Mittwoch, 10. Oktober 2018

Spieglein, Spieglein




Auf unserem Trainingsplatz und auch auf vielen anderen steht ein Spiegel. Er soll den Hundeführern beim Training helfen, einen genauen Blick auf sich und ihren Hund zu werfen. Manche Sportler nehmen das Hilfsmittel gerne an, manche belächeln es als überflüssigen Schnickschnack und einige meiden den Spiegel wie die Pest. Dabei muss es kein echter Spiegel aus Glas oder Kunststoff sein. Auch den metaphorischen Spiegel, den einem ein guter Trainingspartner regelmäßig vorhält, umgehen immer noch viele Sportler mit aller Kraft.
Die Prüfungssaison biegt in die Zielgerade ein und es zeichnet sich langsam ab, wer im Training für dieses Jahr einen guten Job gemacht hat, wer Fortschritte und Erfolge erarbeitet hat – was nicht bedeutet, dass es nicht auch Zwischentiefs und Enttäuschungen gab – und wer offenbar einfach nur Zeit auf dem Hundeplatz verbachte, ohne wirklich zu trainieren.
Die wenigsten Sportler besitzen einen Hund, der komplett ausgebildet ist. So gut wie jeder hat Baustellen an denen er weiterfeilen muss und noch fehlende Ausbildungsinhalte, die es zu erarbeiten gilt. Hundesport sollte eine stetige Entwicklung sein. Allerdings muss man diese auch regelmäßig überprüfen und hinterfragen und hier lehrt uns die Erfahrung, dass man selbst da gerne die rosarote Brille aufhat.
Das ist der Moment an dem der Spiegel ins Spiel kommt. Ein klarer Blick auf das, was gerade den Ist-Zustand darstellt, ist in regelmäßigen Abständen einfach ein Muss. Wieso scheuen so viele Sportler diesen notwendigen Schritt?
Weil es nicht immer schön ist, was man sieht. Man sieht seine eigenen Fehler, seine Irrtümer und bisweilen auch sein eigenes Versagen. All das will niemand gerne vor Augen geführt kommen, denn selbst wenn es sachlich und neutral aufgearbeitet wird, hinterlässt es immer ein ungutes Gefühl. Dabei ist nichts von dem, was man dort sieht endgültig. Zumindest noch nicht.
Der Spiegel ist der Dreh- und Angelpunkt, der am ende darüber entscheidet, ob man Fehler erkennen, gegenarbeiten und sich weiter entwickeln kann oder ob man sich hoffnungslos verrennt und das Training irgendwann zur ziellosen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Hund, Hundeführer und Trainer verkommt.
Viele sehen keine Notwendigkeit darin sich selbst und ihre Arbeitsweise immer und immer wieder zu hinterfragen, nachzuprüfen, ob ihr Ausbildungsweg in die gewünschte Richtung führt und ob Hund und Hundeführer sich weiterentwickeln. Viele schummeln sich lieber durch den Trainingsalltag, lassen sich und ihren Hund auf dem Platz durch allerlei Hilfsmittel und kleine Tricks beim Training halbwegs gut aussehen und belügen sich selbst dabei. Hilfe und Korrektur werden nicht angenommen, reales Training findet kaum mehr statt, man spielt nur jede Woche auf dem Hundeplatz dasselbe Theaterstück zur eigenen Unterhaltung.
Bis dann der Tag kommt, an dem man vor dem Richter steht. Die Quittung sieht immer gleich aus: Durchgefallen.
Doch selbst zu diesem Zeitpunkt verweigert man den Blick in den Spiegel und findet unzählige Erklärungen für das Prüfungspech. Die Schuld lag beim Wetter, der Richter war unfair, der Hund fühlte sich nicht wohl, der Saturn stand im 5. Haus und irgendwo auf einem Baum hat ein Schwarzspecht an der falschen Stelle geklopft. Man selbst ist nie schuld, man war ja immer beim Training und hat jede Woche eine gute Figur gemacht. Wenn die Erkenntnis so weit reicht, dass keine externen Einflüsse einem den Prüfungserfolg verdorben haben, dann liegt die Schuld meistens beim Hund. Der hat nur darauf gewartet, seinen harttrainierenden Hundeführer an der Nase herum zu führen und daran wird man bis zur nächsten Prüfung etwas ändern.
Jedoch nicht mit überdenken der Trainingsmethode, sondern wenn der Vorsatz wirklich vom Prüfungstag bis zur nächsten Trainingseinheit hält, im Hauruckverfahren, über Strafe. Man straft den Hund ein paar Mal ab und dann begibt man sich wieder auf die Trainingsbühne und zieht Woche um Woche die immer gleiche Show ab, während die anderen um einen herum trainieren.
Dabei hält man gebührenden Abstand zu den Spiegeln und ehrlichen Trainern und Trainingskollegen und redet sich voller Überzeugung ein, dass alles genau so passt, wie man es gerade und seit immer schon macht, bis am nächsten Prüfungstag der nächste Richter den Kopf schüttelt.


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