und Bankkonten öffnet.

„Adopt don’t shop“ reiht sich damit in die unrühmliche Liste der Werbelügen ein, irgendwo zwischen den gesunden Schokoladefrühstücksflocken für Kinder und der Ochsenschwanzsuppe ohne Ochsenschwanz. Auch im Tierschutz hat das Marketing eingesetzt und man sollte sich den Mechanismen solcher Werbeslogans bewusst sein. Egal ob im Tierschutz oder beim Züchter, am Ende kauft man sich sein Haustier und gut fühlen sollte man sich dabei nur, wenn man das wohl überlegt und seriös macht, ungeachtet des Titels des Verkäufers und nicht, weil die Marketingabteilung den Heiligenscheinbausatz als Werbegag gleich gratis zum Vertragsabschluss mitliefert.