Mittwoch, 21. September 2016

Viel zu lernen du noch hast




Ich bezweifle, dass Meister Yoda bei diesen Worten an den modernen Hundesport dachte, dennoch passen sie ideal zu der aktuellen Situation. Auslöser für die Überlegungen ist das Video des FCI IPO WM Gewinners Harysson Ad-Gür.
Beim Video der – meiner Meinung nach wunderschönen – Unterordnung des Rüden wurde von zwei Damen bemängelt, dass der Hund keinen geraden Rücken, sondern ein starkes Gefälle habe. Ungeachtet der Tatsache, dass wir wohl alle nicht mehr erleben werden, bis sich herumgesprochen hat, dass auch eine stark abfallende Linie eine Gerade sein kann, wurde versucht zu erklären, dass dieses „Gefälle“ in weiten Teilen der Laufart des Hundes geschuldet sei. Bei der gezeigten Unterordnung lief der Hund deutlich über die Hinterhand, trat tief unter dem Schwerpunkt und hob sich dadurch in der Vorhand zu einem deutlichen Imponiertrab heraus. Die Erklärung, dass diese Art des bergauf Trabens nur möglich ist, wenn der Hund die Hintergliedmaßen stärker beugt, mit ihnen weiter unter den Körper tritt, hinten vermehrt Last aufnimmt und sich dadurch die Kruppe absenkt, wurde als Blödsinn abgetan.
Hier also der Hinweis an alle Dressurreiter, der sechste Punkt unserer Ausbildungsskale, namentlich die Versammlung, ist also Blödsinn. Denn um nichts Anderes handelt es sich bei dieser Laufform des Hundes, um eine Versammlung. Nur leider hat dieses Wissen um gewisse anatomische Abläufe in der Bewegung ihren Weg in die Köpfe vieler Hundesportler – und solcher, die sich gerne als solche bezeichnen – noch nicht gefunden. Doch nicht nur dieses Verständnis der Anatomie könnte man sich als Hundesportler aus der Reitsportszene aneignen.

Eines der großen Themen ist dabei das Warm-up. Mit dem Pferd arbeiten ohne es vorher anständig warmzureiten ist ein No Go, wie jeder Reiter von Anfang an lernt. Muskeln brauchen Zeit um warm zu werden, Gelenke verschleißen schneller, wenn sie kalt belastet werden und auch für Sehnen, Bänder und den Kreislauf ist ein Kaltstart unnötig belastend. In der Hundesportszene ist diese Vorgehensweise leider immer noch die Ausnahme. Eine schnelle Runde an der Leine um den Trainingsplatz damit der Hund sein Geschäft verrichten kann und dann geht es los mit der Arbeit. Lockeres Aufwärmen, Fehlanzeige, Fußlaufen oder Revieren reichen ja aus, damit der Hund auf Touren kommt. Wer vor dem Schutzdienst mit leichten Dehnübungen beginnt oder den Hund kurz durchmassiert bevor es in den Parcours geht, wird in den meisten Fällen nur schief angeschaut. Zwar wird es langsam Usus seine Sporthunde ab und an mal mehr mal weniger regelmäßig von Physiotherapeuten oder Chiropraktikern betreuen zu lassen, doch die Einsicht, dass die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Hundes von einem vernünftigen Aufwärmprogramm nur profitieren kann, lässt in weiten Teilen noch auf sich warten.

Gleiches gilt für die Bereiche Körperbeherrschung, Takt und Sprungtechnik. Viele Hundesportler jammern gerne, dass ihnen der Richter in der Prüfung den unnatürlichen Gang des Hundes zieht. Wirklich Zeit und Arbeit investieren aber die wenigsten in einen taktreinen Trab. Der Hund wird in seine Position gepackt und soll diese einfach nur halten. Ob er dies hoppelnd wie ein Kaninchen beim Balztanz oder schleudernd wie eine Kuh auf dem Glatteis macht, ist den meisten Hundeführern in Training vollkommen egal. Gezielte Übungen, um das Körpergefühl und damit die bewusstere Bewegung des Hundes zu fördern, stehen bei den wenigsten auf dem Trainingsplan. Dabei würde es in vielen Fällen für den Hund schon eine große Erleichterung bringen, würde der Hundeführer einmal seine eigene Gehgeschwindigkeit etwas anpassen.

Eine besondere Baustelle nimmt hier das Thema Sprungtechnik ein. Gerade bei der Meterhürde im IPO bleibt mir bisweilen die Luft weg, was sich da als „Sprung“ qualifiziert in den Augen mancher Sportler. Manche Hunde tippeln verzweifelt die Distanz abschätzend auf den Sprung zu um sich dann irgendwie über die Hürde zu winden. Andere brettern voll Trieb aber ohne Auge und Gefühl für Distanz und Höhe los, knallen im Sprung gegen die Hürde und reißen sie bisweilen sogar mit um. Wirklich gearbeitet wird an diesem Problem selten. Man stellt mal die Hürde niedriger und mal etwas höher, dreht den Trieb etwas höher in der Hoffnung, dass der Hund dann schneller Anlauf nimmt oder steckt eine Bürste oben auf, weil man glaubt, der Hund würde nicht mehr auf der Hürde aufsetzen. Die Zeit ein anständiges Sprungtraining durchzuziehen, damit sich beim Hund eine verlässliche und gesunde Technik entwickelt, nehmen sich die allerwenigsten und bekommen am Ende der Prüfung die Rechnung in Form von andauerndem Punktabzug.

Der moderne Hundesport hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Aus dem drögen Nebenherschleichen wie es früher üblich war, haben sich die freudigen und ausdrucksstarken Unterordnungen entwickelt, die man dieser Tage gewohnt ist. Vielleicht schaffen Hundesport und Sportler auch noch diese weiteren Lernschritte in angemessener Zeit zur Ausbildungsbasis werden zu lassen.


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