Donnerstag, 9. April 2020

Gruber, Prof. Dr. Achim – Das Kuscheltierdrama: Ein Tierpathologe über das stille Leiden der Haustiere


Ein Tierpathologe plaudert aus seinem Arbeitsalltag und legt seine persönliche Meinung zum Thema Haustierzucht im allgemeinen und Hundezucht im sehr speziellen vor. So ließe sich der Inhalt vermutlich am besten und Treffendsten zusammenfassen.
Man kann das Buch ziemlich klar in zwei Teile aufteilen. In Teil eins erzählt der Tierpathologe aus seinem Arbeitsalltag. Es liest sich leicht und flüssig, man hat den Eindruck, der Autor würde bei einem gemeinsamen Kaffee ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern und seine Lieblingsanekdoten zum Besten geben. Es geht um die Frage, was ein Tierpathologe genau macht, wie man den Beruf ergreift und es geht um mehrere Beispiele aus dem Arbeitsalltag. Da reicht die Spanne von einem Zoonilpferd mit einem besonderen Leiden, einem Chinchilla mit Herpes, einem misshandelten und gedopten Rennpferd, Vögeln und Hunden mit unentdeckten Parasiten und noch vielen weiteren Fällen. Manchmal verrennt sich der Autor dabei ein wenig, gerät ins Schwafeln und kommt vom Stock aufs Stöckchen, aber trotzdem bleiben die Episoden ansprechend und erinnern einen an eine Mischung aus „Dr. House“ und „Bones“ für Tiere.
Natürlich gibt es Tipps für das richtige Verhalten, im Umgang mit seinen Tieren, wirklich bahnbrechende Erkenntnisse findet man jedoch nicht. Dass man mit einem kranken Tier zum Tierarzt gehen sollte und es keine gute Idee ist, Tiere mit gefälschten Impfpässen aus dem Ausland zu schmuggeln, sollte einem bereits der gesunde Menschenverstand sagen. Und man muss auch sagen, dass vieles der im Buch beschriebenen Leiden auch schlicht daher rührte, dass in den Tierarztpraxen eine falsche Diagnose gestellt wurde. Es ist ein interessantes Lesebuch in der ersten Hälfte, allerdings sollte man es auch als genau solchen verstehen und kaufen. Wer mehr erwartet, als eine Anekdotensammlung aus einem eher unbekannten Berufsfeld, wird schon in Teil eins enttäuscht werden.
Noch schwieriger wird es im zweiten Abschnitt, in dem der Autor sich dem Thema Rasse(hunde)zucht widmet. Ja, es ist ein wichtiges Thema und die Fehlentwicklungen gehören deutlich angeprangert und objektiv benannt, aber man merkt hier immer wieder, wie dem Autoren die Emotionen durchgehen, was sich auch bisweilen mehr als deutlich auf die Qualität der folgenden Abhandlung auswirkt. Schon in der Einführung wird mehr als klar, wo der Zug hingehen soll. Hier beschreibt der Autor ein Gespräch mit seinem Sohn, in dem es um einen Dalmatiner und den familieneigenen Mischling geht und in dem die Aussage fällt, den Mischling habe die Natur so gemacht…
Auch wenn bei der Verpaarung von Mischlingen seltener der Mensch plant, als in der Rassehundezucht, sind auch Mischlinge (wie alle anderen Hunde) so natürlich wie Kaugummi. Der Hund egal in welcher Form, ist ein Produkt des Menschen.
Weiter geht es mit den üblichen Verdächtigen in den Qualzuchtdebatten und hier merkt man sehr schnell, dass Fakten und Emotion verschwimmen. So ist zwar Inzucht schlecht, aber die DDR Population (die bis heute eine deutlich höhere Inzuchtrate zeigt, als der Rest der Population) war die einzige Rettung des Deutschen Schäferhundes, den es vor Mauerfall in der ganzen restlichen Welt laut Ansicht des Autors nur noch als überzüchtete Hochzuchtvariante gab.
Und so geht es weiter mit den Brachyzephalen Rassen, der Merle Problematik, der Frage nach VDH oder Dissidenz und man ist als Leser hin und her gerissen. Auf der einen Seite werden viele Probleme angesprochen, über die man wirklich reden muss, auf der anderen Seite merkt man doch, dass an einigen Stellen die persönliche Meinung die Fakten überwiegt. So wird das Thema der Verbesserung der Lage der brachyzephalen Rassen sehr vereinfacht auf das gerne von Designermixvermehrern genutzte „Hauptsache mehr Nase“ runtergebrochen und auch die Dissidenzvereine sind nicht zu verachten und sicher besser als der VDH, denn die versprechen, dass sie keine Qualzucht betreiben. Dass es da meist beim Versprechen bleibt ist egal, klingt gut auf dem Papier, findet man also toll. Weiter nachgeforscht und auf die Tücken auch dieser selbsternannten besseren Vereine wird mit keinem Wort eingegangen.


Hätte man es bei den Fallbeispielen aus dem Arbeitsalltag belassen und es auch so beworben, wäre es ein wirklich interessantes Buch mit Geschichten aus einem fast unbekannten Beruf. Aber dieser Rundumschlag nur kurz über Stammtischniveau in der zweiten Hälfte, zieht das Buch extrem runter.