Unser viertes Buch.
Nachdem ich die Autorin vor Jahren auf einem Vortrag
kennenlernte, habe ich mich sehr auf dieses Buch gefreut. Nach mehreren Jahren
aktiver Tierschutzarbeit ist das Thema immer noch von großem Interesse für mich
und Überlegungen zu alternativen
Haltungsformen im Tierheim und neue Erkenntnisse rund um den Hund im Tierschutz
können nie falsch sein.
Der erste Eindruck des Buches ist…. Bunt. Viele und vor
allem große Bilder teilen sich so ziemlich jede Seite mit kleinschriftigen
Texten, ab und an wird noch eine Grafik dazugestellt. Auch wenn ich kein Fan
dieser Bilderflut bin, hat der erste Eindruck nicht abgeschreckt. Das Vorwort
hingegen schon. Diese kurze Ausführung der Autorin wirkt beim Lesen sehr
selbstverliebt und man gewinnt den Eindruck, dass Tierheime durch und durch
grauenhafte Orte ohne Verständnis für ihre Bewohner waren, bis die Autorin auf
den Plan trat. Auch klingt hier bereits die erste Werbung für die Animal Learn
Ausbildung an.
Im ersten Kapitel werden die allgemeinen Abgabegründe für
Tierheimhunde behandelt, kurz und eher oberflächlich ohne besondere
Erkenntnisse die im Gedächtnis haften bleiben würden, huscht die Autorin über
dieses Thema hinweg. Dem nächsten Thema nämlich der – ihrer Meinung nach –
idealen Unterbringung von Hunden, sowie dem Umgang mit ihnen, widmet die
Autorin mehr Raum. Ihre Ausführungen sind durchaus nachvollziehbar und haben
viele positive Ansätze, doch bisweilen wirken sie etwas realitätsfremd. Sicher
kann man sich seine Idealvorstellungen zu recht legen, man sollte sich jedoch
bewusst sein, dass in Zeiten in denen viele Tierheime und Tierschutzvereine auf
Grund schwindender Spendenbereitschaft am Rande der Existenz und
Finanzierbarkeit balancieren, Aussagen wie „Geld darf keine Rolle spielen und
finanzielle Interessen müssen immer dem Wohl des Hundes untergeordnet werden
bei Planung und Bewirtschaftung von Heimen“ schlicht utopisch sind. Auch andere
Ansichten stoßen etwas sauer auf. So wird bei bestimmten Rassen wie u.a. dem
Pitbull, dem Stafford oder auch dem Riesenschnauzer pauschal empfohlen die
Rüden zu kastrieren, um die rassetypisch gesteigerte Aggressionsbereitschaft
besser zu kontrollieren. Ein unschöner Tiefschlag für alle jene die versuchen
über die Mythen des aggressiveren Kampfhundes und der Kastration als
Allheilmittel bei Aggression aufzuklären. Leider wird auch die Kastration der
Hündin als Garant für ein krebsfreies Leben angepriesen.
Generell fällt einem beim Lesen des Öfteren auf, dass die
Autorin ihre eigenen Überzeugungen regelmäßig als unumstößliche Fakten
präsentiert und jedes im AL Verlag erschiene Buch aus dem zitiert wird
automatisch zur wissenschaftlich belegten Studie mutiert.
Im weiteren Verlauf wird kurz auf verschiedene
Verhaltensprobleme, gesundheitliche Themen und mögliche Lösungen und Therapien
eingegangen. Ich muss gestehen, dass dieser Teil auch nur wenig im Gedächtnis
haften geblieben ist. Festgesetzt hat sich einzig der Tipp, dass man auch Leine
und Geschirr in passender Farbe wählen sollte, um die entspannende Wirkung der
Farbtherapie auf den Hund zu verstärken.
Leider sind es immer solche Punkte, die aus diesem Buch
in Erinnerung bleiben. Auf der Sachebene wird das Meiste eher kurz und sehr
oberflächlich angerissen, oftmals nicht einmal thementreu, so wird aus dem
Kapitel zur Rückgabe eines vermittelten Hundes am Ende ein längerer Diskurs
über den Umgang von Kindern mit Hunden. Deutlich hervorgehoben wird die
emotionale Seite. Nach kurzen Themengebieten wie Vermittlungsgespräch, Auswahl
des richtigen Hundes, etc. folgen stets sehr ausufernde und emotionale
Beispiele in denen leider sehr häufig ein sehr abwertender Tonfall anderen
Menschen gegenüber mitschwingt. So kommen immer wieder Seitenhiebe gegen
Züchter, andere Hundetrainer und Hundesportler. Aber auch den früheren Besitzern
der Hunde aus den Beispielen werden immer wieder niedere Beweggründe
untergeschoben. So ist wiederholt von „abschieben“ die Rede, ohne auf
Vorgeschichten genauer einzugehen. Ob die Verwandten eines Verstorbenen sich
wirklich nur aus Egoismus des hinterbliebenen Hundes entledigt haben? Oder
könnte es nicht sein, dass es deren Lebensumstände einfach unter keinen
Umständen zuließen, sich verantwortungsvoll um einen Hund zu kümmern?
Verständnis für Einzelschicksale oder auch einfach nur eine objektive
Herangehensweise an die Geschichten sucht man vergeblich.
Doch auch den Hunden tut das Buch bisweilen einen
Bärendienst. Während Tierschützer und Freunde von Tierheimhunden immer wieder
betonen, dass es eben auch den unkomplizierten, freundlichen Familienhund im
Tierheim gibt, beschleicht einen bei der Lektüre das Gefühl, dass Tierheimhunde
zutiefst labile Kreaturen sind, die man nur mit Samthandschuhen anfassen darf.
Sicherlich ist ein Tierheimaufenthalt Stress und keine optimale Lebenssituation,
doch erscheint mir der beschriebene Seelenzustand der Tiere in diesem Buch
etwas überdramatisiert. Sicher gibt es sie, die äußerst anspruchsvollen Tiere,
die durch Trauma, Krankheit oder anderen Unwägbarkeiten viel Vertrauensaufbau
und Training benötigen. Doch dadurch, dass man diese Gruppe derart stark in den
Focus dieses Buches gerückt hat, schreckt man viele Interessenten ab.
Den Abschluss des Buches bilden schließlich zehn Seiten
auf denen vorherigen Inhalte nochmals wiederholt werden, als eine Art
Lerntafeln, garniert mit etwas Werbung für die AL Ausbildung, Trainer und
weitere Produkte aus dem Verlagshaus und dem Onlieshop. Zieht man diese
Werbung, die ausladenden Fallbeispiele und die unzähligen Fotos ab, bleibt
leider nicht mehr sehr viel gehaltvoller Inhalt übrig. Eine Tatsache die sehr
schade ist, da Neumanns Vortrag zum Thema sehr interessant war und viele – auch
in der Realität umsetzbare – Anregungen für den Tierheimalltag gab. Etwas das diesem
Buch zu ihrem ehemaligen Seminar – in der Zwischenzeit wird dieses von einer
anderen Referentin abgehalten – leider nicht gelingen will.
Als nächstes auf der Leseliste: Gabriela Behling: „Frisches
Futter für ein langes Hundeleben“
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