Samstag, 5. Dezember 2015

Das große Schweigen


Die Schweigepflicht gehört untrennbar zu bestimmten Berufsgruppen und auch im Zwischenmenschlichen wird das Schweigen noch immer zu den Tugenden gezählt. Höflich, diskret und in der Hundewelt so unendlich töricht.


Schon Sierra Milton schrieb 2004 einen Artikel mit dem (eingedeutschten) Titel „Omerta oder das Schweigen der Züchter“ in dem sie das Verschweigen von Erbkrankheiten unter den Rassehundezüchtern anprangerte. Viel geändert hat sich in den 11 Jahren die seit Erscheinen ihres Artikels vergangen sind anscheinend nicht. Zwar gibt es immer mehr Züchter, die sich Aufklärung und Offenheit auf die Fahnen geschrieben haben – auch wenn ihnen diese Ehrlichkeit selbst zum Nachteil gereicht – aber noch immer hüllen sich viele in Schweigen.


Doch nicht nur in den Reihen der Züchter hüllen sich viele in Schweigen, auch unter den normalen Hundehaltern gilt für viele die Weitergabe von Informationen und Daten schon fast als Sakrileg. Kann man es beim Züchter noch irgendwo nachvollziehen, auch wenn man es nie gutheißen kann, dass Geschwiegen wird um eigene Fehler nicht eingestehen zu müssen oder finanzielle Einbußen zu verhindern, wundert einen das verbissene Schweigen beim Privathundehalter umso mehr. Die eigenen Erfahrungen und das eigene Wissen werden gebunkert und als Verschlusssache behandelt, niemand soll erfahren, wie es im inneren aussieht.
Ein paar verschwommene Andeutungen sind das höchste der Gefühle, was weitergegeben wird. Sehr schönes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Bei der Diskussion rund um eine rückläufige Erbkrankheit der Rasse Dobermann, berichtete eine Dame, man müsse die Krankheit ernster nehmen, ein mit ihr befreundeter Züchter hätte die Zucht eingestellt, da er mehrere Hunde auf Grund dieser Krankheit hätte einschläfern müssen und auch die Nachzucht betroffen war. Auf die Antwort nach dem Namen der betroffenen Zuchtstätte und der verstorbenen Hunde, warte ich bis heute vergebens. Nachfragen werden strikt ignoriert und somit wird einem jegliche Möglichkeit genommen, sich weiter zu informieren.


Gleiches gilt für die Sterbedaten von Hunden. Gerade in einer Zeit in der die DCM Thematik für viele Dobermannbesitzer zum Alltag gehört und sie oftmals die zentrale Frage beim Kauf des nächsten Hundes darstellt, gibt es kein größeres Problem, als das beharrliche Schweigen vieler Menschen. Die Schere der Reaktionen klappt an dieser Stelle erschreckend weit auseinander. Während manche die Krankheit ihrer Hunde öffentlich regelrecht zelebrieren, schweigen sich andere komplett darüber aus. Die Daten von erkrankten Hunden verschwinden, ebenso wie der betroffene Hund früher oder später und die Besitzer schweigen.


Mag sein, dass der ein oder andere Repressalien von Seiten des Züchters befürchtet, doch wieso sich der Rest in Schweigen hüllt, wird wohl immer ihr Geheimnis bleiben. Vielleicht haben sie Angst, dass schlechte Gesundheit oder Leistungsschwäche auch ein schlechtes Licht auf sie als Halter werfen könnte, wer weiß.
Manche nutzen ihr Wissen auch als kindische Machtdemonstration, um den weniger Wissenden eine Nase zu drehen, sie mit dem geheimen (vermeintlichen) Wissen locken und es ihnen dann nur vorzuenthalten, um die eigene Position zu stärken.


Wie man es dreht und wendet, einen vernünftigen, erwachsenen Grund für das Schweigen gibt es nicht. Das Leben wäre so viel einfacher, wenn sich endlich alle an diesem Punkt dazu durchringen könnten ehrlich mit den Themen umzugehen. Wissen ist sicherlich auch in diesem Fall Macht, eine Macht die man nicht missbrauchen sollte und die man nur nutzen kann, wenn sie mit möglichst vielen Personen geteilt wird.


Es bleibt zu hoffen, dass sich das Schweigen nicht wieder weiter ausbreitet und objektive Informationsweitergabe zwischen Hundehaltern nicht per se als Tratsch oder gar üble Nachrede abgewertet wird.  Sollte sich diese Haltung nicht ändern, gibt es wohl für die Zukunft vieler Rassen und ihrer Halter nur ein mögliches Ende und an dieser Stelle sei es gestattet Brecht zu zitieren, der dafür die wohl passendsten Worte gefunden hat:


Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.